Kommt 2019 die Verkehrswende?

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Die Wut wächst. Die Deutsche Bahn treibt Millionen Kunden fast täglich in die Verzweiflung. Sie hat in den letzten 25 Jahren 5.400 Kilometer Strecken stillgelegt. Die Staus auf den Straßen werden von Jahr zu Jahr und von Ferien zu Ferien länger. Flüge fallen aus. Wir werden mobil bis zum Stillstand. Ein Kommentar von Franz Alt

Der volkswirtschaftliche Schaden liegt 2018 bei geschätzten 300 Milliarden Euro – und das in einem der reichsten Länder der Welt. Wir müssen Mobilität neu denken. Kommt 2019 die Wende?

Müssen Mobilität neu denken

Ab Januar gelten zunächst einmal dort Dieselfahrverbote, wo einst das Auto erfunden wurde – in Stuttgart. Andere Städte werden folgen. Einem Industrieland, das 2018 so immobil war wie Deutschland, fehlt es zunächst einmal an geistiger Mobilität. Es ist hierzulande der politische Wille, der im Stau steckt.

Der Berliner Flughafen wird nie fertig, Bei Stuttgart 21 werden immer mehr Milliarden Euro ohne jeden Sinn und Verstand versenkt. Die Politik hat längst die Kontrolle über die Mobilität verloren. Seit Jahrzehnten geht noch jede Bundesregierung vor der Autolobby in die Knie: Auto-kratie statt Demokratie!

Wenn Gerichte Dieselverbote wegen schlechter Luftqualität verhängen, dann fällt Politikern nichts Besseres ein als die Verbote möglichst zu umgehen. Die CDU will sogar jene Bürgervereinigung, die Deutsche Umwelthilfe, materiell bestrafen, welche die Gerichtsurteile im Namen des Volkes erstritten hat. Da wäre es doch einfacher, gleich die Gerichte abzuschaffen.

Die politische Borniertheit im Mobilitätsbereich gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat. 2018 haben die Volksparteien auch deshalb Stimmen verloren wie noch nie in den 70 Jahren Bundesrepublik. Und die Grünen haben zugelegt wie noch nie. Die grüne Partei ist auch die einzige, die „radikale Antworten“ auf den deutschen Stillstand fordert. Ihre Forderung trifft den Nerv der deutschen Befindlichkeit. Es geht um Wohlstand für alle, der nur durch gute Mobilität zu sichern ist, um Gesundheit und Umwelt und nicht zuletzt um hunderttausende Arbeitsplätze.

Einige Rezepte zur Gesundung

  • Erstens: Ohne ein beispielloses Investitionsprogramm in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr geht in Deutschland bald gar nichts mehr. Verkehrspolitik muss hierzulande endlich bald mehr sein als Autopolitik.
  • Zweitens: 2019 muss in Deutschland der Durchbruch für die Elektro-Mobilität kommen. Vorbild ist Norwegen, wo 2018 schon jeder zweite Neuwagen elektrisch fährt.
  • Drittens: Um U- und S-Bahnen zu finanzieren, könnten sich deutsche Städte an der Stadt Templin orientieren. Hier gibt es seit 1997 kostenlosen öffentlichen Verkehr. Die Fahrgastzahlen stiegen von 41.000 auf 600.000 Der Autoverkehr ging zurück. Und der Feinstaub ist unter Kontrolle. Neue Haltstellen wurden errichtet, Linien ausgebaut, Fahrscheine abgeschafft. Finanziert wird das Ganze durch eine stark erhöhte Kurtaxe. In Polen funktioniert kostenloser öffentlicher Verkehr bereits in 40 Städten und Gemeinden. Oft wird öffentlicher Verkehr durch eine Nahverkehrsabgabe für PKWs finanziert.

Nahverkehrsabgabe wie in London ist am Anfang immer unpopulär. Aber die Engländer sind heute weitgehend damit einverstanden, dass Autofahrer für eine Fahrt in die Innenstadt Londons 16 Euro zahlen müssen.

Es gibt immer Alternativen

Politiker müssen sie allerdings mit ihren Wählern kommunizieren. 2019 sind radikale Lösungen notwendig. Immer mehr Menschen werden sich fragen, warum sie jeden Monat 500 Euro für ein Auto ausgeben sollen, wenn es auch billiger, sicherer, schneller und umweltfreundlicher geht. In London befördern die zuverlässigen U-Bahnen ihre Gäste fünfmal schneller als ein Auto fährt.

— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

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