Bald haftet der Verkäufer von Solar-/Bauprodukten verschuldensunabhängig für die Aus- und Einbaukosten

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Zum 1. Januar 2018 treten Änderungen des Kaufrechts in Kraft, die die Rechtsposition des Solarteurs oder Werkunternehmers für den Fall, dass er mangelhafte Solar- oder Bauprodukte einbaut, maßgeblich verbessern. Er kann im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage verschuldensunabhängig die Kosten des Aus- und Einbaus des mangelhaften Bauprodukts an seinen Lieferanten und dieser dann durch die gesamte Lieferkette hindurch auf den eigentlichen Verursacher des Mangels „durchreichen“. Ein Überblick über die in Kraft tretenden Änderungen des Kaufvertragsrechts aus der Perspektive der Praxis:

I. Heutige Sachlage
Der Hersteller einer Sache verkauft diese an einen Baustoffgroßhändler (Kaufvertrag), dieser verkauft die Sache an einen Zwischenhändler weiter (Kaufvertrag), bei dem der Werkunternehmer die Sache seinerseits erwirbt (Kaufvertrag), um sie dann beim Bauherrn zu installieren (Werkvertrag). Übertragen auf die Solarwirtschaft stellt sich die Lieferkette regelmäßig wie folgt dar:

Der Hersteller oder Importeur von Solarmodulen, Wechselrichtern, Klemmen, Unterkonstruktion, Kabeln, etc. verkauft die einzelnen Komponenten einer Photovoltaikanlage an einen Zwischenhändler (Kaufvertrag), der sie an einen Elektrogroßhändler weiterverkauft (Kaufvertrag), bei dem der Solarteur sie erwirbt (Kaufvertrag), um sie beim Betreiber zu installieren (Kaufvertrag oder Werkvertrag, je nach Auffassung des VII. oder VIII. Senats des BGH).

II. Heutige Rechtslage
Im derzeit geltenden Kauf- und Werkvertragsecht existiert keine Norm, die dem Verkäufer oder Werkunternehmer, der mangelhafte Baumaterialien bei seinem Käufer beziehungsweise Besteller eingebaut hat, gegen seinen Lieferanten einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten gibt. Hat ein Werkunternehmer oder Solarteur bei seinem Baustoffhändler oder Elektrogroßhändler unwissentlich und trotz erfolgter Eingangskontrolle und -prüfung mangelhaftes Baumaterial bzw. mangelhafte Komponenten einer Solaranlage gekauft und diese beim Bauherrn oder Betreiber verbaut, so kann der Bauherr oder Betreiber vom Werkunternehmer oder Solarteur nach geltendem Recht Nacherfüllung (§439 Abs. 1 BGB, Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache) einschließlich Ersatz der Aus- und Einbaukosten (§ 439 Abs. 2 BGB) verlangen.

Der Werkunternehmer oder Solarteur seinerseits kann von seinem Baustoffhändler oder Elektrogroßhändler dagegen nur die Lieferung des dafür benötigten Baumaterials verlangen. Die ihm entstandenen Aus- und Einbaukosten muss er – von den Fällen eines schuldhaften Verhaltens des Baustoffhändlers oder Elektrogroßhändlers abgesehen – selbst tragen und kann sie nicht an seinen Baustoffhändler oder Elektrogroßhändler „durchreichen“. Er kann diese also nur weitergeben, wenn er beweisen kann, dass „sein“ Verkäufer den Mangel kannte, er selbst ihn aber nicht hatte erkennen können.

Zur Sicherheit regelten Hersteller/Großhändler etc. in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), dass sie nicht für Aus- und Einbaukosten gerade stehen. Dasselbe gilt für alle einschlägigen Garantiebestimmungen der Hersteller, die immer ausdrücklich nur Ersatzlieferungen oder einen Schadenersatz versprechen, ausdrücklich aber immer die Aus- und Einbaukosten ausschließen.

Sprich: Wenn zum Beispiel ein Modul innerhalb der fünfjährigen Gewährleistungsfrist einen Mangel hat und deswegen getauscht werden muss, der Großhändler diesen Mangel nicht kannte oder kennen konnte, also den Einbau des verhlaften Produkts nicht verschuldet hat, bekommt der Installateur zwar das Modul, nicht aber den Ein- und Ausbau ersetzt. Das ändert sich für Verträge, die nach dem 01.01.2018 geschlossen werden.

III. Novellierung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum 01.01.2018
Für ab dem 01.01.2018 geschlossene Kaufverträge werden die Rechte des (Letzt-) Verkäufers (Werkunternehmers/Solarteurs) im Gewährleistungsfall maßgeblich verbessert. Das Recht der Mängelhaftung wird an die Rechtsprechung des EuGH angepasst (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 – C 65/09 und C 87/09). Zugunsten des (Letzt-) Verkäufers (Werkunternehmers/Solarteurs), wird in den bisherigen § 439 BGB („Nacherfüllung“) ein neuer dritter Absatz mit folgendem Inhalt eingefügt:

„Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.“

Zur Verbesserung der Rechtsstellung des (Letzt-) Verkäufers (Werkunternehmers/Solarteurs) und seiner Verkäufer gegenüber ihrem jeweiligen Verkäufer wird der neue § 445a BGB („Rückgriffsanspruch in der Lieferkette“) mit folgendem Wortlaut eingefügt:

„(1) Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Absatz 2 und 3 sowie § 475 Absatz 4 und 6 zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war.
(2) Für die in § 437 bezeichneten Rechte des Verkäufers gegen seinen Lieferanten bedarf es wegen des vom Käufer geltend gemachten Mangels der sonst erforderlichen Fristsetzung nicht, wenn der Verkäufer die verkaufte neu hergestellte Sache als Folge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder der Käufer den Kaufpreis gemindert hat.
(3) Die Absätze 1 und 2 finden auch auf die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gegen den jeweiligen Verkäufer entsprechende Anwendung, wenn die Schuldner Unternehmer sind.
(4) § 377 HGB bleibt unberührt.“

Im Übrigen: Wenn in den Verträgen mit dem Baustoffhändler oder Elektrogroßhändler nach dem ersten Januar weiterhin Ausschlussklauseln stehen sollten, nach denen die Ein- und Ausbaukosten nicht übernommen werden, sind diese unwirksam.

IV. Begründung
Die Regelung des neuen § 445a Absatz 1 BGB gibt dem (Letzt-) Verkäufer (Werkunternehmer oder Solarteur), der vom (Letzt-) Käufer (Bauherrn oder Betreiber) auf Nacherfüllung in Anspruch genommen wurde, gegen seinen Lieferanten (Baustoffhändler oder Elektrogroßhändler) einen Anspruch auf Ersatz der Nacherfüllungsaufwendungen (Aus- und Einbaukosten), die der (Letzt-) Verkäufer (Werkunternehmer oder Solarteur) nach §§ 439 Absätze 2 und 3, 475 Absätze 4 und 6 BGB im Verhältnis zum Käufer (Bauherrn oder Betreiber) zu tragen hatte, wenn der vom Käufer (Bauherrn oder Betreiber) geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer (in der Regel: Übergabe der Kaufsache) vorhanden war. Es handelt sich hierbei um eine eigene Anspruchsgrundlage, das heißt um einen selbständigen Regressanspruch. Der bislang auf das Recht des Verbrauchsgüterkaufs (Rechtsgeschäft zwischen Unternehmer und Verbraucher) beschränkte Anwendungsbereich des § 478 Absatz 2 BGB wird damit auf alle Kaufverträge, die neu hergestellte Sachen zum Gegenstand haben, ausgeweitet. Ein unmittelbarer Regressanspruch auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten der mangelhaften Sache – unabhängig von dem sonst zu beachtenden Vorrang der Nacherfüllung – besteht nach dem ersten Januar 2018 auch dann, wenn es sich bei dem letzten Kaufvertrag in der Lieferkette um einen solchen zwischen zwei Unternehmern handelt.

Mit der Formulierung „zu tragen hatte“ in § 445a Absatz 1 BGB wird – wie auch im bisherigen Recht in § 478 Absatz 2 BGB – ausgedrückt, dass der (Letzt-) Verkäufer (Werkunternehmer oder Solarteur) seinerseits zur Nacherfüllung verpflichtet gewesen sein muss und ihm auch kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem (Letzt-) Käufer (Bauherrn oder Betreiber) zustand.

V. Achtung: kaufmännische Untersuchungs- und Rügepflicht
§ 445a Absatz 4 BGB weist darauf hin, dass die kaufmännische Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB unberührt bleibt. Dieser unscheinbare Hinweis wird in der Praxis eine große Wirkung entfalten. § 377 HGB besagt bei einem Handelsgeschäft (bei dem also beide Vertragsparteien Kaufleute sind):
(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
(2) Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muß die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.
(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.

VI. Fazit
Die Position des Bestellers und Betreibers von Photovoltaik-Anlagen wird sich auf den ersten Blick nicht ändern, weil er ohnehin schon immer einen Anspruchsgegner (auch) für die Aus- und Einbaukosten bei mangelhaften PV-Komponenten hatte. Fällt ihm dieser Anspruchsgegner aber aus (etwa durch Insolvenz), dürfte sich auch seine Position verbessern. In jedem Falle aber verbessert sich die Position des Werkunternehmers oder Solarteurs, der in Zukunft (bei Neuverträgen) nicht mehr auf den im Vergleich zum Wert der mangelhaften Komponenten erheblichen Aus- und Einbaukosten „sitzen bleibt“. Wichtig ist für ihn – wie für alle anderen Parteien der kaufrechtlichen Lieferkette – aber, ein System für die kaufmännische Untersuchungs- und Rügepflicht zu finden, um im Schadensfalle nachzuweisen, dass man als Käufer der Obliegenheit einer (zumutbaren) Qualitätskontrolle nachgekommen ist.

— Rechtsanwalt Andreas Kleefisch ist Partner der Baumeister Rechtsanwälte in Münster, Fachanwalt und Lehrbeauftragter für Bau- und Architektenrecht sowie Vorstandsmitglied des Qualitätsverbandes Solar- und Dachtechnik (QVSD e. V.). Sie können Andreas Kleefisch auf dem Forum Neue Energiewelt am 16. November in der Session „Betrieb und Wartung / O&M“ um 11:30 treffen.—

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