Der Photovoltaik mal wieder kurzfristig die Lichter ausknipsen?

Teilen

Nein, bislang ist das Energiesammelgesetz noch nicht verabschiedet – die Kürzung der Einspeisevergütung für Dachanlagen zwischen 40 und 750 Kilowatt noch nicht beschlossene Sache. Doch sind die Art und Weise, wie Branche und Öffentlichkeit in dieser Situation behandelt werden, schockieren und gleichen einem politischen Offenbarungseid.

So manchen schweren Schlag hat die Solarbranche in ihrer noch jungen Geschichte bereits verkraftet; gravierende Einschnitte in der Förderung, unverständliche gesetzliche Grundlagen, nicht nachvollziehbare Umlagen und Besteuerungen. Die Photovoltaik ist zum Stehaufmännchen der deutschen Wirtschaft geworden.

Der aktuelle Fall „Referentenentwurf“ zum Energiesammelgesetz (siehe Beitrag von Milk the Sun oder Beitrag von PV Magazine) erreicht Dimensionen längst vergangener Tage. Noch im November soll es verabschiedet werden, ohne dass die Öffentlichkeit auch nur ansatzweise informiert wurde. Innerhalb weniger Stunden wurde die gesamte Solarbranche in Aufruhr versetzt, gerade die kleinen bis mittelgroßen EPCs fürchten um ihr Geschäft, Entwickler stehen mal wieder vor dem Scherbenhaufen Ihrer Arbeit, geplante PV-Projekte zur Erreichung unserer ehrgeizigen Klimaziele lösen sich in Luft auf.

Wo ist der politische Dialog?

Von einer „beihilferechtlichen Verpflichtung“ der Regierung gegenüber der EU-Kommission ist im Referentenentwurf die Rede. Faktisch mag das zwar korrekt sein. Aber jedem denkenden Individuum sollte sich auch der Tragweite bewusst sein, die diese Verpflichtung und die Folgen daraus nach sich ziehen. Wo ist der politische Dialog zu Wirtschaft und Verbänden geblieben? Warum gelangt ein so gravierender Einschnitt so spät in den öffentlichen Diskurs? Und warum erfahren die betroffenen Unternehmen davon nur über Hintertürchen und Umwege?

Ist es nicht die Verantwortung des Bundeswirtschaftsministeriums, genau diesen Dialog selbst voranzutreiben? Ist es nicht selbstverständlich, frühzeitig zu informieren? Sind die Folgen eines solchen Einschnittes nicht offensichtlich und damit Grund genug, aus der Politik proaktiv die Kommunikation mit allen Beteiligten zu übernehmen? Seit wann ist den Entscheidungsträgern der aus ihrer Sicht nötige Schritt denn bekannt? Man möchte meinen, dass im Hause Altmaier hier mit einem erheblichen Kalkül vorgegangen wird, um zur mühsam errungenen Einigung zu den Ausschreibungen einen Ausgleich für die Lobby der alten „Kraftwerkssaurier“ zu schaffen.

Marktunsicherheit ist der Projekte Tod

Noch bevor das entsprechende Gesetz vom Kabinett verabschiedet wurde, noch bevor final geklärt ist, ob die Kürzungen tatsächlich kommen werden (und aus unserer Interpretation der Dinge scheint das der Fall zu sein), stehen hunderte Photovoltaik-Projekte vor dem Aus. Quasi über Nacht sind rechtliche und finanzielle Grundlagen und damit Verlässlichkeit und Vertrauen weggebrochen.

Es ist den Unternehmen doch nicht zumutbar, in einer Phase der Unsicherheit all die geplanten PV-Projekte vorzufinanzieren.  Für Investoren und Käufer ist es schlichtweg unmöglich, aktuell Investitionsentscheidungen zu treffen, die über den 31.12. hinausgehen. Auch Banken werden Schwierigkeiten haben, bis zu einer endgültigen Entscheidung über die zukünftige Vergütungsstruktur Kreditzugaben zu geben.

Projekte für 2019 noch ins laufende Jahr vorzuziehen ist fast unmöglich, da die Errichtungskapazitäten schon seit Wochen weitestgehend ausgelastet sind. Schon jetzt reagierten einige Betriebe mit der Streichung des wohlverdienten Weihnachtsurlaubs ihrer Mitarbeiter, um der drohenden Situation entgegenwirken zu können. Als „desaströs“ und „in dieser Art und Weise nicht im Geringsten nachvollziehbar“ bezeichnen etwa EPCs, die ihre Anlagen über unseren Marktplatz anbieten, das Vorgehen der Politik.

Der Run auf noch verfügbare Baukapazitäten wird bis zum Jahresende nochmals zu einem Bauboom führen – der Preis, den die Anlagenbetreiber dafür zahlen werden, kennen alle, die um die Qualität von PV-Anlagen wissen, die in den letzten Jahren unter Förderbedingtem stichtagsbezogenen Zeitdruck errichtet werden mussten.

In den kommenden Tagen und Wochen geht es nicht nur darum, schnell Planungssicherheit und eine klare Faktenlage zu schaffen. Den beteiligten politischen Institutionen und Ministerien muss klargemacht werden, dass sie mit dieser Art der Kommunikation flächendeckenden Schaden anrichten. Wir können und wollen das so nicht hinnehmen. Es ist ein Armutszeugnis der Politik, das Arbeitsplätze, rechtstaatliches Vertrauen und die Energiewende zerstört.

— Der Autor Dirk Petschick ist Geschäftsführer und Mitgründer von Milk the Sun. Das 2012 gegründete Unternehmen mit Sitz in Münster und Berlin bietet eine Plattform, die den weltgrößten Online-PV-Marktplatz, eine kostenlose digitale Anlagenverwaltung und professionelle Dienstleistungen rund um Handel, Betrieb und Optimierung von Solaranlagen zusammenbringt. https://www.milkthesun.com —

 

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.