Warum ein Kostenschnitt beim EEG erforderlich ist

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Die Energiewende ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Nicht zuletzt industriepolitisch ergeben sich bei einem auch international anerkannten Erfolg der Energiewende und der damit aufgezeigten Möglichkeit einer Auflösung der Wachstumsbremse, die durch die bisherige fossile Energieerzeugung bedingt ist, herausragende Möglichkeiten der Technologieentwicklung und der internationalen Marktführerschaft in diesem Sektor.

Dieses Potenzial kann aber nicht durch eine Fortsetzung der bisherigen Energiepolitik gehoben werden. Gesucht werden sowohl ein neues Planungs- wie ein adäquates Wettbewerbsmodell. In der räumlichen Planung kennt man das Gegenstromprinzip, nach dem kommunale, regionale und staatliche Planungen aufeinander abgestimmt werden, beispielsweise der Bau einer Autobahn mit den Belangen des Landschaftsschutzes und den jeweiligen kommunalen Prioritäten. Die zahlreichen Planungsgesetze wurden übrigens in den 1960er Jahren von der damaligen Großen Koalition verabschiedet.

Ein Prinzip, das Markt und öffentliche Steuerung besonders gut vereinbart, ist das Konzept des Wettbewerbs um den Markt. Es kommt zum Beispiel seit fast 20 Jahren bei der Bestellung des regionalen Schienenverkehrs erfolgreich zur Anwendung. Nach dem Prinzip regionaler Ausschreibungen können sowohl die erneuerbaren Energien als auch die als Reserve notwendigen Gaskraftwerke beschafft werden. Dies setzt voraus, dass die Länder hierfür neue Organisationen vergleichbar den Verkehrsverbünden beim Schienenverkehr einrichten. Dies könnten regionale Netzverantwortliche sein.

Ein solcher Neustart setzt aber vor allem ein Wiedergewinnen der Kostenkontrolle mithilfe einer neuen Altkostenstrategie durch Tilgung der aufgelaufenen Kosten für die Technologieentwicklung auch mithilfe öffentlicher Mittel voraus. Nur dadurch können die bestehenden Verteilungskonflikte um die Kosten der Energiewende beseitigt oder minimiert werden. Die Entwicklung und Markteinführung der Technologien für die Energiewende wurde durch erhebliche Investitionen bewerkstelligt, die in der Folge zu einem großen Teil über die EEG-Umlage auf die Verbraucher umgelegt wurden. Diese Art der Finanzierung ist in diesem Umfang bei keiner anderen Technologieentwicklung und Markteinführung vorgenommen worden und belastet die Verbraucher in einzigartiger Weise.

Die bestehenden, kumulierten Umlagekosten sind ihrem Charakter bisher falsch zugeordnet worden. Sie werden als Marktkosten dem Verbraucher angelastet. Tatsächlich sind sie aber volkswirtschaftlich eher Kosten für Technologieentwicklung, Infrastruktur und Technologieeinführung, die üblicherweise vom Staat getragen werden. Im Falle der EEG-Kosten müssen diese Kosten daher anders definiert werden. Ihre Finanzierung soll über einen längeren Zeitraum gestreckt und anders als bisher erfolgen. Der Nutzen von Investitionen in Innovationen und Zukunftstechnologien, der über die Vergütungslaufzeit hinaus besteht, sollte der gesamten Gesellschaft zugänglich gemacht und nicht privatisiert werden.

Hätte man die Atomenergie auf die gleiche Art wie die Solarenergie finanziert, dann wäre die erzeugte Kilowattstunde Strom aus der Atomkraft ebenfalls erheblich teurer gewesen, als es der Fall war. Die Herausnahme der aufgelaufenen Umlagekosten aus dem Strompreis würde nicht nur einen Gleichstand mit der Finanzierung der Investitionen anderer Energieerzeugungssysteme darstellen und damit eine Gleichbehandlung vornehmen, sondern auch die weitere Finanzierung der Energiewende zu vergleichbaren Preisen sicherstellen – vornehmlich den Ausbau der erneuerbaren Energien und der nötigen Infrastruktur.

Zur Entschärfung der Verteilungskonflikte um die Kosten der Energiewende kann die der EEG-Umlage zugrunde liegende Wälzungssumme, etwa durch Herausnahme der Solarförderung für die bis Ende 2012 angeschlossenen Photovoltaikanlagen, entlastet werden. Es bietet sich die Einrichtung eines Fonds an, vergleichbar dem Altschuldenhilfegesetz (AHG), der unter anderem zur Stabilisierung des Mietwohnungsangebots in Ostdeutschland nach 1990 aufgelegt wurde. Ein solcher Fonds könnte langfristig durch Steuermittel getilgt werden, die beispielsweise durch die Einführung gesonderter Abgaben wie eine Infrastrukturabgabe auf abgeschriebene Erneuerbare-Energien-Anlagen zu refinanzieren wären.

Wenn heute ein solcher Fonds nur die Photovoltaikkosten von derzeit circa 8,9 Milliarden Euro pro Jahr aus dem EEG übernehmen würde, beliefe sich das Gesamtvolumen des Fonds auf ungefähr 150 Milliarden Euro bis zum Ende der Förderdauer im Jahre 2031. Angenommen, die Altlasten würden durch eine Abgabe auf Solaranlagen, deren EEG-Förderung ausgelaufen ist, in Höhe von durchschnittlich fünf Cent je Kilowattstunde refinanziert, die über einen etwa gleich langen Zeitraum erhoben wird, würde es mindestens 60 Jahre dauern, bis der Fonds getilgt wäre. Daher müssten entweder andere Anlagen, zum Beispiel überhöhte Pachten durch überförderte Windkraftanlagen im Norden, einbezogen werden, etwa über eine „energiebedingte Bodenwertzuwachssteuer“. Alternativ könnten auch zusätzliche öffentliche Mittel bereitgestellt werden, zum Beispiel ein Großteil des bisherigen Energiesteueraufkommens.

Fazit

Um einen echten Kostenschnitt zu erreichen, sollte ein Fonds eingerichtet werden, mithilfe dessen Förderkosten aus der Strompreisbildung herausgenommen werden. Allein die Herausnahme der bis Ende 2012 installierten Solaranlagen würde die EEG-Umlage um etwa 2,5 Cent je Kilowattstunde senken und damit annähernd halbieren. Ein solcher Energiewendefonds soll sich an bestehenden Lösungen zur Finanzierung von Altlasten orientieren. Der Fonds soll langfristig aus Steuermitteln getilgt werden. Diese Gelder könnten durch die Einführung gesonderter Abgaben, beispielsweise eine Infrastrukturabgabe auf abgeschriebene Erneuerbare-Energien-Anlagen, refinanziert werden, womit das sogenannte Goldene Ende teilweise abgeschnitten würde. Damit können die bestehenden Verteilungskonflikte um die Kosten der Energiewende beseitigt oder zumindest stark minimiert werden.

Der AutorHolger Krawinkel leitet seit 2004 den Energie- und Umweltbereich beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin. Bereits zuvor war der promovierte Politologe und Diplomingenieur bei wissenschaftlichen und politischen Institutionen im Energiebereich aktiv.

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