Gleich aufs Ganze gehen

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Wie die Umfrage unter den Installateuren ab Seite 22 gezeigt hat, sind Einfamilienhäuser das wichtigste Spielfeld für die ganzheitliche Haustechnik. Hausbesitzer investieren noch immer in neue Photovoltaikanlagen und versuchen mit Speichern, Energiemanagern und Verbrauchersteuerung einen hohen Autarkiegrad zu erreichen. Doch es sind, so die übereinstimmende Meinung, weniger die jungen Bauherren, sondern überwiegend die Besitzer von Bestandsbauten, die ihre Häuser nachrüsten. Dabei wäre es viel preisgünstiger, schon beim Bauen die Ausrichtung und Dachneigung zu optimieren, Steuersysteme vorzusehen, Anschlüsse zu legen, gleich eine Wärmepumpe zu integrieren und damit womöglich auf einen Gasanschluss zu verzichten.

Doch selbst auf ausgewiesenen „Solargrundstücken“ wird überwiegend herkömmlich gebaut. So hat beispielsweise Timo Leukefeld, Honorarprofessor für Solarthermie an der Berufsakademie Sachsen und daher in der Branche sehr bekannt, die Stadt Freiberg dabei unterstützt, ihre Baugrundstücke um den Franz-Mehring-Platz auf die Sonnenenergiegewinnung hin zuzuschneiden. Die Stadt schreibt im Bebauungsplan: „Die gewählten Festsetzungen sollen eine moderne Architektursprache der Gebäude ermöglichen und berücksichtigen eine optimale Nutzung der Solarenergie und weiterer alternativer Energiekonzepte.“ Doch das allein sei bislang nicht erfolgreich gewesen, bedauert Leukefeld. Nur eine Handvoll Solaranlagen seien bisher in der Siedlung zu sehen, in der Leukefeld und ein Partner selbst zwei Modellhäuser gebaut haben.

Viele Gründe für den Verzicht auf Photovoltaik

Die Gründe für Bauherren, auf ein erneuerbares Konzept vorerst zu verzichten, sind vielschichtig. Solarteure berichten beispielsweise von engen finanziellen Grenzen. Eine ambitionierte Energieversorgung oder Gebäudeautomatisierung erhöht zunächst den Kreditbedarf, während sich die Einsparungen erst langfristig einstellen. Dazu kommen psychologische Faktoren. Der Wunsch nach Autarkie, der Hausbesitzer antreibt, wird beim Häuslebauer schon durch die Bauentscheidung erfüllt. Er wird autark gegenüber dem Vermieter. Er spart die Miete ein, in der der Anteil für die Heizung oft als einer von vielen enthalten ist. Die Sensibilität für seine Energiekosten steigt erst allmählich. Und so kommt es, dass die Wahl des Haustyps oder des Bauträgers nach vielen verschiedenen Kriterien getroffen wird, unter denen die Energiekosten eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Psychologie lehrt: Entscheidungen zu treffen ermüdet. Und ein Häuslebauer muss unwahrscheinlich viele Entscheidungen treffen. Deshalb sind auch Fertighäuser beliebt und Reihenhäuser, die vom Entwickler bereits weitgehend fertig gebaut verkauft werden. Katja Kargert von NCC Deutschland – nach Unternehmensangaben Deutschlands aktivster Projektentwickler, darunter auch vieler Reihenhausprojekte – erklärt, dass der Energiestandard und die Ausstattung der Häuser zwar variieren und stark von der Region abhängen. Grundsätzlich sei die Aus- und Nachrüstung von Photovoltaikanlagen auf ihren Ein- und Mehrfamilienhäusern aber mit geringem Aufwand möglich. Dies werde bisher jedoch kaum nachgefragt. Die Erfahrungen zur Kundennachfrage sind jedoch unterschiedlich. Die Interhomes AG, ebenfalls ein Projektentwickler, berichtet, dass, wenn in Ausnahmefällen Passivhäuser gebaut werden, mit abgestimmter Energieversorgung, Wärmerückgewinnung und Solartechnik auf dem Dach, der Absatz gut sei. Die Häuser würden gerne genommen.

Nachrüstung möglich

Das kann auch Klaus-Dieter Schwendemann von Weberhaus bestätigen. Der Fertighaushersteller, der womöglich einen gehobeneren und umweltbewussteren Kundenkreis hat, führt schon seit 2006 Plusenergiehäuser im Programm, die gut nachgefragt würden. Er legt viel Wert auf eine ökologische Gebäudehülle und wurde bereits mehrmals für umweltfreundliche Konzepte ausgezeichnet. Auch die anderen Weberhaus-Modelle seien aufgrund der guten Dämmung nach KfW55-Standard „plusenergiefähig“, sagt Schwendemann. Das bedeutet: Wenn der Bauherr sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach baut, dann erzeugt er mehr Energie, als er verbraucht. Etwa 200 der 750 Bauherren plusenergiefähiger Häuser, die Weberhaus im Jahr baut, nehmen diese Stufe bereits im ersten Anlauf. „Wir planen die Anlage beim Hauskauf mit, allerdings wissen wir noch nicht, welche Förderbedingungen bei Fertigstellung gelten. Deshalb wird die Komponente oft nachgerüstet und wir erfahren das nicht immer“, sagt Schwendemann.

Das Plusenergiehaus punktet laut Schwendemann jedoch nicht nur durch die über das Jahr gerechnete positive Energiebilanz. Die Eigenstromnutzung sei den Kunden heute wichtiger als das Plus. Dadurch rücke die Haussteuerung und Energiespeicherung stärker in den Mittelpunkt. 80 Prozent der Häuser nutzten bereits die ein oder andere Foto: WeberhausxAnzeigeArchitektur HeizenForm der Wärmepumpe. Nur noch in acht Prozent der Häuser wurde eine Gasheizung und im letzten Jahr eine einzige Ölheizung eingebaut. „Die steuerfähigen Wärmepumpen von Tecalor oder die Frischluftwärmetechnik von Zimmermann laufen, wenn Strom da ist, und erzeugen einen Solarpuffer.“ Den Einsatz plant der SMA Homemanager mit seinen Wetterdaten und steuert über das Funkbus-System nicht nur Verbraucher, sondern auch die Rollläden, um das Haus im Sommer kühl zu halten und im Winter zusätzlich mit der Scheibe zu heizen. Selbst ohne Batterie könne die Haussteuerung somit eine Autarkie von 60 bis 70 Prozent erwirken, sagt Schwendemann.

Weberhaus verwendet für das ältere Musterhaus in Rheinau-Linx Solarthermie und Photovoltaik. Das neuere Haus in Wuppertal ist ein Nur-Strom-Haus. „Die Photovoltaik ist heute so günstig, da kann man sogar diskutieren, ob man den Strom mit dem Heizstab verheizt.“

Mehr Autarkie mit Thermie?

Einer, dem die Kombination aus Solarthermie und Photovoltaik viel besser gefällt als ein Nur-Strom-Haus, ist Timo Leukefeld. Als unermüdlicher Anwalt für die Solarthermie hat er mit dem Hausbauer Helma ein Eigenheim entwickelt, das den Anspruch hat, energieautark zu sein. Damit meint er, dass die Bewohner unabhängig sind von großen Versorgern von Strom und Gas. Dafür wolle er aber nicht auf Komfort verzichten, im Gegenteil. Erst wenn man ohne Einschränkungen autark sein könne, sei das Haus erfolgreich zu vermarkten, sagt er. Als Argument für zwei unterschiedliche solare Systeme führt er an, dass die Sonne Wärme in der Thermieanlage meist effizienter und direkter erzeuge als über den Umweg Strom. Auf die Fläche bezogen produziert eine Solarthermieanlage etwa dreimal so viel Energie wie die Photovoltaik. Dieser Vergleich gilt so allerdings nur, wenn man keine Wärmepumpe nutzt. Nutzt man die Photovoltaik in Kombination mit einer Wärmepumpe, steigt deren Flächeneffizienz entsprechend der Leistungszahl der Wärmepumpe an (siehe FAQs Wärmepumpe Seite 76).

Leukefeld ist jedoch ein vehementer Kritiker der Wärmepumpen. Sie führten nicht zu echter Unabhängigkeit und erhöhten den Energieverbrauch gerade im sonnenarmen Winter. Außerdem würden sie die Komplexität so weit steigern, dass sie für Bauherren und ihre Installateure nur noch schwer beherrschbar sei. Sein Ansatz ist deshalb, den Stromverbrauch mit Hilfe der Solarthermie so weit wie möglich zu senken. Auch Waschmaschine und Geschirrspüler seien Wärmeanwendungen, nicht nur die Heizung, und deshalb sind sie direkt ans Warmwasser angeschlossen.

Die Photovoltaik erzeugt bei Leukefeld nur den Strom für die Stromverbraucher und das Elektroauto. Jedoch könne er sich auch Konzepte vorstellen, bei denen die Photovoltaik Überschüsse in den Langzeitwärmespeicher einspeist. Bei ihm werden beide Arten der Energie noch strikt getrennt gespeichert – in einem hohen, durchs ganze Haus gehenden Warmwasserspeicher und einem Blei-Gel-Batteriespeicher mit hoher Kapazität. Sie treffen sich erst wieder im Verbraucher, wenn die Waschmaschine mit Warmwasser und Strom versorgt werden möchte. Das vereinfache die Haussteuerung enorm, so Leukefeld. Für eine autarke Versorgung mit Wärme benötigt er im Winter noch eine Zusatzheizung, die mit Stückholz befeuert wird. Der solare Deckungsgrad der Heizung liegt bei rund 65 Prozent. Sonnenarmen Zeiten sieht er aufgrund seines geringen Strombedarfs optimistisch entgegen, wobei das Konzept jedoch nur durchschnittliche Winter abdecke. Der Beweis für eine wirklich autarke Energieversorgung eines bewohnten Helmahauses steht noch aus. Sollte der Versuch jedoch erfolgreich sein, werden sich gewiss interessierte Nachahmer finden.

Gemeinsam ist Autarkie günstiger

Doch trotz der interessanten Angebote, energieautark oder mit Plusenergie zu bauen, die Tatsache bleibt, dass die überwiegende Zahl an Bauherren noch herkömmlich baut. Die Lösung könnten Solarquartiere sein, Wohnsiedlungen, in denen zum einen fertig konfigurierte Häuser zum Kauf oder zur Miete angeboten werden und die außerdem im Verbund eine gemeinsame Energieversorgung haben. Dadurch reduziert sich die Fülle an Entscheidungen, die die Käufer treffen müssen. Außerdem können so die Kosten für den Einzelnen im größeren Maßstab sinken.

Interessierte sollten dazu die Entwicklung von zwei aktuellen Projekten verfolgen. Das ist zum einen die Solarsiedlung mit Plusenergiehäusern Grenzacher Horn, die derzeit unter der Federführung des Solararchitekten Rolf Disch gebaut wird. Hier ist ein quartierübergreifendes Strom- und Nahwärmekonzept geplant.

Bereits bezugsfertig sind die Solarhäuser in Weinsberg, wo Kaco New Energy ein Energiekonzept für die Siedlung entworfen hat. Interessant ist hier, dass nicht jedes der KfW40-Häuser eine eigene Wärmepumpe besitzt, sondern eine zentrale Wärmepumpe ein zentrales Wasserreservoir aufheizt, wodurch die Kosten für die Heiztechnik in den einzelnen Gebäuden deutlich sinken. Mit Hilfe eines stromgeführten Blockheizkraftwerkes soll die Stromautarkie der Siedlung bei 97 Prozent liegen. Der Jahreswärmebedarf werde zu 40 Prozent solar gedeckt, berichtet Projektmanager Norbert Taphorn. Die restliche Wärme erzeugt zum größten Teil ein Gasbrennwertkessel. Um die hohen Überschüsse an Solarstrom von etwa 50 Prozent netzfreundlich einzuspeisen, können kleinere Wasserspeicher in den einzelnen Häusern mit einem Heizstab aufgeladen werden.

Wenn in einem Jahr die ersten echten Messwerte vorliegen, wird sich zeigen, ob die in der Simulation errechnete Autarkie möglich ist und ob sich der Bezug an Primärenergie in Form von Gas noch weiter senken lässt. Eines zeigt das Projekt schon heute: Auch hier war die Nachfrage wieder enorm groß und die Häuser und Wohnungen waren ruck, zuck vergeben.

Anforderungen an den Energieverbrauch

Anhand des Jahresprimärenergiebedarfes und des Transmissionswärmeverlustes definiert die Energieeinsparverordnung (EnEV) Höchstwerte, die ein vergleichbarer Neubau einhalten muss. Aus dem Vergleich erfolgt die Zuordnung in einen der Förderstandards der KfW-Bank. Ein KfW-Effizienzhaus 100 entspricht den Vorgaben der EnEV für den Neubau. Ein KfW-Effizienzhaus 70 hat einen Jahresprimärenergiebedarf von nur 70 Prozent eines vergleichbaren Neubaus nach EnEV 2009, ein KfW-Effizienzhaus 55 sogar nur 55 Prozent. Ein Passivhaus ist ein Gebäude, das dank seiner stark gedämmten Bauweise keine Heizung mehr benötigt. Dennoch hat es einen geringen Energiebedarf für die Wärmerückgewinnung und die Lüftungsanlage. Der Begriff ist nicht geschützt. Quelle: KfW-Bank

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