Kleine schaffen Großes

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Ungefähr ein Jahr nachdem auf einer steinigen Kuppe in der thüringischen Gemarkung Wachenbrunn Sprengladungen detoniert waren, trafen sich über 300 Kilometer weiter südlich im bayerischen Neuötting etwa 100 Besucher auf einer Informationsveranstaltung. Das war im Jahr 2012 und der Anfang der Energiegenossenschaft Inn-Salzach, kurz Egis.

Die Besucher sprachen sich laut Website dafür aus, eine Genossenschaft zu gründen, „mit dem Bewusstsein, dass die Energiewende nicht von oben verordnet, sondern vielmehr von den Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt und gelebt werden muss“. Es sei, so steht es auf der Website, diskutiert worden, die Genossenschaft basisdemokratisch auszurichten. Sieben Monate später wurde sie dann tatsächlich gegründet.

Die Sprengladungen hatten den Sender beseitigt, mit dem von dem thüringischen Hügel aus das Radio der DDR funkte. Da nach Aussage der Gemeinde das Gelände kein Landwirt haben wollte, war der Weg frei für eine Bürgersolaranlage. Im Mai 2015, also fast zweieinhalb Jahre nach der Informationsveranstaltung, nimmt die Egis dort eine 8,7-Megawatt-Photovoltaikanlage in Betrieb. Sie kostete fast neun Millionen Euro. 82 Prozent gibt eine Bank als Kredit, der Rest wurde vom Projektierer Maxsolar vorfinanziert. Nun soll das kurzfristige Darlehen des Projektierers refinanziert werden, indem die Genossenschaft neue Mitglieder gewinnt, die eine Einlage leisten. 53 Prozent des Darlehens seien so bereits bis Mai, also vor der Inbetriebnahme, zurückgezahlt worden.

Die Genossenschaft hat sich zum Ziel gesetzt, auf die Einlagen drei bis vier Prozent Rendite zu geben. Die Anlage wird vermutlich mehr erwirtschaften. Wie das Geld verwendet wird, wird dann aber unter den Mitgliedern abgestimmt. Für die Abwicklung nutzt Egis den Dienstleister Eueco und dessen Software für ein Internetportal.

Portale zur Refinanzierung und zur Geldanlage

In den letzten zwei Jahren sind mehrere Portale entstanden, die es nicht nur Energiegenossenschaften, sondern auch Unternehmen, Privatleuten, Stadtwerken und vielen mehr erlauben, Photovoltaikanlagen zu refinanzieren, also ihr eigenes darin gebundenes Kapital zu reduzieren. Auch wenn die meisten lieber mit Bürgerenergie in Verbindung gebracht werden wollen, gibt es dafür auch ein neues Wort: Crowdfunding oder Schwarmfinanzierung.

Umgekehrt erlauben die Portale Kleinanlegern, sich bereits mit geringen Einlagen zu beteiligen, egal ob bei Bürgerenergiegenossenschaften, wo Mitbestimmung ein wichtiges Thema ist, oder bei Unternehmen. Einer der großen Vorteile für Kleinanleger ist, dass man bei diesen Anlageformen seine Investitionen in kleine Teile splitten und damit das Risiko streuen kann.

Das könnte eine Win-win-Situation sein, wenn das Risiko nicht wäre. Fast genauso lange, wie diese Portale bestehen, diskutieren Politiker, Crowdfunding-Lobbyisten und Verbraucherschützer darüber, ob man die Menschen im Land nicht vor den dort vermittelten Geldanlagen schützen müsse. Das im April verabschiedete Kleinanlegerschutzgesetz geht nun weniger weit, als von den Crowdfundern und Genossenschaften befürchtet. Sie sind von einigen Reglementierungen ausgenommen. Crowdfunder dürfen zum Beispiel weiterhin ohne große Auflagen Projekte bis 2,5 Millionen Euro finanzieren.

Das Risiko einer Geldanlage bleibt natürlich trotzdem ein Thema. Crowdfunding und Bürgerenergie bestehen, weil die Menschen selbst entscheiden wollen, was sie mit ihrem Geld tun. Dazu müssen sie sich aber auch selbst eine Meinung darüber bilden, wem sie es anvertrauen. (Die dafür wesentlichen Fragen und Antworten finden Sie ab Seite 94).

Doch was sind es für Projekte, die es auf dem Markt gibt? Auf dem Portal „Leih deiner Umwelt Geld“ kann man die bereits abgeschlossenen Projekte einsehen. Dort hat zum Beispiel die Energiegenossenschaft Energiegewinner e.G. für 130.907,87 Euro eine 70-Kilowatt-Anlage auf einer Sporthalle in Badenstedt gebaut. Sie finanziert sich zum einen durch die Genossen, die Eigenkapital an der Anlage kaufen.

Renditen überall ähnlich

Zusätzlich haben die Energiegewinner aber über das Webportal 40.000 Euro eingeworben, etwa ein Viertel der Investitionssumme, die mit 4,75 bis 5,25 Prozent verzinst wird. Das ist kein Eigenkapital, sondern ein sogenanntes nachrangiges Darlehen, wie es bei diesen Geldanlagen oft gehandelt wird. Banken haben keine zusätzlichen Kredite dazugegeben. Das verringert das Risiko, weil die Banken oft zuerst die Hand aufhalten, sollte etwas schiefgehen. Die Energiegewinner arbeiten jetzt daran, den Mitgliedern den Strom aus den eigenen Anlagen über einen Direktvermarkter wie zum Beispiel Buzzn (siehe Seite 66) zur Verfügung zu stellen.

Bürgerenergie, aber nicht im Sinne der Genossenschaften, sondern als „Anlagen auf den Dächern der Bürger“, das ist der Plan von DZ-4. Schon vor einem guten halben Jahr hat das Unternehmen ebenfalls Geld von Kleinanlegern eingesammelt und damit den Bau von 28 kleinen Dachanlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern teilweise refinanziert. 180.000 der 468.000 Euro, die die 28 Anlagen gekostet haben, sind über die Crowdfunding-Plattform „Econeers“ zusammengekommen. Die Anleihen werden mit 4,5 Prozent verzinst.

Die versprochene Verzinsung scheint überall ähnlich zu sein, auch wenn die Art der Anleihen unterschiedlich ist. Eine andere Plattform, auf der Geld in Solaranlagen angelegt werden kann, ist Greenxmoney. Dort werden sogenannte Wattpapiere verkauft. Bei Redaktionsschluss waren dort zwei Anlagen eingestellt. Eine davon ist die 1,7-Megawatt-Anlage in Nordhausen. Wer sich daran beteiligt, bekommt ein Wattpapier dafür ausgehändigt, das anders funktioniert als ein nachrangiges Darlehen und das Kapital mit 4,48 Prozent verzinst. Das ist im Prinzip eine sicherere Finanzkonstruktion, wobei aber unter Umständen auch noch Gebühren anfallen.

Die klassichen Nachrangigen

Wer sich mit kleinen Geldanlagen beschäftigt, muss seinen Blick aber nicht nur auf Crowdfunding-Plattformen richten. Es gibt auch klassische geschlossene Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Umweltbank oder bei Murphy & Spitz. Bei der Umweltbank konnte man letztes Jahr etwa Anleihen für den Solarpark Walddrehna erwerben, für die man 4,50 Prozent Rendite über eine Laufzeit von zehn Jahren und sechs Monaten bekommt. Anleger konnten ab einem Volumen von 2.500 Euro investieren. Das ist rechtlich genauso ein nachrangiges Darlehen wie bei Econeers und Leih deiner Umwelt Geld.

Der Unterschied ist, dass die Solaranlage mit 51,89 Megawatt Solarleistung deutlich größer ist und die Emittentin daher einen Anlageprospekt herausgeben musste, in dem die wichtigsten Angaben zusammengefasst sind und dessen formalen Aufbau die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin prüft. Die Anlage wird zusätzlich mit einem höheren Anteil an Bankkrediten finanziert. Sollte der Ertrag deutlich niedriger ausfallen als geplant, werden die Banken vor den Kleinanlegern ausbezahlt. Daher gibt es zwei Gutachten zu dem Kraftwerk, die den Ertrag bestätigten. Darüber, wie sehr der Prospekt die Geldanlage wirklich sicherer macht, gibt es jedoch sehr unterschiedliche Einschätzungen.

Im Folgenden finden Sie Fragen und Antworten zu Crowdfunding-Plattformen, Bürgerenergieprojekten und Finanzierungsarten. Außerdem stellen wir vier Plattformen vor.

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