Ohne Lizenz zum Löten

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Paul de Jong hat es geschafft: Er und sein Team haben eine Rückkontaktzelle entwickelt, die keinerlei Lötverbindungen benötigt. Stattdessen fließt der Strom durch Klebstoff und das bietet jede Menge Vorteile. „Kleben bedeutet für die empfindlichen Zellen weniger Stress“, sagt de Jong, Produktmanager beim Energieforschungszentrum der Niederlande (ECN). Denn anders als beim Löten müssen keine Temperaturen von über 200 Grad Celsius erreicht werden. Beim Kleben reichen bereits 150 Grad Celsius aus, damit das Material aushärtet. Trotzdem zeigen die Modulhersteller der Klebetechnik die kalte Schulter. „Die Industrie hält sich enorm zurück. Solange sie mit Löten klarkommen, gibt es für sie keinen Grund, etwas zu verändern“, sagt de Jong. Dabei könnten die geklebten Verbindungen ein weiterer Baustein für die lang ersehnte Netzparität sein.

Kleben ist die Zukunft

Nicht nur, dass die Entwickler von ECN die Leiterbahnen von der Zelloberfläche auf die Rückseite verlagert haben. Dadurch wird die Zelloberfläche weniger verschattet und der Wirkungsgrad des Rückkontakt-Moduls steigt um 0,3 Prozent. Der eigentliche Clou ist die Verwendung von leitendem Klebstoff auf der Rückseite. Er verbindet die Zellkontakte an über tausend Klebepunkten mit einer Folie, die von kupfernen Stromleitern durchzogen ist. Der Strom fließt durch den Kleber, genauso als wären die Kontakte gelötet, nur haben die Klebeverbindungen mehr Zukunftspotenzial. „Die reinen Herstellungskosten eines Moduls lassen sich mit der Klebetechnik auf einen Euro pro Watt senken“, ist de Jong überzeugt. Denn um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Zellen dünner und größer werden. Ebenso müssen Materialkosten gesenkt und Prozesse zusammengelegt werden. Und das alles bei gleicher oder gar höherer Effizienz. All diese Voraussetzungen ließen sich mit dem Leitkleber erfüllen. Da er bereits bei einer Temperatur von 150 Grad Celsius aushärtet, eignet er sich für die dünnen kristallinen Solarzellen, wie sie in Zukunft hergestellt werden sollen. Denn beim Löten dehnen sich Lot, Metallbändchen und Silizium unterschiedlich stark aus. Kühlt die Lötstelle ab, kommt es zu hohen mechanischen Spannungen im Material, die dünne Zellen verbiegen und Mikrorisse im Silizium verursachen. Spätestens wenn die Zelldicke unter 150 Mikrometer liegt, wird Löten problematisch. Geklebte Verbindungen sind hingegen auch nach dem Aushärten flexibel. Sie halten mechanischen Belastungen besser stand als starre Lötverbindungen. Kleben schont aber nicht nur die empfindlichen Zellen. Bei 150 Grad Celsius bringen die Modulhersteller auch die Verkapselungsfolie auf die Solarzellen auf und könnten die Module nun in einem Schritt kontaktieren und laminieren.

Hersteller sind skeptisch

Die Klebeverbindungen von ECN haben die gleichen standardisierten Tests bestanden, wie sie auch gelötete Module absolvieren müssen. Die Forscher setzten die Module 1.000 Stunden der Klimakammer aus, bei 85 Grad Celsius und 85-prozentiger Luftfeuchtigkeit. Zusätzlich mussten sie Temperaturwechsel von minus 45 bis plus 85 Grad Celsius sowie etliche Torturen bei Feuchte und Frost überstehen. Die Skepsis bei den Kunden aber bleibt. Denn es mangelt noch an Langzeit-Erfahrungen, vor allem im Bezug auf die Wettereinflüsse: „Unsere Außentests laufen seit zwei Jahren. Bis jetzt hat sich keine Verschlechterung gezeigt“, sagt de Jong über das geklebte Rückkontakt-Modul. Seine beschleunigten Alterungsversuche im Labor zeigten ebenfalls keinerlei Probleme, doch echte Langzeittests gibt es noch nicht. „1.000 Stunden im Labor sind eben keine 20 Jahre auf dem Dach“, erklärt Martin Fleuster, Direktor für Forschung und Entwicklung beim niederländischen Modulhersteller Solland Solar Cells BV. Er hat zusammen mit ECN das geklebte Rückkontakt-Modul entwickelt und ist überzeugt von der Stabilität der leitfähigen Kleber. Solland Solar produziert das neu entwickelte Modul sogar – allerdings nicht mit Leitkleber. Stattdessen werden die Zellen und die kupferne Leitfolie weiterhin verlötet. „In der momentanen Krise trauen sich die Kunden nicht, in eine neue Produktionstechnik zu investieren. Deswegen löten wir erst mal weiter“, sagt Fleuster. In drei Jahren will Solland Solar aber in einer Reihe von Outdoor-Tests beweisen, dass die Klebeverbindungen auch außerhalb des Labors ihre Versprechen halten und die ersten geklebten Module auf den Markt bringen. Andere können bei der Diskussion um die Langzeit-Tests nur den Kopf schütteln: „In der Dünnschichtproduktion wird schon seit 15 Jahren geklebt“, sagt Martin Kluke, Produktmanager beim Klebstoff-Hersteller Delo in Windach. Da die Module immer noch funktionieren, sei dies ja quasi schon der Langzeit-Test. Kritiker warnen aber davor, hier Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Denn bei Dünnschichtmodulen fließen kleinere Ströme durch die Kontakte, was die Klebeverbindungen weniger stark beanspruche. Zudem seien die Dünnschichtmodule und damit auch die Klebstoffe besser gegen eindringende Feuchtigkeit geschützt, als es bei kristallinen Modulen der Fall sei, und das verringere das Ausfallrisiko des Klebers.

Metallflocken leiten Strom

Klebstoff-Entwickler Kluke und sein Team mischen leitfähigen Kleber exakt nach Kundenvorstellungen an, für Dünnschicht- und für kristalline Module. Mit verschiedenen Rezepten kann er die Leitfähigkeit oder die Flexibilität im Klebstoff individuell anpassen. So lassen sich auch temperaturempfindliche Kunststoffe und flexible Solarzellen verbinden. Eine Zutat ist allerdings immer dabei: Metallflocken. Im Kleber sorgen sie dafür, dass der Strom fließt. Die Partikel können aus Kupfer sein, Gold oder Nickel. Meist ist es aber aufgrund der guten Leitfähigkeit Silber in Pulver- oder Flockenform. Schrumpft der Kleber beim Aushärten zusammen, überlappen sich die Metallflocken und bilden eine leitende Verbindung. Diese sogenannten Füllstoffe machen bis zu 80 Prozent der Klebemasse aus. Das macht den Kleber teuer, denn durch den wertvollen Rohstoff Silber kostet er mehr als herkömmliche Lötlegierungen. „Man hat zwar erst mal höhere Materialkosten, aber in der Gesamtrechnung können die Zellen dünner und damit preiswerter produziert werden“, rechnet Fleuster von Solland Solar vor. Zudem können Kleber umweltfreundlicher verarbeitet werden, da sie kein giftiges Blei enthalten wie die Legierungen zum Löten. Zwar hat die Europäische Gemeinschaft im Jahre 2006 festgelegt, dass bleihaltige Lote in Elektronikgeräten nicht mehr verwendet werden dürfen, um zu verhindern, dass die giftige Substanz beim Recycling in Boden und Gewässer gelangt. Doch in der Photovoltaik-Industrie gelten bisher noch Ausnahmen. Hier wird noch zu 95 Prozent mit bleihaltigen Legierungen gearbeitet. Der Grund: Lote ohne Blei haben einen höheren Schmelzpunkt von 220 Grad Celsius und das würde das Silizium zusätzlich strapazieren.

Aus der Tube oder von der Rolle

Die Klebetechnik kann nicht nur bei Dünnschicht- und Rückkontaktzellen genutzt werden, auch bei anderen kristallinen Modulen kann sie die Zellbändchen oder die Anschlussdose elektrisch verbinden. Der Chemiekonzern Henkel beispielsweise bietet einen Leitkleber an, der mit Hilfe einer Spritzdüse aufgetragen wird. Auf die so erzeugten Klebstoffraupen werden nun die Metallbänder der Busbars platziert und anschließend in einem Ofen bei 150 Grad Celsius ausgehärtet. Ein leitendes Klebeband von der Rolle gibt es beim Unternehmen 3M. Hier ist der Leitkleber nicht flüssig, sondern ein Klebeband, auf dem eine metallische Busbar-Folie bereits aufgebracht ist. Bisher wurde das Klebeband als Stromsammler bei Dünnschichtmodule verwendet, nun laufen erste Forschungen, wie das etwa 0,1 Millimeter dünne Klebeband auch kristalline Module verschalten kann.

Häufig wird an den leitfähigen Klebstoffen kritisiert, dass sie tiefgekühlt gelagert werden müssen. Doch für die Kühlung der Ein-Komponenten-Kleber reicht bereits eine handelsübliche Tiefkühltruhe mit minus 25 Grad Celsius aus. Will der Modulhersteller den Klebstoff auf die Zellen auftragen, taut er ihn auf und kann ihn nun zwei Tage verwenden, bis er bei Zimmertemperatur ausgehärtet ist. In der Produktion wird die Aushärtung bei 150 Grad Celsius im Ofen beschleunigt. Wer die gekühlte Lagerung scheut, kann auf Zwei-Komponenten-Kleber zurückgreifen. Solange er nicht zusammengemischt ist, kann er bei Zimmertemperatur gelagert werden. Erst wenn der Modulhersteller die beiden Komponenten kurz vor der Produktion zusammenbringt, fängt der Kleber an auszuhärten. „Viele denken, die Kühlung würde zusätzliche Kosten verursachen und entscheiden sich daher für einen Leitkleber mit zwei Komponenten. Doch wenn man den Kleber selbst zusammenmischt, kann jede Menge schiefgehen“, warnt Hendrikus Salemink, zuständig für die Mikro-Dosiertechnik bei der ACI-ecotec GmbH & Co. KG. Das Unternehmen aus dem Schwarzwald entwickelt Prozessanlagen, die den Klebstoff auf die Module auftragen.

Es scheitert an den Vorurteilen

Paul de Jong vom ECN gibt trotz der vielen Widerstände nicht auf. Das Forschungsinstitut produziert die geklebten Module nun auf einer Pilotlinie und will sie weiter testen. Im April erreichte das Entwicklerteam mit einem 120 Mikrometer dünnen Leitkleber-Modul einen Wirkungsgrad von 16,4 Prozent bezogen auf die aktive Zellfläche. Damit gehört es zu den weltweit effizientesten Modulen aus multikristallinem Silizium. Wann die Rückkontakt-Module auf den Markt kommen, hängt allerdings weiterhin von den Herstellern ab. „Es gibt ein großes Interesse am Klebeverfahren. In zwei Jahren könnte es die ersten Klebeverbindungen bei kristallinen Modulen geben“, beschreibt de Jong die momentane Situation.

Dass die elektrisch leitfähigen Kleber jede Menge Potenzial haben, steht vollkommen außer Frage. Sie könnten die Produktion von extrem dünnen und damit preiswerten kristallinen Modulen ermöglichen. Klebstoff-Hersteller Martin Kluke sieht beim Einsatz von Leitklebern nur eine Hürde: die Vorurteile bei den Konstrukteuren. „Erst wenn die abgebaut sind, kann sich die Klebetechnik als gleichwertiges und zuverlässiges Fügeverfahren etablieren.“

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