Wer zahlt am Ende?

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Das rasante Wachstum von EEG-Stromeinspeisungsanlagen bringt die Netze zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Vor allem die witterungsabhängige Einspeiseleistung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist eine Herausforderung für die Leistungsbalance im Elektrizitätssystem. Was für Windkraftanlagenbetreiber Alltag ist, droht nun auch Betreibern von Photovoltaikanlagen: Die Einspeiseleistung wird gedrosselt und mit ihr die Einspeisevergütung.

Die sich unmittelbar anschließende Frage lautet, wie so häufig im Leben: Wer zahlt? Die fast legendäre juristische Antwort darauf ist: Es kommt darauf an. Handelte es sich um die Reduzierung der Einspeiseleistung im Rahmen des sogenannten Einspeisemanagements nach dem EEG? War der Eingriff aus Gründender Netzsicherheit nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) erforderlich? Waren Wartungsarbeiten notwendig oder beruhte der Netzausfall auf äußeren Umständen wie beispielsweise Naturgewalten?

Anspruch auf Entschädigung

Sicher ist, dass der Anlagenbetreiber einen Entschädigungsanspruch hat, wenn der Netzbetreiber von der Möglichkeit des Einspeisemanagements (Paragraf 11 EEG) Gebrauch macht. Dies besagt die „Härtefallregelung“ (Paragraf 12 EEG). Danach hat der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für ein notwendiges Einspeisemanagement liegt, den Anlagenbetreiber vereinbarungsgemäß oder nach gesetzlichen Vorgaben zu entschädigen. Ob dies gegenwärtig auch fürPhotovoltaikanlagen gilt, ist schon weniger eindeutig. Auch im Detail sind noch offene Fragen zu klären. In den Grundzügen gilt Folgendes: Der Begriff Einspeisemanagement beschreibt die Berechtigung des Netzbetreibers, eine Anlage zu „regeln“. Regelung ist jeder Zugriff auf die Anlage zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung. Gegenstand des Einspeisemanagements können nur Anlagen mit einer installierten Leistung von über 100 Kilowatt sein. Voraussetzung für den Zugriff des Netzbetreibers ist die Ausstattung der betreffenden Anlagen mit einer technischen oder betrieblichen Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung und zur Abrufung der jeweiligen Ist-Einspeisung (Paragraf 6 EEG). Dieskönnen ein Funk-Rundsteuerer, ein Telefon oder ein Telefax sein. Eine Pflicht zur Ausstattung besteht nur für Anlagen über 100 Kilowatt. Dies korrespondiert mit der Leistungsgrenze für das Zugriffsrecht des Netzbetreibers. Jedoch sind nach Auffassung der Clearingstelle EEG Photovoltaikanlagen davon nicht betroffen: Nach dem EEG ist das Modul die „Anlage“, und Module mit einer Leistung von 100 Kilowatt gibt es nicht.

Gleichwohl empfiehlt die Clearingstelle zur Sicherung des Entschädigungsanspruchs nach der Härtefallregelung, Photovoltaikinstallationen über 100 Kilowatt mit einem Signalempfänger auszustatten. Konsequenterweise stellt sich aber bei Auslegung „Anlage = Modul“ die Frage, ob der Netzbetreiber überhaupt berechtigt ist, Photovoltaikanlagen zu regeln, und ob Photovoltaikanlagenbetreiber Berechtigte eines Entschädigungsanspruchs sein können. Eine der nächsten EEG-Novellen sollte Klärung herbeiführen.

Erneuerbare haben Vorrang

Abgesehen davon darf der Netzbetreiber Anlagen nur regeln, wenn sonst im jeweiligen Netzbereich eine Überlastung durch Strom aus erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Koppelung oder Grubengas droht. Ist die Netzkapazität nur durch Strom aus konventionellen Quellen ausgelastet, besteht keine Regelungsberechtigung. Auch muss der Netzbetreiber sicherstellen, dass „insgesamt“ die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien abgenommen wird. Die erfassten Anlagen sind also in möglichst geringem Umfang zu regeln. Nicht abschließend geklärt ist, auf welchem Weg dieses Ergebnis erzielt werden muss.Rechtmäßiges Einspeisemanagement setzt ferner voraus, dass der Netzbetreiber die Daten über die Ist-Einspeisung in der jeweiligen Netzregion abgerufen hat. Schließlich dürfen Maßnahmen des Einspeisemanagements nur vorübergehend durchgeführt werden, nämlich während etwa erforderlicher Maßnahmen der Netzverstärkung. Hat der Netzbetreiber vom Einspeisemanagement Gebrauch gemacht, muss er Anlagenbetreibern auf Anfrage innerhalb von vier Wochen Nachweise über die Erforderlichkeit der Maßnahme vorlegen. Diese Nachweise müssen eine sachkundige dritte Person in die Lage versetzen, die Erforderlichkeit der Maßnahme ohne weitere Information nachzuvollziehen. Kommt der Anlagenbetreiber oder ein von ihm beauftragter Dritter auf dieser Grundlage zu demErgebnis, dass die Voraussetzungen des Einspeisemanagements nicht vorlagen, kann der Anlagenbetreiber Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Abnahmepflicht geltend machen. War das Einspeisemanagement rechtmäßig, hat der Anlagenbetreiber den eingangs beschriebenen Entschädigungsanspruch. Entschädigungspflichtig ist der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für die Netzüberlastung lag.

Die Höhe der Entschädigung richtet sich in erster Linie nach einer abgeschlossenen Vereinbarung. Besteht keine Vereinbarung, richtet sie sich nach den gesetzlichen Vorgaben. Diese sehen vor, dass der Netzbetreiber verpflichtet ist, die entgangene Vergütung sowie entgangene Wärmeerlöse abzüglich ersparter Aufwendungen zu leisten. Maßstäbefür die Berechnung ergeben sich für Windkraftanlagen aus einem „Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement“ der Bundesnetzagentur. Zur Entwicklung der Berechnungsmethoden für die Ermittlung der Ausfallarbeit für andere erneuerbare Energieträger steht die Bundesnetzagentur noch im Gespräch mit den Fachverbänden. Bis zu deren Abschluss sind die Netzbetreiber gehalten, die vom Anlagenbetreiber vorgeschlagene Berechnung auf Sachgerechtigkeit zu prüfen. Die Eon Netz-AG hat mit einer „Richtlinie zur Umsetzung der Härtefallregelung“ selbst eine Vorgabe für alle Energieträger entwickelt.

Kein Automatismus

Keine gesetzliche Pflicht zur Entschädigung besteht für Maßnahmen zur Reduzierung der Einspeiseleistung außerhalb des Einspeisemanagements. In diesen Fällen kommt ein Anspruch desAnlagenbetreibers auf Zahlung, nämlich ein Schadensersatzanspruch, nur in Frage, wenn der Netzbetreiber schuldhaft gehandelt hat. Nicht unter das Einspeisemanagement fallen Maßnahmen des Netzbetreibers im Rahmen der sogenannten Systemverantwortung zur Beseitigung von Gefährdungen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems. Gefährdungen liegen beispielsweise vor, wenn örtliche Ausfälle des Netzes, Netzengpässe oder Spannungsschwankungen drohen. Als Handlungsoptionen stehen dem Netzbetreiber netzbezogene Maßnahmen (netzinterne technische Maßnahmen wie Netzschaltungen), marktbezogene Maßnahmen (zum Beispiel vereinbarte Abschaltung von Lasten) und Anpassungsmaßnahmen (zum Beispiel Abschalten von Lasten außerhalb vertraglicher Vereinbarungen) zur Verfügung. In der genannten Reihenfolge besteht zwischen den Maßnahmen ein Rangverhältnis nach Maßgabe ihrer Eingriffsintensität. Netzbezogene Maßnahmen gelten als geringster Eingriff. Über die Gründe von durchgeführten Maßnahmen sind die Betroffenen und die Bundesnetzagentur zu informieren. Auf Verlangen muss der Netzbetreiber die Gründe belegen.

Schon die Voraussetzungen, unter denen der Netzbetreiber Maßnahmen nach dem EnWG ergreifen darf, lassen erahnen, dass ihr Verhältnis zum Einspeisemanagement nicht eindeutig ist. Zwar verpflichtet das EnWG dazu, dasVorrangprinzip des EEG zu berücksichtigen. Ein absoluter Vorrang des EEG besteht aber nicht. Die Bundesnetzagentur geht in ihrem Leitfaden davon aus, dass zunächst netz- und marktbezogene Maßnahmen nach dem EnWG durchzuführen sind. Im Anschluss daran sei auf vertragliche Abschaltvereinbarungen nach dem EEG, dann auf Notfallmaßnahmen gegenüber konventionellen Kraftwerken zurückzugreifen – und erst bei deren Erfolglosigkeit auf das Einspeisemanagement. Die entschädigungslose Durchführung von Notfallmaßnahmen gegenüber Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien steht an letzter Stelle dieser nicht unumstrittenen fünfstufigen Handlungskette. Sinn dieser Rangfolge ist, dass sich der Netzbetreiber schadensersatzpflichtig macht, wenn er sie missachtet.

Meist entschädigungslos hinzunehmen sind auch vorübergehend notwendige Abschaltmaßnahmen bei Wartungsarbeiten, die der Netzbetreiber zum Erhalt eines sicheren und leistungsfähigen Energieversorgungsnetzes durchführen muss (Paragraf 11 EnWG). Zwar darf der Netzbetreiber bei EEG-Anlagen nur aus Gründen der Systemverantwortung eine Ausnahme vom Einspeisevorrang machen. Der Verstoß gegen diesen Grundsatz ist bei notwendigen Wartungsarbeiten aber nicht schuldhaft und kann daher keine Schadensersatzansprüche auslösen. Gleiches gilt für Leistungsminderungen, die auf äußere Einflüsse zurückgehen.

Insgesamt muss der Netzbetreiber also nur beim Einspeisemanagement für entgangene Erträge aufkommen, ansonsten nur bei schuldhaften Pflichtverstößen. Diese Schuldhaftigkeit muss jedoch der Anlagenbetreiber nachweisen – oder er geht leer aus.

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Margarete von Oppen

ist Partnerin der Rechtsanwaltssozietät Geiser & von Oppen. Die Sozietät berät Unternehmen, Verbände und öffentliche Hand in den Bereichen erneuerbare

Energien, energieeffizientes Bauen und Komponentenhandel. Die Beratung umfasst sowohl die branchenspezifischen Spezialfragen als auch das klassische Gesellschafts- und Zivilrecht.

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