Geheimniskrämerei in der Branche

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Ausgerechnet in einer sehr turbulenten Phase für die Solarwirtschaft befassen Sie sich mit Umweltstandards in der Produktion. Warum?

Murphy & Spitz verwaltet etliche Millionen Euro, um sie im Auftrag von Investoren in den erneuerbaren Energien anzulegen. Mit unserem Umweltfonds für Deutschland und einem internationalen Fonds haben wir uns das Ziel gesetzt, in nachhaltige Unternehmen aus nachhaltigen Branchen zu investieren. Wir prüfen genau, damit wir nicht in versteckte Dreckschleudern investieren.

Die Herstellung von Solarmodulen ist kein schmutziges Geschäft. Immerhin erzeugen die Module Energie aus Sonnenlicht. Reicht Ihnen das nicht aus?

Nein, nachhaltige Produkte allein genügen nicht. Auch die Fertigung muss hohe Standards erfüllen. Wir beobachten die Solarindustrie und stellen uns die Frage, bei welchen amerikanischen oder chinesischen Herstellern wir einsteigen. Man muss wissen, dass beispielsweise die Produktion von Reinstsilizium erhebliche Mengen Energie verschlingt. Außerdem entstehen bei der Herstellung von einem Kilogramm Silizium für Solarzellen beim Siemensverfahren rund 19 Kilogramm Neben- und Abfallstoffe. Ohne Modifikationen ist diese Technologie bereits veraltet. Damit das Verfahren rentabel ist, müssen die Nebenstoffe weiterverwendet werden, sonst kann es sich niemand auf Dauer leisten.

Ihre Studie besteht aus zwei Teilen: den Umweltaspekten und den Arbeitsbedingungen bei Photovoltaikherstellern. Wie sind Sie bei der Analyse vorgegangen?

Zunächst haben wir uns auf die Nachhaltigkeit in der Fertigung konzentriert, der Report zu den sozialen Bedingungen folgt in Kürze. Wir haben sechs Hersteller ausgesucht, die an der Börse notiert sind. Außerdem war wichtig, dass sie als sogenannte Pure Player agieren. Das heißt, sie sind ausschließlich im Geschäft mit Photovoltaikmodulen tätig, mit vollintegrierter Fertigung. Diese Kriterien treffen auf die deutsche Solarworld, auf First Solar und Sunpower aus den USA sowie auf Suntech, Yingli und Trina Solar aus China zu. Diese Konzernehaben wir unter die Lupe genommen.

Wie haben Sie das Material gesammelt?

Wir haben die Geschäftsberichte und Webseiten analysiert, außerdem die Unternehmen direkt angeschrieben und befragt. Es ging darum herauszufinden, wie die Unternehmen bezüglich ihrer Produktion aufgestellt sind. Gleichermaßen wichtig war, welche Kriterien sie bei Zulieferern und Bypass-Lieferanten anlegen, die Prozessschritte mit wesentlichen Umweltaspekten haben. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die ISO 14001, die besagt, dass man ein funktionierendes Umweltmanagementsystem hat. Sie ist aus unserer Sicht ein Muss und ein Mindestkriterium. Uns interessiert darüber hinaus, wie gut und anspruchsvoll das Unternehmen im Umweltbereich arbeitet. Dies kann man zum Beispiel anhand der Umweltziele ablesen. Die Branche übt sich in Geheimniskrämerei, anstatt Umweltziele klar zu benennen, zu veröffentlichen und sich am Stand der Umsetzung dieser Ziele messen zu lassen. Ich komme aus alteingesessenen Branchen wie dem Schienenfahrzeugbau und der Bauwirtschaft. Dort ist die Transparenz der Ziele und der Zielverfolgung selbstverständlich. Die Hersteller von Photovoltaik fangen gerade erst damit an. Zudem lässt die Transparenz und Verfügbarkeit belastbarer Daten wie Verbräuche oder Kennzahlen auch und vor allem bei den großen Playern sehr zu wünschen übrig.

Kann man die Unternehmen wirklich miteinander vergleichen? Erfüllt die Zertifizierung nach ISO 14001 in Deutschland dieselben Auflagen und Kriterien wie in den USA oder in China?

Wir haben uns nicht nur die Hersteller angesehen, sondern auch mit international agierenden Zertifizierern konferiert, übrigens auch in China. Die ISO 14001 ist eine international harmonisierte Norm, die Asiaten können es sich nicht leichter machen. Wohl aber haben wir Unterschiede in der Philosophie der Unternehmen ausgemacht. Generell kann man sagen, dass die Ansprüche an eine nachhaltige Fertigung immer dort wirklich gelebt und umgesetzt werden, wo das Management hinter der Zertifizierung und einem intelligenten Umweltmanagementsystem steht. Nur bei diesen Firmen zahlt sich so ein System überhaupt aus. Das heißt, auch nur solche Unternehmen sind für uns als Invest interessant, da sich der Umweltschutz positiv auf die Rendite auswirkt.

Nennen Sie uns dafür ein Beispiel?

Gerne zwei. First Solar hat weltweit alle drei Standorte zertifiziert: Perrysburg, Frankfurt an der Oder und das neue Werk in Malaysia. Das Unternehmen zeigte sich hervorragend aufgestellt und ermöglichte uns einen transparenten Zugang zu allen wesentlichen Daten. Ich denke, der Umgang mit Cadmiumtellurid fordert First Solar dazu, mit offenen Karten zu spielen. Auch Solarworld hat einen großen Schritt nach vorn gemacht. Der deutsche Konzern hat die komplette Wertschöpfungskette im Blick, auch wenn die Datenlage im Nachhaltigkeitsbericht noch etwas dürftig ist. First Solar und Solarworld sind die beiden einzigen Unternehmen, die eigene Kompetenzen und Kapazitäten im Recycling aufgebaut haben. Sie beziehen die gesamte Lebensdauer der Module ein.

Und die Chinesen?

Das war eine kleine Überraschung: Yingli zum Beispiel geht in den chinesischen Geschäftsberichten viel mehr ins Detail als in der englischen Übersetzung. Das hat vermutlich mit der Mentalität zu tun. Doch auch für Yingli gilt der generelle Eindruck, dass sich die führenden Unternehmen der PV-Branche mit Transparenz sehr schwer tun. Natürlich haben wir keinen aussagekräftigen Querschnitt ermittelt, ich rede von einer Tendenz, die vier oder fünf der sechs genannten Unternehmen betrifft.

Worin liegen die größten Schwächen?

Ganz klar: die Transparenz und Konsequenz beim Umgang mit Joint-Venture-Partnern, Bypass-Lieferanten und den Zulieferern, die beispielsweise Silizium für die Zellen oder giftige Chemikalien in den Fertigungsprozess einbringen. Sie sind bislang fast völlig von der Nachhaltigkeitsbetrachtung ausgenommen. Löbliche Ausnahmen sind die Siliziumlieferanten von Solarworld. Das könnte man sich in anderen Branchen überhaupt nicht leisten. Wer die Nachhaltigkeit ernst nimmt, muss auch die Zulieferer mit wesentlichen Umweltaspekten auf ihre Standards vor Ort prüfen und Konsequenzen folgen lassen. Man kann die Verantwortung nicht auf die Lieferanten abschieben, indem man die Fertigungstiefe im eigenen Unternehmen verringert und die Hände hebt: Nicht unser Problem!

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Nehmen wir die Entsorgung der Nebenstoffe, die bei der Herstellung von Silizium entstehen. Der Zulieferer Luoyang Zhonggui hatte giftiges Siliziumtetrachlorid in großen Mengen zwischen einerGrundschule und Getreidefeldern abgekippt, unter den Augen und geduldet durch die Behörden. Erst ein Bericht der Washington Post brachte die Sache ans Licht. Sofort hatte der Modulhersteller Suntech ein Imageproblem. Zwar versprach Suntech umgehend, den Lieferanten zu wechseln. In der Berichterstattung des Unternehmens zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres ist von dem Vorfall und seinen Konsequenzen jedoch keine Rede mehr.

Also bilden die chinesischen Hersteller doch das Schlusslicht in Sachen Nachhaltigkeit?

Sie werden staunen, nein. Zwar ist beispielsweise Trina Solar noch immer nicht Mitglied von PV Cycle, auch erläutert das Unternehmen nirgends, was mit Altmodulen aus seiner Produktion geschehen soll. Nach unserer Einschätzung war jedoch die amerikanische Sunpower das Schlusslicht. Man gab uns nur eine unverbindliche Auskunft, dass die Fertigung auf den Philippinen nach ISO 14001 zertifiziert sei. Die erforderliche Bestätigung durch das Zertifikat steht aber aus, auch auf der Website ist dazu nichts zu finden. Das Unternehmen zeigte sich sehr verschlossen, wenn es um nachhaltige Kriterien für die Fertigung ging. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht uns nicht um Schwarz-Weiß-Malerei. Man muss jedes Unternehmen differenziert betrachten, so haben wir die Studie verfasst. Nach diesem ersten Aufschlag werden wir die kommende Entwicklung sowie weitere Unternehmen natürlich genau beobachten.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

Investoren achten auf Triple Green

Die Investmentgesellschaft Murphy & Spitz aus Bonn hat die Studie „Nachhaltigkeit und Social Responsibility in der Photovoltaik-Industrie“ vorgelegt, um einen Bewertungsrahmen für die Nachhaltigkeit von Modulproduzenten zu erstellen. Sechs große, börsen-notierte Solarhersteller wurden darin bewertet. Die Studie betrachtet die gängigen Herstellungsprozesse vom Sand-korn bis zum Endprodukt

Solarmodul. Dabei erörtert sie den Energieeinsatz und die Materialien, die dabei zum Einsatz kommen. Sie beantwortet, welche Technologie energetisch am günstigsten ist und legt die Bedeutung der Umweltnorm ISO 14001 für die Branche und die Verbraucher dar.

Die Studie ist soeben erschienen und bei Murphy & Spitz Research für 125 Euro erhältlich. Sie trägt den Untertitel: „Teil 1: Umwelt- und Arbeitsschutzaspekte“. Eine Analyse der Arbeitsbedingungen bei den Photovoltaikherstellern wird in Kürze folgen.

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Über die autorin der Studie

Die diplomierte Umwelttechnikerin Nicole Vormann ist seit 15 Jahren auf betrieblichen Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Energiemanagement spezialisiert. Bevor sie zu der Anlageberatungs- und Beteiligungsgesellschaft Murphy & Spitz kam, arbeitete sie beim Umweltbundesamt, anschließend beim Schienenfahrzeughersteller Adtranz. Dort war sie in der Koordinierungsstelle für den weltweiten strategischen Umwelt- schutz tätig. Danach wechselte sie im Bereich Schienenfahrzeugbau zum englischen Konzern Balfour Beatty Rail, später zur Unternehmensberatung Engels Marketing.

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