Versprechen und Drohungen

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Marco Bülow verkörpert nicht die ganze SPD. Er sitzt zwar als Abgeordneter für die Partei im deutschen Bundestag. Aber der umweltpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion hätte in Bezug auf erneuerbare Energien den Wählerinnen und Wöhlern gern ein mutigeres Programm für die Bundestagswahl vorgelegt. Doch so ist es nun mal. Je näher man der realen politischen Macht kommt, desto mehr unterschiedliche Interessen müssen berücksichtigt werden. Es könnten ja die entscheidenden Wähler sein, das Zünglein an der Waage. „Das ist immer ein Kompromiss. Gerade in einer Volkspartei“, sagt Bülow. Wenn man selbst regiere, dann gehe es eben um das, was machbar sei und nicht darum, was man sich erhoffe.

Klima- und Umweltschutz genießen bei den Sozialdemokraten mittlerweile hohe Priorität, da unterscheiden sich die generellen Aussagen im Wahlprogramm nicht von denen der anderen etablierten Parteien. „Weg vom Öl“ lautet die zentrale Forderung, hin zu erneuerbaren Energien. Im Jahr 2020 soll der Anteil des regenerativen Stroms 35 Prozent betragen, 2050 die Hälfte.

Für Marco Bülow ist das noch zu wenig: „Ein Punkt, den wir in das Programm reinhaben wollten, war die mittel- bis langfristige Komplettversorgung mit erneuerbarer Energie. Es muss auf 100 Prozent hinauslaufen. Da wird es noch Diskussionen geben. Aber allen ist bewusst, dass es dahin gehen muss.“ Das international vereinbarte Klimaschutzziel mit einer Verringerung der Kohlen-dioxid-Emission um 80 bis 95 Prozent bis 2050 gegenüber dem Stand von 1990 will die SPD erreichen, indem sie auf einen Energiemix setzt.

Sozialdemokraten im Wandel

„Wir werden einen Nationalen Aktionsplan Erneuerbare Energien vorlegen“, so die SPD in ihrem Wahlprogramm. Der soll den Ausbau der erneuerbaren Energien bei der Stromversorgung, im Wärmebereich und auf dem Transportsektor beschleunigen. Am EEG wollen die Sozialdemokraten festhalten und es sogar weiter ausbauen. Bei Gebäudesanierungen beispielsweise soll die Nutzung erneuerbarer Energien verpflichtend sein und gefördert werden. Für die Photovoltaik soll die Netzparität in Deutschland 2013 erreicht werden. Bülow glaubt, dass der Solarstrom „immer noch unterschätzt wird und am Ende eigentlich das größte Potenzial hat“.

Festhalten am Atomausstieg

Der komplette Atomausstieg bis 2021 bleibt unangetastet. „Eine Verlängerung der Laufzeiten würde dringend nötige Investitionen in neue Technologien verzögern“, heißt es im Wahlprogramm. Die Atomwirtschaft soll an den Kosten der Endlagerung „zusätzlich und angemessen“ beteiligt werden, das schließe auch die mögliche vollständige Räumung des Salzbergwerks Asse II ein.

Bei Kohle und Gas macht die Partei Kompromisse und denkt an Wirtschaft und Wählerklientel. Steinkohle sei zukunftsfähig, heißt es beispielsweise im Wahlprogramm. „Für einen bestimmten Zeitraum schon noch“, schränkt Marco Bülow ein, der ein Direktmandat aus dem Wahlkreis Dortmund hat. „Die SPD ist mehrheitlich der Auffassung, dass es eine Zeit lang noch Kohle geben muss,

also auch noch neue Kohlekraftwerke, die dann eine Laufzeit von rund vierzig Jahren haben.“

„Kohle gefährdet Erneuerbare“

Marco Bülow gibt zu, dass ein zu hoher Kohleanteil in der Zukunft den Ausbau der Erneuerbaren gefährden könnte. „Die Kohlekraftwerke, die jetzt in Planung sind, dürfen nicht alle ans Netz. Da haben die Grünen und die Linke recht.“ Außerdem müsse es Auflagen geben. „Da werden wir über jedes einzelne Kohlekraftwerk reden müssen“, erklärt Bülow. Für die Kohleverstromung fordert das Wahlprogramm einen 25-prozentigen Anteil Kraft-Wärmekopplung. Außerdem soll die Technologie zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid weiterentwickelt werden.

„Ich bin schon froh, dass wir das so weit hinbekommen haben“, so das Fazit von Marco Bülow zu den energiepolitischen Aspekten im SPD-Wahlprogramm. Aber er gibt sich keinen Illusionen hin. „Wenn wir davon nur zwei Drittel umsetzen, dann wäre das schon super.“

Union für Atomkraft

Einen Steinwurf von Bülows Büro entfernt hat auch Joachim Pfeiffer seinen Berliner Schreibtisch. Der Koordinator für Energiefragen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion liebt Klartext. Die jüngsten Zwischenfälle im Atommüll-Zwischenlager Asse II und im AKW Krümmel veranlassen ihn nicht zum Umdenken. „Selbstverständlich nicht. Was soll sich da geändert haben. Unsere Kernkraftwerke sind die sichersten der Welt, wir haben die höchsten Standards.“ Die CDU/CSU setzt sich für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ein und fordert, Gorleben als atomares Endlager weiter zu erkunden.

Kernenergie unverzichtbar

Die Kernenergie sei ein vorerst unverzichtbarer Teil in einem ausgewogenen Energiemix, heißt es folgerichtig im aktuellen Wahlprogramm der Union. „Wir sind die Einzigen, die das dann auch wirklich umsetzen. Na gut, die FDP vielleicht noch“, verkündet Joachim Pfeiffer. Das Bedenkliche: Man glaubt es ihm und fragt sich, wie schwer die Zwischenfälle und Probleme bei Kraftwerken und Lagerstätten noch werden müssen, bevor ein Umdenken einsetzt. Kernkraft und erneuerbare Energien sind für die Union kein Widerspruch, erklärt Pfeiffer. „Ich halte diese Diskussion für eine von vorvorgestern. Man muss die verschiedenen Vorteile der Energieträger zueinanderbringen.“

„Technologieoffen“ forschen

Die Union tritt für eine „technologieoffene“ Energieforschung ein. Dazu gehöre auch die Weiterentwicklung der Atomtechnik. Beim Energiemix setzt die CDU/CSU auch künftig außerdem auf Kohle. Die Union plädiert für eine schnelle Modernisierung konventioneller Kraftwerke und hofft auf die CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zur Abscheidung und Speicherung des dabei freiwerdenden Kohlendioxids. In diesem Punkt unterscheidet sie sich nicht so sehr von den Sozialdemokraten.

Die Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien sind bei der Union wesentlich bescheidener formuliert als in den Wahlprogrammen aller anderen Parteien. Der Anteil der erneuerbaren Energien solle demnach bis 2020 lediglich auf 20 Prozent ansteigen. Für einen weiteren Zeithorizont gibt es keine Aussagen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energienetze stoße allerdings auf zunehmende Akzeptanzprobleme, heißt es im Wahlprogramm. Hier wolle die Union Aufklärungsarbeit leisten. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz möchte die Partei in Zukunft auf jeden Fall „weiterentwickeln und an dem Ziel einer wirtschaftlichen und bedarfsgerechten Energieversorgung ausrichten“. 

Monitoring für das EEG

Das klingt erst mal recht abstrakt. Joachim Pfeiffer wird deutlicher. „Es ist ja bekannt, dass ich einer derjenigen war, die schon im vergangenen Jahr und davor gesagt haben, man müsste bei der Photovoltaik mit den Sätzen noch weiter nach unten gehen.“ So ist es aber nicht gekommen, und Christdemokrat Pfeiffer spart nicht an erneuter Kritik: „Nun tritt es ja auch ein, dass enorm viel installiert wird und wir Vergütungssätze haben, die weder dem Handwerk noch dem Einzelnen irgendetwas nützen, sondern die lediglich den Modulherstellern das Geld in die Kassen spülen. Und das leider noch zu 60 Prozent im Ausland.“

Aber diese Schlacht sei, so Joachim Pfeiffer, nun geschlagen. In Zukunft soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz nach dem Willen der Union von einem Monitoring begleitet und dann gegebenenfalls modifiziert werden. Aus Pfeiffers Mund klingt das eher wie eine Drohung.

SPD – Richtiger Nutzen kommt noch

Herr Bülow, welche Rolle spielt die Photovoltaik für die künftige Energieversorgung?

Marco Bülow (SPD): „Ich glaube, dass die Photovoltaik immer noch unterschätzt wird und dass wir eine starke Kostendiskussion hatten – und immer noch bei vielen haben. Sie sagen: Na ja, es ist ja ganz schick, sich Photovoltaik aufs Dach zu packen, aber in Deutschland bringt das ja nicht so viel. Ich dagegen glaube, dass sie immer noch unterschätzt wird und am Ende bei PV eigentlich das größte Potenzial da ist. Es wird natürlich dauern in der Entwicklung. Aber durch die Entwicklung, die es schon gab, haben wir Märkte geöffnet. Deshalb war das nicht nur eine Förderung, die dem Klimaschutz zugutekommt, sondern auch eine Förderung, die die Technik unglaublich vorangebracht hat – die uns einfach dann auch auf den Märkten stark macht und von daher eigentlich doppelt gerechtfertigt ist. Aber der richtige Nutzen für den Klimaschutz wird auf jeden Fall noch kommen, da ist schon noch ein riesiges Potenzial.“

CDU – Mehr herausholen

Herr Pfeiffer, welche Bedeutung kommt der Photovoltaik künftig zu?

Joachim Pfeiffer (CDU): „Was Photovoltaik insgesamt einmal betrifft, da wird die Bedeutung weltweit ansteigen. Das, was ich letztes Jahr in den ganzen Verhandlungen zum EEG schon gesagt habe, dass hier die Modulpreise um 20 bis 30 Prozent sinken können und dass wir deshalb die Tarife absenken können, das ist zum Teil noch stärker, noch dramatischer eingetreten. Das heißt, wenn man das jetzt mal volkswirtschaftlich betrachtet, könnten wir da noch viel mehr herausholen, auch heute in Deutschland. Bei der Photovoltaik sehe ich große Chancen bei der Gebäudeintegration: dass die Anlagen nicht aufs Dach installiert werden, sondern dass man das Dach praktisch ersetzt und die Module in die Fassaden integriert. Da sehe ich bedeutende Möglichkeiten, wo wir auch wieder mit neuen Produkten und Dienstleistungen und Entwicklungen ganz vorn mit dabei sein können. Denn wenn es darum geht, hier zu produzieren, da werden wir nicht immer an der Spitze sein können. Sondern wir werden in dem Bereich ständig neue Ideen entwickeln müssen, um marktführend zu sein.“

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