Operation am offenen Herzen

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Ungefähr zur gleichen Zeit, als Karin Freier vom Bundesumweltministerium das Podium auf dem 25. Symposium Photovoltaische Solarenergie in Bad Staffelstein für ihren Vortrag betritt, macht das Kabinett in der Hauptstadt Nägel mit Köpfen. Es beschließt den Plan zu Kürzung der Photovoltaik-Vergütung als Vorlage für den Bundestag. Danach soll die Einspeisevergütung für Dachanlagen zum 1. Juli um 16 Prozent sinken. Die Vergütung für Freiflächenanlagen wird zwischen elf und fünfzehn Prozent abnehmen. Photovoltaik-Anlagen auf Ackerflächen bekommen gar keine Förderung mehr. Es gibt nur wenige, die in Staffelstein diese Entscheidung nachvollziehen können und es hagelt Vorwürfe, nach denen die Regierung der deutschen Photovoltaik-Industrie den Todesstoß versetzen würde. Der Protest ist also groß, als Freier diese Pläne nochmals verkündet. Sie selber nennte es „eine Operation am lebenden Patienten“ und meinte damit vermutlich eine Operation am offenen Herzen. Der Ausgang ist ungewiss.

Nachteile für europäische Hersteller

Die große Frage in diesen Tagen ist, ob und wie man mit dem EEG Industriepolitik machen kann. Europäische Hersteller sind momentan im Nachteil, da sie nach Auskunft von Winfried Hoffmann, Präsident des europäischen Photovoltaik-Industrieverbandes EPIA und CTO von Applied Materials, nur kurzfristige Kredite zu Zinsen im Bereich fünf bis sechs Prozent bekommen, wogegen chinesische Unternehmen sich Geld langfristig zu zwei Prozent Zinsen leihen könnten. Besonders problematisch sieht Günther Cramer, Vorsitzender des deutschen Solarverbandes BSW-Solar und Chef von SMA, dass auf den zusätzlichen Degressionsschritt jetzt bereits am 1. Januar die nächste Absenkung ansteht. „Die meisten produzierenden Unternehmen in Deutschland sind an der Börse und werden eine Schieflage nicht länger als zwei bis drei Monate aushalten“, sagt er. Die Unternehmen, die wegen der schnellen Änderungen ihrer wirtschaftlichen Grundlage scheitern, seien für immer verschwunden, auch wenn sie sich längerfristig anpassen könnten. „Wir haben die Technologie hier in Deutschland entwickelt und das war ein energiepolitischer Aspekt, aber auch ein industriepolitischer unter dem das in Deutschland gefördert worden ist“, sagt Cramer. „Jetzt, wo wir kurz davor sind, damit wirklich erfolgreich zu werden, lassen wir es aus kurzfristigen Erwägungen fallen.“

Demgegenüber sieht sich Freier hilflos. „Das sind Unterstützungen von Seiten der chinesischen Politik, mit denen können wir nicht mithalten“, sagt sie. Das EEG sei ein Markteinführungsinstrument für Technologien, die noch nicht wettbewerbsfähig sind. „Wir überfordern das EEG, wenn wir glauben, dass wir damit gleichzeitig die komplette Industriepolitik machen.“ Sie stellt die Frage, wie „wir das flankieren müssen“, um deutsche Unternehmen aus industriepolitisch zu unterstützen.

Änderungen noch möglich

Allerdings ist noch nicht gesagt, dass der Kabinettsbeschluss eins zu eins umgesetzt wird. Auch Freier gibt zu verstehen, dass die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen ist. Der Bundestag wird im Mai darüber beraten und die erneuerbaren Energien hätten inzwischen solche Größenordnungen erreicht, dass sich anders als früher nicht nur die für Umweltfragen zuständigen Abgeordneten mit dem EEG beschäftigen würden, sondern das gesamte Parlament. „Deshalb ist eine angemessene Meinungsbildung im Parlament ein gutes Instrument, um verschiedene Interessen einfließen zu lassen“, sagt sie.

Ein ausführlicher Bericht über das OTTI-Symposium wird auch in der kommenden Ausgabe der photovoltaik (04/2010) erscheinen. (Michael Fuhs)

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