Als Ernst Ferstl einst „Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis weit höher als in der Theorie“ formulierte, meinte er sicherlich nicht die Photovolatik-Praxis. Aber auch dort trifft dieser Aphorismus des Öfteren zu. Als Gutachter werden wir immer wieder mit unterschiedlichen Sachverhalten konfrontiert, die diese Diskrepanz bestätigen.
Für die dachparallele Modulmontage auf Dächern mit Trapezblechprofilen haben sich Kurzschienensysteme etabliert. Diese bieten zweifelsohne eine Reihe von Vorteilen, wie zum Beispiel eine schnelle und kostengünstige Montage bei gleichzeitiger Einsparung von Gewicht und somit zusätzlichen Dachlasten. Jedoch lässt sich eine normgerechte Verkabelung bei diesen Systemen nur schwer oder gar nicht realisieren. Die VDE 0100-712 in der Ausgabe vom Oktober 2016 fordert „Kabel und Leitungen dürfen nicht direkt auf der Dachoberfläche verlegt werden“. Diese Forderung ist nachvollziehbar, soll das Kabel doch so vor thermischen und mechanischen Einflüssen geschützt werden. Nur wie verhält es sich in der Praxis?
Ist die Verkabelung der Photovoltaik-Module untereinander unter dieser Prämisse gegebenenfalls noch realisierbar, stellt sich das bei den Stringzu- und -ableitungen aufgrund der äußerst geringen Abstände zwischen Modul und Dachhaut schon anders dar. Eine praktische Lösung unter dem Aspekt der ökonomischen Verhältnismäßigkeit wird von vielen Installateuren ausgeschlossen. Die Rücksprache mit einem Hersteller für Unterkonstruktionen ergab, dass sie hier ebenfalls keine konstruktive Lösung anbieten. Und somit stecken wir als Gutachter in einem Dilemma.
Da für eine mangelfreie Ausführung der PV-Anlage die Einhaltung der Norm maßgeblich ist, können wir eigentlich die Nutzung eines Kurzschienensystems nicht mehr empfehlen. Andererseits denken wir, dass die Kabel unterhalb der Modulebene in den meisten Fällen ausreichend vor Fremdbeanspruchung geschützt sind.
Kann dieser Widerspruch durch Etablierung einer einheitlichen Regelung für Hersteller, Installateure und Gutachter aufgelöst werden? Wer macht den ersten Schritt?
— Die Autoren Gerd Schröder und Jan Bahmann vom Leipziger Institut für Energie GmbH können im Rahmen ihrer gutachterlichen Tätigkeiten auf Erfahrungen aus über 1.000 PV-Projekten in Leistungsklassen bis 100 MWp zurückgreifen. Neben Ertragsgutachten im In- und Ausland wurden eine Vielzahl von technischen Abnahmen von PV-Anlagen durchgeführt. Mehr Informationen finden Sie unter http://www.ie-leipzig.com/de/erneuerbare-energien-photovoltaik. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Guten Abend,
relativ gut lässt sich dieses Dilemma durch polymerbasierte, UV-stabilisierte Kabelkanäle, bspw. in Abmessung 40x30mm (h=30mm) lösen. Materialbedingt gibt es hier wenige Unverträglichkeiten, die Befestigung an den Schienenstücken ist möglich und durch die geringe Höhe passen sie in der Regel unter die Module. So sind die DC-Leitungen sowohl vor Staunässe als auch vor mechanischen Einflüssen geschützt. Die Materialkosten lassen sich in guter Näherung mit ca. 15€/kWp angeben.
Darüber hinaus gibt es noch Varianten mittels Lochbandbefestigung, die m.E. aber aufwändiger sind.
Ich denke, dass die erstgenannte Option vernünftig ist, bin aber gerne für Alternativen offen.
Mit freundlichen Grüßen,
Sönke Jäger // ADLER Solar
Sen Solar bietet ein Kabelnetz zur Führung an.
Hallo Herr Schröder, hallo Herr Bahmann,
das klassische Dilemma eines Gutachters wird da sofort sichtbar. Wenn ich mich nicht nass machen will, ist die Beachtung der normativen Vorgaben der einfache Weg, alles richtig zu machen und den schwarzen Peter anderen in die Schuhe zu schieben.
Die Norm ist nunmal kein Gesetz. Und in diesem Fall nach meiner Erfahrung auch nicht praxistauglich. Es gibt Anlagen (s.o.) die eine normgerechte Errichtung nicht zulassen. Gehen von den Leitungen zusätzliche Gefahren aus, wenn sie tlw. auf der Dachhaut liegen? Ich denke nicht.
Wenn alle Verbinder so hochgebunden sind, dass sie nicht im Wasser liegen können, die Leitungen nicht scheuern, was soll daran nicht richtig sein?
Wagen Sie sich nach vorne und bestätigen Sie die Ihrer Meinung nach fachgerecht Installation. Gründe dafür gibt es genug.
Sonnige Grüße
Olaf Kunz
Sehr guter Beitrag.
Es ist ärgerlich, dass sich die Modulhersteller in den Fragen der Kabelverlegung schon immer einen schlanken Fuß machen. Das ist dann das Problem des Installateurs.
Dabei wäre es sicher möglich hier gute Lösungen zu schaffen, die dem Installateur dabei helfen alles richtig zu machen. Im oben genannten Fall wird von mir kein Mangel festgestellt, wenn die Kabel auf dem Dach liegen. Ich habe früher selbst viele solcher Anlagen installiert und es ging schlicht nicht anders…
hier kann ich nur zustimmen. Insbesondere bei dem gezeigten Bild mit Verlegung über die Obersicke sehe ich eine akzeptable Verlegung.
Wo möglich, sollte befestigt sein , an der Verbindung sowieso .
Man kann natürlich alles schlechtreden. mancher Theoretiker sollte selbst mal ein paar Module verlegen und dabei die DC Kabel hochbündeln.
Eine denkbare Abhilfe wären Kabelbinder mit Klemmfuß für den Modulrahmen ( Hellermann )
Hallo Herr Schröder und Herr Bahmann,
Kommentar: Die Norm ist nunmal kein Gesetz. Und in diesem Fall nach meiner Erfahrung auch nicht praxistauglich.
Energiewirtschaftsgesetz – EnWG§ 49
Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten.
Hier gilt ein Vermutungsprinzip. Das Schutzziel ist laut EnWG§ 49 erreicht, wenn allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Installation einer Anlage berücksichtigt wurden.
MfG
Alex