Plädoyer für eine steuerliche Finanzierung der EEG-Vergütungslast

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I. Der gegebene Sachverhalt verschärfter neoliberaler Laissez-faire-Angebotspolitik

Der neue Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel formulierte sein wirtschafts- und energiepolitisches Credo in einem Eintrag auf seinerFacebook-Seite vom 13.3.2014 wie folgt:

Deutschland und Europa stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Strompreise in Deutschland sind doppelt so hoch wie in den USA. Wenn wir nicht mindestens unsere Industrie entlasten, droht uns eine Deindustriealisierung. Das ist keine plumpe Propaganda der Wirtschaft, sondern bittere Realität. Eigentlich müssen wir in Europa darüber nachdenken, wie wir die staatlich induzierten Belastungen reduzieren. Ich weiß, wie schwer das ist. Aber was vor einigen Jahren zu hohe Lohn- und Sozialkosten waren, sind heute die wachsenden Energie- und Rohstoffkosten. Sie bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrien. Und wenn wir diese Basis für unsere Volkswirtschaft nicht erhalten, werden wir weder erneuerbare Energien noch die sozialen und kulturellen Standards in unserem Land erhalten können.

In diesem Wettbewerbs-Regierungsprogramm des Wirtschafts- und Energieministers soll im energiepolitischen Bereich „der kleine Mann“ die Zeche für den offensichtlich für die transatlantische Freihandelszone anvisierten deutschen Exportüberschuss bezahlen (wie bei der im Jahr 2003 von Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündeten „Agenda 2010“; Schröder war damals auch gleichzeitig SPD-Vorsitzender). Die vom deutschen Exportüberschuss-Wahn ausgelöste und fortdauernde Eurozonen-Wirtschaftskrise will oder kann Gabriel nicht verstehen. Ebenso wenig will Gabriel außenwirtschaftspolitisch voraus denkend zur Kenntnis nehmen, dass die USA mit eigener Währungszone, eine solche Arbeitsplatzvernichtungspolitik für ihr Land auf Sicht nicht zulassen und mit angemessener Dollarabwertung reagieren werden.

Der gegebene Sachverhalt der von Gabriel offen angekündigten, verschärften Fortführung der „Agenda 2010“-Wettbewerbspolitik erfordert für seine Energiepolitik-Agenda die Beseitigung aller Strompreis erhöhenden Kostenelemente, insbesondere der EEG-Umlage auf den Strompreis. Diesem Begehren Gabriels kann sehr leicht durch Abkehr von der bisherigen Praxis der EEG-Vergütungslast-Finanzierung über den Strompreis und den Übergang auf steuerliche Finanzierung entsprochen werden. Aufgrund der Wahlversprechen (Einführung der Finanztransaktionssteuer, Wiedereinführung der Vermögensteuer sowie Erhöhung von Erbschaftssteuer, Einkommensteuerspitzensatz und Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge) zur Bundestagswahl 2013 müsste sich für eine solche, an sozialdemokratischen Gerechtigkeits-Grundwerten orientierte Finanzierungs-Neuregelung auch leicht eine gesetzgeberische Mehrheit in Bundestag (SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke) und Bundesrat finden lassen.

Bei Einführung des EEG im Jahr 2000 waren die Folgen der Privatisierung bzw. der vom damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller geförderten und durch Ministerentscheid forcierten Quasi-Monopolisierung der Energiewirtschaft – mit am Ende vier dominierenden Großkonzernen (Eon, RWE, EnBW und Vattenfall) – für Deutschland nicht absehbar. Politik und Öffentlichkeit wollten nicht zur Kenntnis nehmen, dass Strompreise der Energiekonzerne keine Kostenpreise sind (wie das bei auf Kostenbasis arbeitenden öffentlich-rechtlichen Energie-Unternehmen der Fall war), sondern, der Preisgestaltungslogik privater Monopole folgend, nach Konzern-Gewinnmaximierungs-Strategien möglichst hoch angesetzt werden. Monopolistisches Preisverhalten sucht auf der einen Seite jeden Rechtfertigungs-Strohhalm zur Produktpreis-Erhöhung und Energie-Konzerne können auf der anderen Seite nicht zur Weitergabe von Produktivitätsgewinnen in dann sinkende Preise gezwungen werden (was die im dreistelligen Milliarden-Bereich liegende Gewinnexplosion der vier großen Energiekonzerne im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts sehr deutlich zeigte).

Im Zusammenhang mit der absehbaren weltweiten Verknappung fossil-nuklearer Energieträger werden daher die Strompreise der traditionell fossil-nuklear wirtschaftenden Energiekonzerne auf Sicht nicht nur nicht sinken, sondern umso mehr steigen, je weniger die Stromproduktion auf erneuerbare Energien und damit auf kostengünstigere Anbietervielfalt umgestellt wird.

Als schwarzer Peter für künftige Konzern-Strompreiserhöhungen wird immer die EEG-Strompreisumlage herhalten müssen! Mit dem unten skizzierten Vorschlag der Umstellung der Strompreis-Vergütungslast-Finanzierung auf steuerliche Finanzierung bekommt der Bundeswirtschaftsminister jedoch umgehend die von ihm gewünschte Herausnahme der kalkulatorischen EEG-Umlage aus dem Strompreis. Wenn dann, was zu erwarten ist, die Strompreise dennoch nicht sinken werden, weil sich die Konzernstrategen Preisbeibehaltungs- oder neue, medienwirksame Preiserhöhungs-Argumente ausdenken, kann Herr Gabriel versuchen, die von ihm erwarteten Strompreissenkungen seines Konzern-Klientels vor Gericht einzuklagen.

Mit der unten vorgeschlagenen Finanzierungsumstellung der EEG-Vergütungslast auf eine steuerliche Strukturwandel-Fonds-Subventionsfinanzierung als staatliche Gemeinschaftsaufgabe entfällt sowohl erstens die Grundlage des Gabriel-Papiers zur Solarstrom-Eigenverbrauch-Belastung und es entfallen zweitens alle Deckelungsgründe beim Ausbau von EE-Anlagen als strukturpolitisch unangemessene, kurzatmige Vergütungslastreduktion.

Ein Nebeneffekt wäre drittens das Ende des Kapazitäts- und Beschäftigungsabbaus in der technologisch hoch entwickelten deutschen Erneuerbaren-Energien-Industrie (als unbestrittene Zukunftsindustrie weltweit). Mit der mutmaßlich absehbaren Folge des verstärkten Ausbaus erneuerbarer Energien in Deutschland (über die Verstärkung der Skalenerträge der EE-Unternehmen – billigere Anlagen – größere Nachfrage) werden viertens, aufgrund den bei der Stromerzeugung aus erneuerbare Energien-Anlagen nicht existierenden fossil-nuklearen Brennstoff-Beschaffungs- und Verknappungsproblemen, in Deutschland die Strompreise tatsächlich auch mittel- und langfristig stabilisiert werden können.

II. Skizzierung einer möglichen Umstellung der Finanzierung der EEG-Vergütungslast auf steuerliche Fonds-Finanzierung

  1. Der grundlegende Strukturwandel der deutschen Energiewirtschaft hin zu erneuerbaren Energien wird aufgrund seiner friedens-, umwelt- und klimapolitischen Zielsetzungen und Folgewirkungen als staatlich-politische Gemeinschaftsaufgabe angesehen und gesetzlich festgeschrieben.
  2. Die mit dem EEG seit dem Jahr 2000 einhergehende bzw. entstandene Strukturwandel-EEG-Vergütungslast der Netzbetreiber wird ab sofort (in Anlehnung an den Vorschlag der bayerischen Ministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie Ilse Aigner, CSU) aus einem neu zu schaffenden staatlichen Vergütungslast-Fonds finanziert.
  3. Die EEG-Vergütungslast der Netzbetreiber als Differenz zwischen deren Strom-Plan-Einkaufspreisen aus erneuerbaren Energien-Anlagen und ihren Plan-Strommarkt-Erlösen (aus entsprechenden Strommengen) wird – wie bei fossil-nuklearen Energieträgern seit nun ca. 80 Jahren – nicht mehr über den Strompreis, sondern steuerlich als staatliche Subvention finanziert.
  4. Die jährliche staatliche Plan-Finanzierungsvorlage aufgrund der Planzahlen der Netzbetreiber wird nach Ablauf einer Rechnungsperiode über die tatsächlichen Vergütungslast-Istzahlen abgerechnet und ausgeglichen.
  5. Um dem im Grundgesetz verankerten Gebot gerecht zu werden, dass Steuern zur Finanzierung von Aufgaben der Allgemeinheit möglichst gemäß der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erheben sind, sollte der neu zu schaffende EEG-Vergütungslast-Fonds aus einer Kombination a) der Erhöhung des Einkommensteuer-Spitzensatzes, der Erhöhung der Körperschaftsteuer, der Abgeltungssteuer für Kapitalerträge und der Erbschaftssteuer auf sehr hohe Vermögen, sowie b) einer neu einzuführenden bzw. wieder einzuführenden Finanztransaktionssteuer und Vermögensabgabe auf sehr hohe Vermögen finanziert werden. Die Größenordnung des EEG-Vergütungslast-Fonds wäre übrigens bezogen auf das gesamte jährliche Steueraufkommen von Bund und Ländern durchaus überschaubar: Im Jahr 2013 betrug die Summe aller Auszahlungen an Anlagenbetreiber mit EEG-Vergütung 18,85 Milliarden Euro.
  6. Weitere Finanzierungsmischformen sind denkbar. Jedenfalls sollte die Befriedigung wirtschaftlich-kultureller Grundbedürfnisse, wie der ausreichende Zugang zu Energie (also auch zu elektrischer Energie), keine unerträgliche Last für prekäre Einkommenshaushalte darstellen. Gleichzeitig sollte diesen auch durch kostenlose Beratungsangebote geholfen werden, ihren Energieverbrauch durch die Erschließung möglicher Energieeffizienz-Verbesserungspotenziale minimieren zu können.

Die Autoren sind Diplom-Volkswirt Gerhard Kilper und Diplom-Ingenieur Thilo Kilper, der Themenfeldleiter "Photovoltaische Systeme" bei Next Energy in Oldenburg ist.

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