Falscher Streit

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Dass manche Photovoltaiker gerne Solarstrom zum Heizen verwenden und das als Geschäftsmodell verkaufen, gefällt etlichen Solarthermikern überhaupt nicht. Dabei liegt es nahe, über einen Heizstab den Speicher elektrisch zu erwärmen. Oder mithilfe einer Wärmepumpe. Mit dieser können aus einer Wattstunde Solarstrom sogar zweieinhalb bis vier Wattstunden Wärme gemacht werden, je nach der Temperatur des Mediums, dem die Wärme entnommen wird.
Hans-Martin Henning hat letztes Jahr das Modell „Strom und Wärme nur aus erneuerbaren Energien“ entwickelt und mit ihm berechnet, wie die Energieversorgung in Deutschland im Jahr 2050 aussehen könnte (siehe Ausgabe 12/2012, Seite 16). Er hat am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE den Bereich Gebäudetechnik unter sich und befasst sich seit langem mit Wärme- und Kälteversorgung und Solarthermie. Regenerative Energien erzeugen in seinem Szenario nicht nur komplett den Strom, sondern heizen auch zu 100 Prozent die Gebäude. Dabei sind die Kosten nicht höher als heute. (Die Infografik können Sie auf www.pv-magazine.de herunterladen, geben Sie dazu im Suchfeld den Webcode 0111 ein.) Das ISE-Modell bildet die Verknüpfung von Wärmesektor und Stromsektor nun genauer ab als bisherige Studien. Das Rechenprogramm optimiert außer allen notwendigen Komponenten im Stromsektor, wie viel Wärmespeicher, wie viel Kraft-Wärme-Kopplung, wie viele strombetriebene Wärmepumpen und wie viele Gas-Wärmepumpen nötig sind, die aus mit Power-to-Gas-Anlagen gewonnenem Methan betrieben werden.
Ganz Deutschland wird im derzeitigen Modell dabei rechnerisch durch vier virtuelle Gebäudearten repräsentiert, deren Wärmeversorgung auf verschiedene Weise erreicht wird (siehe KastenSeite 44). Drei davon dezentral – mit elektrischer Wärmepumpe, mit Gas-Wärmepumpe, mit dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – jeweils optional ergänzt durch dezentrale Solarthermie. Das vierte virtuelle Haus wird mit Fernwärme aus zentraler KWK versorgt, optional ergänzt durch zentrale Solarthermie. Mit der Optimierung des Energiesystems ermittelt Henning gleich auch den optimalen Mix aus den jeweiligen Anteilen des Gebäudesektors mit diesen Versorgungslösungen.

Virtuelle Häuser

„Für einen ersten Aufschlag funktioniert unsere Näherung. Wir planen für die Zukunft aber, den Gebäudebestand detailliert abzubilden“, erklärt Henning. Dann wird er zum Beispiel berücksichtigen, dass in Altbauten höhere Vorlauftemperaturen notwendig sind als in Niedrigenergiehäusern und dass sich die Situation für Passivhäuser noch- mals anders darstellt. Das ISE-Programm berechnet explizit die zeitliche Verfügbarkeit der Energieformen und ihren Bedarf.
Wenn bei einer Windflaute und gleichzeitig wenig Sonne beispielsweise Strom benötigt wird, kommt dafür nur die Verwendung von Gas in Frage, das zuvor mittels Power to Gas aus Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt worden sein muss. Wenn keine Wärme, sondern nur Strom benötigt wird, verbrennt man das Gas am besten in Gaskraftwerken. Wenn gleichzeitig zu Strom noch Wärme benötigt wird, ist Kraft-Wärme-Kopplung die günstigste Methode, die unter den angenommenen Näherungen hauptsächlich zentral stattfindet, so dass die Häuser mittels Fernwärme geheizt werden. Wenn nur Wärme benötigt wird und keine erneuerbare Stromerzeugung vorhanden ist, bietet dagegen die Gas-Wärmepumpe die beste Lösung. So gibt es etliche Abhängigkeiten. Das System ist so komplex, dass die Ergebnisse nur schwer im Kopf nachvollziehbar sind. „Der Computer ermittelt aber unter den vorgegebenen Randbedingungen –
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Stromheizung mit Heizlüfter?

Frage: Ist es denkbar, dass im Jahr 2050 in den vielen Passivhäusern, die es dann geben wird, die billigste Heizung eine aus dem Baumarkt ist, die mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben wird?
Hans-Martin Henning: Daran glaube ich überhaupt nicht. Wenn dieser Heizlüfter die einzige Wärmequelle ist, wird er nämlich – gerade auch im Passivhaus – exakt dann benötigt, wenn keine Sonne zur Verfügung steht. Das heißt, er wird im Zweifelsfall überwiegend mit Strom aus teuren Komplementärkraftwerken betrieben, die aufwendig hergestelltes synthetisches Gas verwenden. Und wird dann direkt – also ohne Wärmepumpeneffekt – verwendet. Das ist sicher nicht zielführend. Die direkte Umwandlung von Strom in Wärme ist genau dann sinnvoll, wenn keine anderweitige Nutzung des Stroms im System möglich ist. Bei der Direktstromheizung ist es umgekehrt: Sie erfordert Strombereitstellung, wenn Wärme benötigt wird.

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Wie das Rechenmodell des ISE den Gebäudesektor abdeckt

In der möglichen Struktur eines zukünftigen Energiesystems nehmen wir an, dass die nachfolgend beschriebenen vier Versorgungstechniken zur Wärmeversorgung von Gebäuden potenziell eine Rolle spielen. Dabei ist wichtig zu beachten: Der Anteil des Gebäudesektors, der eine dieser Versorgungslösungen nutzt, nutzt nur diese. In einem Gebäude, das eine elektrische Wärmepumpe installiert hat, wird in aller Regel nicht zusätzlich eine Gas-Wärmepumpe installiert sein. Ein solches Gebäude ist also immer dann, wenn Wärme benötigt wird, darauf angewiesen, dass Strom bereitsteht, um den elektrischen Antrieb der Wärmepumpe zu decken, ganz unabhängig davon, ob gerade Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht oder nicht.
Unser Modell ermittelt nun den optimalen Mix dieser vier Versorgungslösungen. Es resultiert also aus der Optimierung, wie viel Prozent des Gebäudesektors mit jeder der vier Versorgungstechniken arbeiten sollte. Dabei hat jede der Lösungen bestimmte Vor- und Nachteile hinsichtlich ihres Zeitverhaltens, die neben der Effizienz und den Kosten darüber bestimmen, welchen Anteil sie letztlich in einem optimierten System einnehmen. Die vier Versorgungslösungen sind:
1. Dezentrale elektrische Wärmepumpen, optional ergänzt durch dezentrale Solarthermie.
Hier wird generell Strom für die Wärmebereitstellung benötigt, außer in denjenigen Stunden, in denen ausreichend Solarwärme bereitsteht (das ist in der Regel nur im Sommer für Brauchwasser der Fall). Der im Gebäude installierte Pufferspeicher kann bis 65 Grad Celsius mit der Wärmepumpe geladen werden (wenn Überschussstrom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht), darüber hinaus nur mit Solarthermie oder mit Heizstab. Der Heizstab wird jedoch nur aktiviert, wenn im Gesamtsystem Überschussstrom zur Verfügung steht, der nicht anderweitig genutzt werden kann (also für Power to Gas oder zur Ladung von Wärmespeichern mit Wärmepumpe).
2. Dezentrale Gas-Wärmepumpen, optional ergänzt durch Solarthermie.
Hier wird generell Gas für die Wärmebereitstellung benötigt, außer in denjenigen Stunden, in denen ausreichend Solarwärme bereitsteht (das ist in der Regel nur im Sommer für Brauchwasser der Fall). Der Pufferspeicher wird nicht durch die Gas-Wärmepumpe beladen, da nie Überschussgas bereitsteht. Der Pufferspeicher ist hier exklusiv für Solarthermie, das Speichervolumen skaliert deshalb auch mit der Größe der installieren Solarthermieanlagen.
3. Dezentrale KWK, optional ergänzt durch Solarthermie.
Hier wird generell Gas für die Wärmebereitstellung benötigt, außer in denjenigen Stunden, in denen ausreichend Solarwärme bereitsteht (das ist in der Regel nur im Sommer für Brauchwasser der Fall). Immer dann, wenn Wärme produziert wird, wird auch Strom produziert. Außerdem wird bei Stromunterschuss Strom produziert und Wärme entweder genutzt oder in den Pufferspeicher eingespeichert, allerdings wird Strom von dezentraler KWK erst angefordert, wenn die effizienteren Erzeuger (GuD, zentrale KWK) an ihrer Kapazitätsgrenze sind; die Betriebsführung folgt der Maxime, immer zuerst die effizienteste Technik zu verwenden. Unser Modell bildet hier das Schwarm-KWK-Konzept ab, also viele dezentrale KWK liefern Strom für das Netz und nutzen die zeitgleich anfallende Wärme (außer es besteht kein aktueller Bedarf und der Speicher ist voll beladen; dann wird die Überschusswärme verworfen).
4. Wärmenetze mit zentralen Wärmespeichern und Einspeisung aus zentraler KWK, Überschussstrom aus erneuerbaren Energien und zentraler Solarthermie.
Diese Versorgungslösung versorgt alle Gebäude, die an (Fern-)Wärmenetzen hängen. Wenn nicht ausreichend Solarthermie zur Verfügung steht und der Speicher nicht genügend beladen ist, muss hier zentrale KWK wärmegeführt betrieben werden. Strom wird ins Netz gespeist. Eine Erweiterung, die unmittelbar ansteht, ist die Berücksichtigung von zentralen Wärmepumpen, wie sie in Dänemark eine wichtige Komponente darstellen. Dann muss bei bestehendem Wärmebedarf und zeitgleich hoher Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien nicht zusätzlich die KWK verwendet werden, sondern es werden zentrale Wärmepumpen verwendet, die ins Wärmenetz einspeisen. Wärmegeführte KWK ist dann nur noch in solchen Fällen notwendig, wo Wärmemangel besteht und nicht ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien bereitsteht. Durch diese Erweiterung wird aller Voraussicht nach die Attraktivität von Wärmenetzen zunehmen.

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Internationale Kampagne „300 Gigawatt pro Jahr“/Plattform „200 Gigawatt in Deutschland“

Die Solarpraxis AG hat die Kampagne „300 Gigawatt pro Jahr“ und die Plattform „200 Gigawatt in Deutschland“ gestartet, um wieder mehr Bewegung in die festgefahrene Diskussion zu bringen. Zurzeit scheint Perspektivlosigkeit die Solarbranche zu lähmen, obwohl die Bundesregierung die Energiewende in Deutschland offiziell beschlossen hat. Das 200-Gigawatt-Ziel wird auch von anderen Wissenschaftlern propagiert und in der Ausgabe September 2012 ausführlich diskutiert. Auf unserer 200-Gigawatt-Internetseite finden Sie ausführliche Berichte über die Diskussion und die Plattform sowie den Link zur ISE-Studie. Die Infografik zum Energiesystem 2050 können Sie mit dem Webcode 0111 herunterladen.
Auch wenn Sie Ihre Meinung zum Thema veröffentlichen und mitdiskutieren wollen, besuchen Sie bitte unsere Kampagnenseite.

www.pv-magazine.de/themen/200gw

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also den Annahmen über die genutzten Komponenten und deren Effizienz- und Kostenwerte – die kostengünstigste Lösung“, sagt Henning. Dabei nimmt er auch Kosten für die Wärmespeicher und eine Netznutzung an. Je niedriger die Temperatur des gespeicherten Wassers ist, umso mehr Wärmespeicherkapazität ist nötig. Das ist zum Beispiel ein Kostennachteil für das virtuelle Haus mit Wärmepumpe. „Die Temperatur, die mit einer Wärmepumpe sinnvollerweise erreicht werden kann, ist begrenzt. Mehr als maximal 65 Grad Celsius sind es bei üblichen Wärmepumpen, wie sie in Haushalten verwendet werden“, sagt Henning. Andererseits hat auch die KWK mit Fernwärme Kostenpunkte. Dafür ist ein Netz nötig, das Geld kostet.

Solarthermie und Photovoltaik ähneln sich

Die Solarthermie und die Photovoltaik ohne Wärmepumpe unterscheiden sich allerdings im Zusammenhang mit dem Heizen im Wesentlichen nur im Flächenbedarf und in den Kosten. Im zeitlichen Verlauf der Erzeugung sind sie sehr ähnlich. Was den Flächenbedarf angeht, haben die Forscher zwar gezeigt, dass ihr Ergebnis mit den in Deutschland zur Verfügung stehenden Dachflächen umgesetzt werden kann. Sie haben die Begrenztheit der Flächen auf einzelnen Häusern aber noch nicht konkret berücksichtigt, weisen allerdings darauf hin, dass das vorhandene Flächenpotenzial zu einem großen Teil genutzt werden muss. „Auch hier soll bei Disaggregierung des Gebäudesektors eine konkretere Zuordnung erfolgen“, sagt Henning. Durch die bisherigen Näherungen würde in dem Modell die Solarthermie ganz durch die Photovoltaik ersetzt, wenn diese billiger wäre. Umgekehrt ist das nicht so, da sich der größte Teil der Photovoltaik bereits durch die Stromerzeugung finanziert.
Bei den Kostenannahmen in der Studie ist Photovoltaik allerdings noch nicht billiger als Thermie. Die Wissenschaftler haben die Kosten aus unabhängigen Prognosen der internationalen Energieagentur für das Jahr 2050 genommen. „Wir wollen uns nicht dem Verdacht aussetzen, wir seien parteiisch“, sagt Henning. Für Photovoltaik sind das 1.000 Euro pro Kilowatt bei einer Anlagenlebensdauer von 25 Jahren und einem Prozent jährliche Wartungskosten. Für Solarthermie sind das 190 Euro pro Kilowatt Wärmeleistung bei einer Anlagenlebensdauer von 20 Jahren und jährlichen Wartungskosten von 1,4 Prozent. „In Deutschland kostet die dezentrale Solarthermie zurzeit noch rund das Dreifache“, sagt Henning, während die Photvovoltaik schon fast jetzt dem Zielwert für 2050 nahe kommt. „Doch in Dänemark wird zentrale Solarthermie bereits zu ähnlichen Preisen gebaut“, sagt er. Deshalb ist er guten Mutes, dass sie 2050 preiswert genug sein wird. Er kommt mit seinem Modell zum Ergebnis: Sinnvoll zur Strom- und Wärmeerzeugung sind zwischen 150 und 250 Gigawatt Photovoltaik und rund 130 Gigawatt Solarthermie.
Wie das Rennen zwischen Solarthermie und Photovoltaik am Ende ausgehen wird, ist also noch nicht abschätzbar. Das Modell zeigt aber, wovon es abhängt: von den Kosten, von den zur Verfügung stehenden Flächen und von der Frage der Ausnutzung von Wärmespeichern. Vielleicht wird diese Frage bis 2050 aber auch nicht mehr so entscheidend sein.
Denn unabhängig davon, ob auf dem Dach Wasser oder Elektronen zirkulieren: Eine fortschrittliche Heiztechnik, die hinter den Sonnenenergiewandlern sitzt, werden alle diese Systeme benötigen.

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