Acht Monate in Folge höhere Stromerzeugung aus Erneuerbaren als aus fossilen Kraftwerken

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Seit acht Monaten – also seit März – liegt laut Energy-Charts des Fraunhofer ISE die Erzeugung der Erneuerbaren nun konstant über der Fossilen. Gab es das schon mal?

Nein, letztes Jahr war das nur in drei Monaten – also im April, Mai und Dezember – der Fall.

Was sind die Gründe dafür, schließlich hatten wir in diesem Jahr keinen Jahrhundertsommer wie 2018 und der Wind blies nur in wenigen Wochen außergewöhnlich stark?

Auf der Seite der erneuerbaren Energie hat die Windkraft stark zugelegt. Die Erzeugung stieg in den ersten zehn Monaten um 17 Prozent von 86 Terawattstunden im Jahr 2018 auf 101 Terawatt in diesem Jahr. Bei den fossilen Energien kamen mehrere Ereignisse zusammen: Die Börsenstrompreise waren mit circa 30 bis 35 Euro pro Megawattstunde sehr niedrig. Gleichzeitig war der Preis für CO2-Zertifikate mit 25 bis 30 Euro je Tonne CO2 so hoch wie noch nie. Dadurch wurde die Stromerzeugung aus Braunkohle und Steinkohle unrentabel. Die Stromerzeugung aus Braunkohle emittiert etwa 1 bis 1,1 Tonnen CO2 pro Megawattstunde. Wenn der CO2-Preis in Euro pro Tonne so hoch ist wie der Börsenstrompreis in Euro pro Megawattstunde, wird die Stromerzeugung aus Braunkohle zum Verlustgeschäft.

Die Gaskraftwerke haben aber davon – neben den Erneuerbaren – profitiert.

Richtig, allerdings waren auch die Gaspreise mit etwa 10 Euro pro Megawattstunde sehr niedrig. Das hat teilweise zu einem Fuel-Switch von Braunkohle zu Gas geführt, weil Gas deutlich weniger CO2-Emissionen verursacht und deswegen weniger CO2-Zertifikate benötigt.

Können Sie die Veränderungen bei der Nettostromerzeugung in Zahlen ausdrücken?

In den ersten zehn Monaten 2019 hat sich die Stromerzeugung gegenüber dem Vorjahreszeitraum wie folgt geändert: Die Kernenergie blieb konstant. Die Braunkohle verlor 24 Prozent und die Steinkohle 34 Prozent. Die Gaskraftwerke legten bei der Nettostromerzeugung um 29 Prozent zu. Unter den Erneuerbaren gab es eben diesen Sprung von 17 Prozent bei der Windkraft. Photovoltaik, Wasserkraft und Biomasse sind dagegen eher konstant geblieben.

Mit welcher Bilanz rechnen Sie für das Gesamtjahr?

Das hängt von vielen Faktoren ab. Wichtig ist auf jeden Fall die Windstromerzeugung. Wenn sie im November und Dezember hoch ausfällt, werden die erneuerbaren Energien dieses Jahr erstmals mehr Strom produzieren als die fossilen Energien. Letztes Jahr war die Windenergie zumindest im Dezember sehr stark. Die Stromerzeugung aus Braunkohle hängt sehr stark von der Entwicklung des Börsenstrompreises und des CO2-Zertifikatspreises ab. Bei niedrigen Börsenstrompreisen und hohen Zertifikatspreisen wird die Stromerzeugung klein sein. Beim umgekehrten Verhältnis wird viel Strom aus Braunkohle produziert werden, auch für den Export. Die weitere Stromerzeugung aus Gas hängt ebenfalls von den Preisen ab. Neben Börsenstrompreis und CO2-Zertifikatspreis spielt hier noch der Gaspreis eine wichtige Rolle.

Würden Sie sagen, dass wir damit mit der Energiewende in Deutschland auf einem guten Weg sind?

Die Anteile der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung steigen seit 20 Jahren kontinuierlich an. Das ist die gute Nachricht. Trotzdem wünscht man sich natürlich, dass es angesichts des Klimawandels deutlich schneller geht. Die Emissionsziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes sind zu wenig ambitioniert und übersteigen das CO2-Restbudget, das uns nach dem Pariser Klimaabkommen zusteht. Die Bundesregierung hat außerdem das Ziel, den Anteil der Erneuerbaren 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen.

Wird die Bundesregierung dieses Ziel erreichen?

Die geplanten Zubauzahlen für Photovoltaik und Wind an Land werden wahrscheinlich aber nicht ausreichen, um das 65 Prozent-Ziel zu erreichen. Das liegt vor allem daran, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass der Stromverbrauch nicht ansteigen wird. Wir gehen aber von einem Anstieg aus, da ja neben dem Energiesektor auch der Verkehrs- und Wärmesektor dekarbonisiert werden müssen. Beides wird zu einem steigenden Stromverbrauch führen. Deshalb schlagen wir einen Zubau von mindestens zehn Gigawatt Photovoltaik pro Jahr vor, um den zusätzlichen Strombedarf erneuerbar decken zu können.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Überschrift am 8.11.2019 korrigiert. März bis Oktober sind natürlich nur acht und nicht zehn Monate. Wir bitten den Flüchtigkeitsfehler zu entschuldigen.

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