Wenn ein Verkauf zum Streit führt

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Vermutlich war es ein Geschäft, wie es damals üblich war. 2010 gab es Modulmangel und Rekordinstallationen. Es war das Jahr, in dem der deutsche Solarmarkt schätzungsweise 20 Milliarden Euro umsetzte, zehnmal so viel wie heute. Jaime Arau, Inhaber des Installationsbetriebs Arau Technik GmbH in Schorndorf, bekam im April 2010 ein interessantes Angebot: Silizium-Dünnschichtmodule Astronergy mit 544 Kilowatt Leistung für 544.000 Euro. Kunden gab es, da schlug er ein. Nach vier Jahren sind die Module kaputt. Nach Araus Einschätzung bringen sie 20 Prozent weniger, als sie müssten. „Das haben wir aus den Abrechnungen mit dem Netzbetreiber erschlossen, wobei wir die zu erwartenden durchschnittlichen Erträge in den Jahren berücksichtigt haben“, sagt er.

Anfang des Jahres meldete Jaime Arau den Garantiefall an, da die 110-Watt-Module unter den in den ersten zehn Jahren zugesicherten 90 Prozent der Nennleistung lägen. Astronergy willigte ein, eine Stichprobe von zwölf Modulen beim ZSW Baden-Württemberg nachmessen zu lassen. Die Ergebnisse zeigten, dass bei den zwölf Modulen die Leistung im Mittel bei 96,3 Watt lag, das sind 2,7 Watt weniger als die 99 Watt, ab denen der Garantiefall eintritt. Das schlechteste Modul lag sechs Watt darunter, zwei Module lagen noch über den 99 Watt. Der Fall war damit klar, und Astronergy erkannte den Garantiefall an.

Minderleistung ersetzen statt Module tauschen

Der Streit begann danach. Der Modulhersteller wollte lediglich die 2,7 Watt durchschnittliche Minderleistung ersetzen, und das nicht finanziell, sondern durch Lieferung von Modulen, die diese Leistung kompensierten. Das hilft dem Anlagenbetreiber und Jaime Arau jedoch nichts, da die Dächer bereits voll belegt sind und die Module gar nicht eingebaut werden können. Wenn er die gelieferten Module nutzt, um einen Teil der degradierten Module zu ersetzen, kompensiert das aber nur einen verschwindend geringen Teil des Minderertrags. Arau sagt, er und sein Rechtsbeistand halten das nicht für rechtens, und sein Kunde macht Druck. Verständlicherweise. Denn im Angebot an den Kunden spezifiziert Arau: „Produkt- und Leistungsgarantie abgesichert durch Münchener Rück beziehungsweise die Hannover Re. Bei Leistungsminderung erfolgt finanzieller Ausgleich.“

Doch wie kam es dazu? Der damalige Vertriebsmitarbeitervon Astronergy habe ihm gesagt, dass die Garantie durch die Münchener Rück abgesichert sei. „Sonst hätten weder ich noch der Kunde das Geschäft gemacht“, sagt Arau heute. Im Angebot, das der Modulhersteller in einigen Zeilen in einer E-Mail spezifizierte, steht davon nichts. In dem Auftrag beziffert Arau die Leistungsgarantie, die er kaufen will, mit den üblichen zehn Jahren für 90 Prozent und 25 Jahren für 80 Prozent der Nennleistung. Er schreibt auch dazu: „Product guarantee and performance fully reinsured by Munich Re.“

Die Auftragsbestätigung aus dem chinesischen Hangzhou enthielt einen Bezug zum Auftrag, den Vermerk „3. Munchner Rueck /IEC Certification“, ansonsten keinen Verweis auf Geschäftsbedingungen oder Garantieeinschränkungen. Im heutigen Prospekt von Astronergy, den es damals noch nicht gab, steht aber: „Liegt die Leistung von Modulen … unterhalb des von Astronergy genannten Wertes, deckt die Munich Re gegenüber Astronergy die entstehenden Kosten für Austausch, Reparatur oder finanzielle Kompensation.“ Das ist, wenn man sich nicht von den schönen Worten ablenken lässt, klar. Ansprüche hat der Käufer gegenüber der Münchener Rück nicht.

Der Vorgang aus Sicht von Astronergy

Jaime Arau hatte direkt in China gekauft, auch der Vertriebsmitarbeiter war bei dem chinesischen Unternehmen und nicht bei einer deutschen Niederlassung angestellt. In einer Mail im Juli 2014 teilt Astronergy China Jaime Arau mit: „Wir geben Garantie und Follow-up-Service entsprechend dem Vertrag, der von beiden Seiten unterzeichnet wurde.“ Einen zusätzlichen Vertrag hat es laut Arau aber nie gegeben, nur die Bestellung, die Bestätigung und die Proformarechnung, sonst nichts.

Thomas Volz, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung der Astronergy GmbH in Ravensburg, sieht sich nicht als Verhandlungspartner, sondern als Mittler zwischen dem deutschen Käufer und dem chinesischen Verkäufer. Er bestätigt den Vorgang, wie ihn Jaime Arau beschrieben hat, mit einem entscheidenden Unterschied. Arau habe die „eingeschränkten Garantiebedingungen“ damals erhalten. In diesen steht ausdrücklich, dass der Hersteller im Garantiefall mit Zusatzmodulen entschädigt werden kann. Allerdings ist auch klar, dass niemand heute rekonstruieren kann, was der Vertriebsmitarbeiter, der nicht mehr für Astronergy arbeitet, damals gesagt hat.

Volz sagt, dass die Garantieabwicklung von Astronergy doch sehr kundenfreundlich sei. So habe das Unternehmen den Nachmessungen im Prüflabor zugestimmt und bezahlt (nachdem sich daraus die Minderleistung ergeben hat), obwohl es nur Abrechnungen vom Netzbetreiber gegeben habe. Astronergy habe auch nicht diskutiert, was die Ursache für die Minderleistung sei, ob sie etwa in der Verschaltung liege. Astronergy habe auch Kompromisse angeboten, zum Beispiel die fehlende Modulleistung mit leistungsstärkeren polykristallinen statt mit Dünnschichtmodulen zu ersetzen. Das regt Arau regelrecht auf. „Das ist nicht kulant, das ist ein Witz“, sagt er. Die Modulstrings seien ordnungsgemäß am Minuspol geerdet gewesen. „Ich kann die zusätzlichen Module einfach nicht montieren.“

Wie es bei Streits nun einmal ist, auch Jaime Arau empfindet sich als sehr kompromissbereit. Er hat vorgeschlagen, selbst die Kosten für die Montage und ein neues Montagesystem zu übernehmen und auf den Ersatz der bisherigen Ertragsausfälle zu verzichten, wenn Astronergy im Gegenzug die Dünnschichtmodule gegen polykristalline Module mit der gleichen Gesamtleistung ersetzt. Nach seiner Interpretation und nach den in Deutschland heute bei vielen Modulherstellern geltenden Garantiebedingungen müsste der Modulhersteller ja sowieso für den gesamten Schaden aufkommen.

Verbandsklage der Verbraucherzentrale

Der Fall wirft etliche Fragen auf. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte vor drei Jahren eine Verbandsklage gegen die Garantiebedingungen von fünf großen Modulherstellern angedroht, die eine ähnliche Klausel enthalten wie die, auf die Astronergy nun Bezug nimmt. Die fünf Modulhersteller, darunter Solarworld, Trina und Yingli, haben damals diese Klauseln aus ihren Garantiebedingungen entfernt und Unterlassungserklärungen abgegeben, dass diese Klauseln auch bei älteren Verträgen nicht mehr angewendet werden.

Interessanterweise enthalten auch die deutschsprachigen Garantiebedingungen von Astronergy für in Deutschland gefertigte Module diese Klausel nicht mehr, sondern nur noch die englischsprachigen. Da muss man als Kunde also sehr genau aufpassen.

„Allerdings bezog sich die damalige Klageandrohung auf Module, die privaten Endkunden verkauft werden“, sagt Rechtsanwalt Holger Schneidewindt, der das Thema bei der Verbraucherzentrale bearbeitet. Bei Geschäftskunden urteilen Gerichte unter Umständen anders. Das liegt daran, dass in Deutschland der Schutz des privaten Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat. Wenn in Garantiebedingungen mehrere Möglichkeiten erwähnt werden, wie ein Schaden reguliert werden kann, darf im Schadensfall nicht einfach der Garantiegeber entscheiden, welche Option er wählt. „Da muss er auch die Interessen des Verbrauchers berücksichtigen“, erklärt Schneidewindt.

Wenn ein Verbraucher mit zusätzlichen Modulen nichts anfangen kann, ist das keine Option für ihn. Solche Geschäftsbedingungen, die es einseitig dem Garantiegeber überlassen, welche Garantieleistung er erbringt, ohne nachvollziehbare Interessen des Garantienehmers zu berücksichtigen, sind laut Schneidewindt unzulässig. Dann würden die Geschäftsbedingungen einfach nicht gelten. Der Hersteller muss aufgrund der Garantie grundsätzlich die Kosten für den Transport, Einbau und die Testmessungen an den alten Modulen übernehmen.

Arau hat damals rund 100 Kilowatt offiziell an eine Privatperson verkauft, allerdings ist die Anlage auf einem Gewerbebetrieb errichtet. Da ist es auf den ersten Blick nicht eindeutig, ob er Geschäftskunde oder privater Endkunde ist. „Das ist ein grundsätzliches Problem“, sagt Schneidewindt. Die Antwort kann davon abhängen, wie viel Aufwand er mit der Abwicklung hat. Nicht entscheidend ist, dass man steuerrechtlich Kleinunternehmer ist, was auf viele Betreiber von kleinen Anlagen zutrifft. Auf die zivilrechtliche Einordnung als Verbraucher hat die steuerrechtliche Beurteilung keinen Einfluss.

Außerdem ist die Garantie von Modulherstellern, die über die zweijährige gesetzliche Gewährleistung hinausgeht, in der Regel eine Herstellergarantie direkt gegenüber dem privaten Endkunden. In diesem Fall sind die Verhandlungspartner Modulhersteller und Anlagenbetreiber. Der Installateur haftet dann nicht selbst. Dafür ist es aber wichtig, dass der Installationsbetrieb allen Anschein vermeidet, dass er selbst eine zusätzliche Garantie gibt. Darum muss er auch im Angebot vermerken, dass die Modulgarantie eine Garantie des Herstellers ist, die direkt mit diesem abgewickelt werden muss.

Garantien gegenüber Endkunden gelten im Übrigen immer uneingeschränkt, wenn sie nicht durch Klauseln in den Geschäftsbedingungen eingeschränkt werden, auf die in der Rechnung, dem Angebot oder in einem zusätzlichen Vertrag Bezug genommen wird. Allerdings können auch mündliche Abmachungen gelten, erklärt Holger Schneidewindt. Im Fall von Jaime Arau könnte also am Ende Aussage gegen Aussage stehen, ob Astronergy ihm das Dokument mit der Garantieeinschränkung vorgelegt hat oder nicht. Dabei zeigt sich eine weitere Schwierigkeit. Wer wie Arau Module aus China importiert, gilt in der EU als Inverkehrbringer, wodurch zunächst er selbst für die gesetzlichen Garantieansprüche haftet.

Und die Münchener Rück, auf die sich Jaime Arau verlassen hat? Diese Absicherung verringert die Gefahr, dass der Modulhersteller durch einen Serienschaden insolvent geht. Nicht mehr und nicht weniger. Sie bedeutet nicht, dass die Abwicklung eines Garantiefalls durch die Versicherung geschieht oder überwacht wird. Letztere tritt auch nicht als Vertragspartner auf, sondern der Modulhersteller. Wer die Kundenbroschüre von Astronergy zur Rückversicherung genau liest, dem erschließt sich das auch.

Auf genaue Regelungen achten

Was ist also die Lehre aus dem Fall? Als Installationsbetrieb sollte man auf sehr genau spezifiezierte Garantiebedingungen bestehen und man sollte sich nicht von Broschüren, in denen die Garantie angepriesen wird, davon ablenken lassen. Gegenüber seinen Kunden muss man darauf achten, nicht mehr Verpflichtungen einzugehen, als man erfüllen kann.

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