Bauern unter Druck

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Dietrich Pulz ist Landwirt aus Tradition: Seit vier Generationen betreibt seine Familie in Brandis, etwa 80 Kilometer südlich von Berlin gelegen, einen Bauernhof. Nach der Wende holte sich Pulz die 40 Hektar großen landwirtschaftlichen Flächen der Familie zurück, die er Anfang der 60er Jahre in eine LPG einbringen musste, um dort Getreide anzupflanzen und eine Pferdezucht aufzubauen. Daneben führt die Familie Pulz ein Gasthaus. Doch seit einigen Jahren schwächelt das Geschäft; die Gäste bleiben aus, denn die Region leidet unter Landflucht. Auch mit der Landwirtschaft lässt sich angesichts der niedrigen Preise für Agrarprodukte heute kaum noch Geld verdienen. „Wir haben hier Sandboden, da wächst nicht besonders viel“, beschreibt der 71-Jährige das Problem.

Gründe genug für Dietrich Pulz, sich über andere Erlösquellen Gedanken zu machen. Sein Plan: einen Teil der Ackerfläche, insgesamt zwölf Hektar, an den Projektierer AC Energy aus dem benachbarten Herzberg zu verpachten, der auf dem Pulz'schen Grund einen Solarpark errichten will. 1.000 Euro pro Hektar hat der Landwirt als Pacht ausgehandelt. Viel Geld verglichen mit dem, was er für sein Getreide bekommt: „Im günstigsten Fall ernte ich auf meinen Feldern 30 Doppelzentner Roggen pro Hektar. Das bringt mir 270 Euro. Davon gehen dann aber 90 Euro für den Mähdrescher und das Geld für Saatgut und Dünger ab. Am Ende bleibt kaum etwas übrig. Da kann man die Landwirtschaft eigentlich gleich sein lassen“, sagt der Bauer aus Brandenburg.

Doch nun sind die Photovoltaik-Pläne wohl Makulatur. Die Bundesregierung will Pulz einen Strich durch die Rechnung machen: Die schwarz-gelbe Koalition hat Anfang März beschlossen, die Vergütung für Strom aus Solarparks, die auf landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden und nach dem 30. September ans Netz gehen, zu streichen. Eine Ausnahme soll es nur für Anlagen geben, für die schon vor dem 3. März 2010 eine Baugenehmigung vorlag und die noch bis zum Jahresende angeschlossen werden. Das zentrale Argument der Regierung für das Streichen der Vergütung: Würden Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen weiterhin gefördert, so führe das dazu, „dass externe Investitionsgruppen Ackerflächen aufkaufen oder zu hohen Preisen pachten, was wiederum Probleme für die Landwirtschaft mit sich bringt“, sagte CDU-Agrarexperte Peter Bleser dem Webportal „agrarheute“. Der Pachtpreis würde nach oben getrieben und Flächen für die Nahrungsmittelproduktion auf lange Zeit aus dem Verkehr gezogen.

CDU und BDV auf einer Linie

Mit dieser Argumentation liegt die CDU auf einer Linie mit dem ihr traditionell nahestehenden Deutschen Bauernverband (DBV), der während der Beratungen über die Neuregelung der Vergütung gegen Solarparks auf Ackerflächen trommelte. In einem Positionspapier vom 9. Februar dieses Jahres schrieb der Verband: „Der Deutsche Bauernverband hält eine vorrangige Heranziehung von produktiven Ackerflächen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen, wie sich dies aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) faktisch ergibt, für nicht nachhaltig. Wertvolle landwirtschaftliche Nutzflächen sollen für die landwirtschaftliche Produktion beziehungsweise für den gesamten Energiemix unter Einschluss der Bioenergie erhalten werden.“ Zudem forderte der Verband die Regierung auf, „zu prüfen, wie die Förderung der Freiflächenanlagen noch stärker auf die Nutzung von versiegelten oder vorbelasteten Flächen ausgerichtet werden kann“. Dem ist die Regierung gerecht geworden, indem sie Solarparks auf Konversions- und Gewerbeflächen weiter fördern will.

DBV-Präsident Gerd Sonnleitner allerdings scheint nicht unter den Bauchschmerzen, die sein Verband mit der Ökostromproduktion auf landwirtschaftlichen Flächen hat, zu leiden: Sonnleitner wollte selbst zusammen mit seinem Sohn im heimischen Ruhstorf nahe der österreichischen Grenze auf zehn Hektar seines Ackerlandes Photovoltaikmodule installieren lassen. Dies wäre der erste Solarpark in der Kommune gewesen. Die Gemeindevertreter lehnten Sonnleitners Antrag jedoch ab.

Dietrich Pulz ist stinksauer auf den DBV. Er ist kein Mitglied, weil er sich vom Verband nicht vertreten fühlt. „Die sehen sich doch nur noch den großen Agrarbetrieben verpflichtet“, begründet er seine Entscheidung. Die Haltung der Funktionäre zu den Freiflächenanlagen bestärkt ihn in seiner Meinung: „Die Großbetriebe bewirtschaften ja meist nur gepachtetes Land und können deswegen selber gar keine Flächen für Solarparks verpachten. Es ist logisch, dass der Bauernverband gegen Solarparks auf landwirtschaftlichen Flächen ist, weil die Großbetriebe sowieso nicht von der Vergütung profitieren können“, sagt Pulz. Eine Kritik, die Matthias Kick, Referent beim Bayerischen Bauernverband (BBV), indirekt bestätigt: „Ein Grund für die unterschiedlichen Positionen von DBV und Bayerischem Bauernverband bei der Frage nach der Förderung von Solarparks liegt in den Eigentumsverhältnissen in der Landwirtschaft: In Bayern gehören die Flächen meist den Landwirten, deutschlandweit gesehen aber nicht.“

Bayerisch eigenständig

Der Verband aus dem Freistaat verlangt vor allem, dass die Landwirte selber entscheiden können, wie sie ihr Land nutzen: „Der Bayerische Bauernverband sieht sich als Wächter und Verteidiger des Eigentums. Dies muss auch bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen gelten“, begründet Kick, warum der bayerische Verband Solarparks aufgeschlossener gegenübersteht. Zwar lehnt auch der BBV großflächige, fondsfinanzierte Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen ab. Kleinere Projekte sollen aber weiter gefördert werden, indem Größenklassen für Freiflächenanlagen eingeführt werden. Davon würden die Landwirte profitieren, die nur wenig Fläche zu verpachten haben. Offenbar hat der BBV für diese Argumentation in der Politik offene Ohren gefunden. CSU-Chef Horst Seehofer hat nach Verabschiedung der Kabinettsvorlage durchblicken lassen, dass in Sachen Freiflächenvergütung das letzte Wort noch nicht gesprochen sei.

Wie Dietrich Pulz hält auch der Landwirt Manfred Walther aus Brüx nahe Coburg das Streichen der Freiflächenvergütung für falsch. Zum einen, weil sie den Interessen vieler Landwirte zuwiderläuft. Aber auch wegen der Folgen für die Solarbranche: „Die Kürzung ist total ungerecht. Eine gewisse Kürzung ist vielleicht möglich. Aber man kann doch die Förderung nicht so abrupt vollständig streichen. Damit macht man doch eine ganze Industrie, die gerade erst aufgebaut wurde, wieder kaputt.“ Walther hat knapp vier Hektar Ackerflächen an Gehrlicher Solar verpachtet. Der Projektierer will auf diesen und weiteren Flächen einen neun Hektar großen Solarpark bauen. Walther hat Glück, denn die Anlage wird wohl noch vor dem 30. September ans Netz gehen, so dass seine Pacht in trockenen Tüchern ist. Auch für ihn ist die Zusammenarbeit mit den Projektierern ein kleiner Strohhalm, an dem sich Landwirte angesichts der Krise der Branche festhalten können: „Unser Erlös liegt momentan bei null. Egal, ob man Getreide anbaut oder Vieh hält. Deshalb muss man sich etwas anderes suchen, um zu überleben“, sagt der Bauer aus Oberfranken.

Biogas statt Sonnenstrom

Er glaubt, dass der Bauernverband mit seiner Ablehnung gegenüber Solarparks auf Ackerflächen vor allem vor denjenigen Landwirten eingeknickt ist, die Energiepflanzen für Biogasanlagen produzieren. „Der Bauernverband vertritt überwiegend die Biogaslobby“, meint Walther. Eine Behauptung, die angesichts der eingangs zitierten Stellungnahme des DBV nicht abwegig erscheint, fordert der Verband hier doch ausdrücklich den Erhalt von Flächen für die Bioenergie. Auch die Stellungnahme des Fachausschusses für Nachwachsende Rohstoffe des DBV vom 4. September 2009 stützt die These Walthers: „Auf Ackerflächen muss grundsätzlich die Produktion von Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Biomasse für die Bioenergieerzeugung Vorrang haben. Wertvolle Acker- und Grünlandfläche muss vor Überbauung geschützt werden“, heißt es dort.

Manfred Walther verweist auf Beobachtungen aus seiner Heimat: „In unserer Region entstehen viele Biogasanlagen. Und für die sind Solarparks natürlich eine Konkurrenz um die Flächen, die für die Energieproduktion zur Verfügung stehen.“ In der Tat steigen mit diesem Wettbewerb die Pachtpreise, was den Betrieb der Biogasanlagen weniger wirtschaftlich macht. Dabei ist Biogas der Photovoltaik in der Leistungsfähigkeit deutlich unterlegen, erklärt Walther: „Biogasanlagen benötigen das 20- bis 60-Fache an Fläche, um den gleichen Energieertrag wie eine Photovoltaikanlage zu erzielen.“ Der emeritierte Professor Ernst Schrimpff von der Fachhochschule Weihenstephan relativiert diese Zahlen allerdings ein wenig; er spricht davon, dass die Photovoltaik energetisch zwölf- bis 15-mal besser abschneidet – allerdings nur, wenn die Biogasanlagen mit optimaler Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten und wenn die Überschusswärme vollständig genutzt wird (siehe photovoltaik 02/2010).

Auch der Klimaexperte des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) Carsten Wachholz kritisiert die Position des DBV: „Wenn der Bauernverband danach schreit, die Bioenergie weiter auszubauen, und dabei zugleich die Photovoltaik ausbremst, misst er mit zweierlei Maß. Denn zum einen lässt sich mit Solarmodulen auf gleicher Fläche wesentlich mehr Energie produzieren. Zum anderen greifen Freiflächenanlagen viel weniger in die Natur ein.“ Werde eine landwirtschaftlich intensiv genutzte Fläche für einen Solarpark 20 Jahre lang aus der Nutzung herausgenommen, entstehe ein Rückzugsraum für Arten, die in der Kulturlandschaft nur noch wenig Lebensräume finden, so Wachholz. „Wenn dagegen ein Acker jedes Jahr aufs Neue umgebrochen wird, kommen einige Tierarten damit überhaupt nicht klar.“ Zudem weist Wachholz darauf hin, dass der Flächenverbrauch für die Solarparks insgesamt verschwindend gering ist – „das sind ja mehrere Nullen hinter dem Komma, wenn man das misst“, so der Klimafachmann.

Auch das von vielen Solarpark-Gegnern vorgebrachte Argument der optischen Beeinträchtigung der Landschaft durch die Photovoltaik hält Wachholz nicht für stichhaltig: „Regionale Konflikte, etwa in Bayern, mag es durchaus geben, aber die hätte man ja auch durch Vorgaben in der Regionalplanung lösen können. Und wenn man eine Anlage vor Ort nicht will, gibt es ja immer noch das Instrument des Bebauungsplans, mit dem sich Projekte verhindern lassen. Da hat die Politik gekniffen, indem sie der Auseinandersetzung in den Regionen über die Frage, wo wir welche Energie produzieren, ausgewichen ist. Stattdessen haben sie den Ball einfach auf die Bundesebene gespielt.“ Der Nabu-Sprecher plädiert dafür, die bestehende Vergütungsregelung beizubehalten, denn: „Wir werden auf die Freiflächenanlagen energiepolitisch auf absehbare Zeit nicht verzichten können.“ Mit der geplanten Streichung der Vergütung für Solarparks steht nicht nur das Projekt auf den Flächen von Landwirt Pulz auf der Kippe. Bereits vom Tisch ist auch der 42-Megawatt-Solarpark, den Juwi in der Nähe von Cottbus geplant hatte.

Hoffen auf Korrekturen

Das Adelsgeschlecht Thurn und Taxis dagegen, das südlich von Straubing auf einer Fläche von 190 Hektar den mit 65 Megawatt größten Solarpark der Welt errichten will, hat sich noch nicht von seinen Photovoltaikplänen verabschiedet. Das Fürstenhaus hofft auf Korrekturen, wenn das Gesetz in den Bundestagsausschüssen diskutiert wird und den Bundesrat durchläuft. Vor allem die Frage nach dem Vertrauensschutz hält Thurn-und-Taxis-Generalbevollmächtigter Stephan Stehl für ungeklärt: „Die entscheidende Frage ist: Was ist der maßgebliche Zeitpunkt, ab dem der Vertrauensschutz gilt? Nach unserer Rechtsauffassung ist es nicht die Verabschiedung des Bebauungsplans, sondern der Aufstellungsbeschluss, einen solchen Bebauungsplan in Angriff zu nehmen. Zwischen diesen Zeitpunkten liegt in der Regel ein Jahr, und in dieser Zeit fallen die Kosten für die Planung an. Deshalb müsste der Gesetzgeber den Tag des Aufstellungsbeschlusses als Stichtag nehmen.“ Einen solchen Beschluss hat die Stadt Straubing bereits Ende letzten Jahres gefällt. Da das Fürstenhaus bereits 200.000 bis 300.000 Euro in das Projekt investiert hat, treibt es die Planung jetzt erst einmal weiter voran. „Ich gehe davon aus, dass der Gesetzgeber die Diskrepanz zwischen dem, was gesetzlich als Vertrauensschutz verankert ist, und dem, was er jetzt vorhat, sieht“, sagt Stehl. Einklagen will er das Recht aus Zeitgründen jedoch nicht: „Wenn Sie das gerichtlich durchsetzen wollen, haben wir das Jahr 2020“, so Stehl.

Doch selbst wenn es bei der Regelung bleibt, die die Bundesregierung jetzt verabschiedet hat – auch dann könnte die Familie Thurn und Taxis ihren Solarpark eines Tages bauen. Dann nämlich, wenn die Netzparität erreicht ist: „Wenn in absehbarer Zeit Solarenergie zu Marktpreisen produziert werden kann, wäre es möglich, die Baugenehmigung wieder aufleben zu lassen“, sagt Stehl. „Aber das ist nicht unser Vorhaben – wir wollen die Anlage noch dieses Jahr ans Netz bringen und in den Genuss der Einspeisevergütung kommen.“

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