Der Niedergang der deutschen Windbranche ist weiter in vollem Gange. Der Windkraftbetreiber Enercon hat nun angekündigt, 3000 Arbeitsplätzen abbauen zu müssen, nachdem er schon im letzten Jahr hunderte Jobs kürzte. Andere Unternehmen wie beispielsweise Senvion sind schon ganz insolvent gegangen.
Zur Begründung verwies Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig am Freitag in Aurich völlig zu Recht auf die Energiepolitik der Bundesregierung, die zu einem Einbruch des Markts für Windenergie an Land geführt habe.
Allerdings waren es auch die Windverbände und auch Enercon-Chef Kettwig selbst, die keinen nennenswerten Widerstand gegen die EEG-Novelle und die darin vorgesehene Umstellung auf Ausschreibungen entfacht hatten. Ein Wirtschaftsbereich wie die Windbranche, die ähnlich wie vorher schon die Branchen der Solar- und Bioenergien nicht mit klarem Widerstand gegen die von der Politik vorgesehenen Verschlechterungen auftritt, hat sich einen Teil des Desasters selbst zuzuschreiben.
MdB Johann Saathoff (SPD) hatte neben sehr wenigen anderen in den Regierungsfraktionen versucht, die Umstellung auf die Ausschreibungen zu verhindern. In einem offenen Brief beklagt er, dass er dafür keine Unterstützung bei Enercon oder den Windverbänden fand. Zitat aus dem offenen Brief von MdB Saathoff: „Zu den politischen Ursachen zählen die Umstellung auf das Ausschreibungsmodell, der mangelnde Netzausbau, die zunehmenden Akzeptanzprobleme bei der Errichtung von Windenergieanlangen vor allem im Osten und Süden, aber auch bei uns und die damit verbundene Debatte um Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Wohnbebauung, die immer weiter zunehmende Rechtsunsicherheit von Kommunen bezüglich der Planung von Windvorranggebieten und weitere neue windenergiebegrenzende Sachverhalte, wie zum Beispiel Radarsysteme des Wetterdienstes oder der Flugsicherung. Gerade um die Einführung des Ausschreibungsmodells gibt es aktuell eine Diskussion.“
Saathoff in seinem Brief weiter: „Ich will hier nichts verteidigen, kann mich aber sehr gut daran erinnern, dass die Forderung nach einem Ausschreibungsmodell aus der Wettbewerbskommission in Brüssel stammte. Die gesamte Förderung der erneuerbaren Energien stand damals auf dem Spiel. Zu der Zeit war noch vor der Entscheidung, ob es Ausschreibungen geben soll, im ‚Windblatt‘, also der firmeneigenen Zeitschrift der Firma Enercon, schon ein großer Artikel mit der Überschrift ‚Enercon als starker Partner bei Ausschreibungen‘ zu lesen. Ich wurde mit Verweis auf diesen Artikel auf meinen Widerstand gegen Ausschreibungen angesprochen, ‚für wen ich denn wohl bitteschön noch kämpfen würde.‘“
Die Windbranche hat es verpasst, die richtigen politischen Maßnahmen zu erkennen und zum richtigen Zeitpunkt gegen die verheerenden Vorschläge der Bundesregierung anzugehen. Das entschuldigt aber in keiner Weise die vernichtenden EEG-Novellen unter CDU/CSU, FDP, SPD.
Es war schnell abzusehen, dass mit der EEG-Novelle 2017 die letzte noch in voller Blüte stehende Branche der erneuerbaren Energien vollkommen einbrechen wird. Mit ihr traten die Ausschreibungen in Kraft und lösten das erfolgreiche EEG mit den festen Einspeisevergütungen ab.
Doch obwohl (oder gerade weil?) schon längst die Wirkungen der Umstellung auf Ausschreibungen mit dem Einbruch bei Solar- und Bioenergie bekannt waren, wurde auf diesem Weg politisch weiter gemacht.
Dabei ist klar: An Ausschreibungen können sich bürgerliche, dezentrale Akteure wie beispielsweise Genossenschaften so gut wie nicht beteiligen. Damit fällt vor Ort der entscheidende Akteur weg, der es noch vor zwei Jahren vielfach schaffte Projekte mit der Akzeptanz der Bürgerschaft in den Kommunen zu verwirklichen, gegen die Phalanx der Windkraftgegner und Naturschützer. Die verheerenden Auswirkungen der Umstellung auf Ausschreibungen sind längst analysiert.
Ausschreibungen sind eben nicht der entscheidende Grund für Kostensenkungen, was ihre Hauptbegründung ist, sondern sie führen zu geringerem Marktausbau und zum Verlust der bürgerlichen Energiewendeakteure.
Es ist vollkommen unbegreiflich, wie die betroffene Branche so wenig Kraft hat, diese verfehlten Weichenstellungen anzuprangern und die richtigen Gegenmaßnahmen zu fordern: Es muss endlich wieder ein Zurück zur festen Einspeisevergütung in der Wind-, Solar- und Bioenergiebranche geben, zumindest für Projekte unterhalb von 40 Megawatt Leistung, die bürgerliche Akteure eben stemmen können.
Doch weder vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) noch vom Bundesverband Windenergie (BWE) oder den anderen Branchenverbänden ist selbst bei schlimmen Einbrüchen wie den Massenentlassungen bei Enercon, keine Forderung zurück zu Ausschreibungen zu hören.
Wie soll so Klimaschutz in Deutschland überhaupt noch verwirklicht werden? Der Ökostromausbau ist das zentrale Element für den Klimaschutz an sich. Viel neuer Ökostrom wird für elektrische Antriebe und Wasserstoffantriebe im Verkehrssektor, sowie für Wärmepumpen im Wärmesektor benötigt und zusätzlich gebraucht um Atomenergie, Kohlekraft und klimaschädliche Erdgaskraftwerke zu ersetzen. Doch der Ökostromausbau eilt von Negativrekord zu Negativrekord, Klimaschutz wird damit nicht möglich sein. Die Energiewende wurde von der Politik von CDU/CSU/FDP/SPD beendet.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Ich wünsche mir eine differenziertere Betrachtung von Ausschreibungen in Abhängigkeit vom Reifegrad der Produkte sowie der Laufzeit der durch die Ausschreibung garantierten Einspeisevergütung.
Wenn eine Technologie in kurzer Zeit veraltet ist, dann bedarf diese einer sicheren Vergütung mit entsprechender Laufzeit (20 J.), um einen vernünftigen ROI zu erzielen. Ist die Laufzeit der sicheren Vergütung zu kurz, wie z.B. bei PPA von nur 5 Jahren Laufzeit, dann sind beim Ablauf der 5 Jahre neuere Anlagen am Markt, die preiswerter liefern können und somit die alte Anlage unwirtschaftlich machen. Dieser Umstand der schnellen technischen Veralterung trifft auf jeden Fall auf Photovolaik und Power to X Technologien zu. Bei der Windkraft scheint mir ein Ende des technischen Fortschritts erreicht zu sein, denn viel höher kann und will man die Türme nicht bauen. Wenn nun bei den technologieoffenen Ausschreibungen im Jahr 2019 nur noch Solarparks gewonnen haben, dann ist das ein klarer Hinweis dafür, dass Windparks nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Warum also Windstrom für mehr Geld einkaufen? Natürlich wäre es schön gewesen, wenn Wind und Sonne gemeinsam und sich ergänzend alle notwendige erneuerbare Energie erzeugen würden. Vermutlich reicht aber Sonnenstrom in Verbindung mit Kurz-, Mittel-, und Langfristspeichern aus, um preiswerter eine sichere, ganzjährige Energieversorgung zu gewährleisten.
Schlimm ist, dass in den Nachrichten die Umstellung auf Ausschreibungen als Hauptgrund für den Einbruch beim Bau von Windanlagen gar nicht genannt wird.
Den Artikel hätte er sich sparen können, wenn er Wirtschaft verstanden hätte. Wirtschaft funktioniert auch ohne Politik (besser sogar), sein Öko-Gedöns nur mit Subventionen.
Leiden Sie an selektiver Demenz? Haben Sie schon die massiven Unterstützungen der Politik nach der Finanzkrise für die Finanz- und Automobilwirtschaft verdrängt? Und was ist mit der Subventionierung von Diesel und und und
Die jetzige Situation ist regierungsseitig gewollt und von langer Hand eingeleitet:
Altmaier sprach 2018 von einem nötigen „Strukturwandel in der Windbranche“. – Quasi „Rache“ für den nicht mehr verhinderbaren Strukturwandel in den Kohleregionen und Konkurrenzbeseitigung/Schaffung freier Bahn für den avisierten „fuel switch“ auf Erdgas ?
„Der Strukturwandel in der Windbranche muss für alle leistbar sein“ wird er in der „Volksstimme“ vom 17.08.2018 zitiert. Damit dieser – damals in Form des Abbaues von über 800 Arbeitsplätzen beim Windkraft-Marktführer ENERCON – möglichst reibungslos über die Bühne geht, setzte sich der Minister mit Betriebsräten und IG-Metall-Vertretern zusammen.
Ich hatte damals Kontakt mit dem Pressesprecher von ENERCON und fragte, warum ENERCON sich nicht an dem Gespräch Minister/Betriebsrat/IG-Metall beteiligt und in diesem Fall nicht einen Schulterschluss mit Betriebsrat und IG-Metall anstrebt. Hieran zeigte ENERCON kein Interesse.
Siehe zum Thema auch:
https://www.pv-magazine.de/2018/08/23/altmaier-verlegt-strukturwandel-vom-kohlerevier-in-windbranche/ (Dass der fuel-switch von Kohle auf Erdgas beabsichtigt wird, war mir damals noch nicht bewusst.)
Wer verdammt nochmal hat diese Vorgehendsweise der Ausschreibung und deren Größenordnungen für sachgerecht und gut geheissen?
Wer bestimmt über die Notwendigkeit der erforderlichen Größen der Energieversorgung für den Zubau? Marktwirtschaft?
Wer und aufgrund welcher Expertiese wurde Herrn Almeier und seinem Gefolge eigentlich die Handlungshoheit für die erforderlichen Mengen an der Energiegeumwandlung und der sachgerechten Energieerzeugung zugesprochen?
Hat dieser Minister und sein Gefolge ausreichender Sachverstand?
Ja, die ehemals zuvor festgelegten Subventionsbeträge für PV und Wind waren auskömmlich, eventuell anreizend und eventuell zu hoch angesetzt.
Mit Herrn Altmeier wurde hier ein Blocker für PV und auch Wind gesetzt um die EEG-Umlage nicht in unermessliche Höhen ausufern zu lassen; aber wie und auf welcher Grundlage bleibt für den Betrachter weiterhin verschwommen.
Jetzt, wo Atomkraft und Kohleverstromung mit ein Enddatum versehen wurden, würden die konkreten Senarien der Bundesregierung für die Sicherstellung der Frequenz im Stromsektor und damit die Verlässlichkeit der Stromversorgung schlechthin interessieren.
Werden wir weiter von Stromkosten von 15 – 30 cnt/kWh, Industrie-Privat, schardronierieren oder gibt es hierfür seriösierere Betrachtungen.?
Werden die nicht mehr nachvollziehbaren seit 20 Jahren existierenden Vergünstigungen des „Produzierenen Gewerbes“ , die immerhin 50% des Strombedarfes ausmachen, zurück-gefahren werden oder weiterhin alimentiert werden?
Bitte kein Wischi-Waschie;genaue Berechnugen für zwischen Termin 2030- Endtermin 2050!
Mit welchen Energieanteilen, Laufzeiten, Energievolumina kWh per Disziplin etc. soll dieses Ziel erreicht werden.
Sicherstellung des Energie-Peaks bitte in kW genauso, wie die CO2-relevante Energiemenge in kWh/a
Bitte um Offen-Legung der Planung des Ministeriums.
Politische Willenserklärungen verlieren angesichts des schon verrasselten Energiezieles 2020 deutlich an Wert.
Keiner der jetzt beteiligten Politiker wird zum Zeitpunkt der Bilanz in 2030 oder 2050 zur Abrechnung zur Verfügung stehen.
Wir werden uns dann nur betroffen anschauen…..