Interesse an Gröberem

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IT- und Elektronikfirmen entdecken massenweise die Solartechnik. Das ist zwar nichts völlig Neues, denn Hersteller wie Sharp oder Kyocera sind schon lange auf diesem Feld aktiv, weil man in Japan im Gegensatz zu den USA frühzeitig die Bedeutung der Solarbranche erkannte.

Doch jetzt scheint die Bewegung deutlich an Breite zu gewinnen. In letzter Zeit kamen Nachrichten über neue Deals Schlag auf Schlag: Ende Mai kaufte Bosch Ersol. Am 17. Juni investierte dann Intels Beteiligungstochter Intel Capital 50 Millionen Dollar in eine Solar-Ausgründung aus dem eigenen Entwicklungsbereich namens Spectrawatt, für neue Firmen und Ideen für kristalline Zellen. Weiter steckte Intel Capital im Juli 24 Millionen Euro in den deutschen CIGS-Spezialisten Sulfurcell. Der bisher eher glücklos operierende Speicherhersteller Qimonda, eine Abspaltung von Infineon, gab am 5. Mai bekannt, sich mit 51 Prozent an einer Solarzellfabrik in Portugal zu beteiligen, an der Centrosolar die restlichen Anteile hält. Der vorerst letzte Streich: Im September hat Conergy die Absicht bekannt gegeben, mit dem IT- und Elektronikkonzern LG Electronics ein strategisches Joint Venture zu gründen. LG will 75 Prozent einer Solarzellenfabrik in Frankfurt an der Oder übernehmen.

Dabei scheinen die IT- und Elektronikfirmen mehr zu können, als nur ihr Geld in einer boomenden Branche anzulegen. Sulfurcell-Geschäftsführer Nikolaus Mayer schätzt den neuen Investor Intel sehr, „weil das Unternehmen nicht nur Kapital bringt, sondern auch den Produktionsalltag kennt“. Auch Qimonda hofft anscheinend auf eine Zweitverwertung des Elektronik-Know-hows. „Wir nutzen so unsere Kernkompetenz in hochqualitativer Silizium-Massenfertigung, um eine neue Einkommensquelle zu schaffen“, begründet CEO Kin Wah Loh in einer Pressemeldung das Engagement.

Insofern klingen die Begründungen immer ähnlich. Solar plus IT scheint eine Win-Win-Situation zu sein. Auch LG verkündet in der Absichtserklärung, für eine führende Position im Photovoltaikmarkt ausreichend Know-how zu besitzen.

Solarforscher bei IBM

Wie groß technologische Überschneidungen sind, zeigt IBM mit seinen Forschungsprojekten zu Photovoltaik, in denen es sein IT-Know-how gleich direkt für mehrere Projekte nutzt.

In Mainz arbeitet eine zehnköpfige Gruppe an der Entwicklung von CIGS- (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid-)Dünnschichthalbleitern. Sie nutzt ihr Know-how aus der Steigerung der Rechengenauigkeit der Halbleiterchips. Sind dort nämlich die Elektronenströme nicht sauber getrennt, sondern „tunneln“ Elektronen durchs Material, wie sie wollen, arbeiten die Chips nicht mehr genau oder gar nicht, und ein ähnliches Problem besteht in Solarzellen. Lecks zwischen den Übergängen verschiedener Schichten lassen den Wirkungsgrad zusammenbrechen. Dagegen sollen Pufferschichten helfen, die etwa zwischen die aktiven Schichten und den metallischen Rückkontakt gelegt werden.

IBM bringt in diese Forschung ausreichend starke Rechner, Simulations- und Material-Know-how aus der Halbleiterforschung mit. Das ist „Computational Material Science, also die computergestützte Materialforschung“, erklärt Rainer Klaus Krause, Senior Technology Manager Support Halbleiterfertigung. „Wir modellieren am Rechner neue Halbleiterdesigns, Experimente folgen erst später.“ Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit fördert das Projekt mit 6,4 Millionen Euro. Mit dabei sind unter anderem die Universität Jena und das Helmholtz-Zetrum Berlin für Materialien und Energie (früher Hahn-Meitner-Institut). Aufgrund der Modellierungen wurden bereits erste Samples gebaut. Doch bis zur Massenfertigung dürfte es für solche Lösungen noch sehr weit sein.

In einem zweiten Projekt hat IBM die Fertigung der CIGS-Zellen auf dem Schirm und nutzt dazu sein Know-how aus der Galliumarsenid-gestützten Halbleitertechnik. IBM hat einen Prozess entwickelt, der ohne Vakuum auskommt und eine Effizienz von etwa 15 Prozent bieten soll. Seit Juli forscht die Firma auch mit dem japanischen Unternehmen Tokyo Ohka Kogyo daran.

Die CIGS-Forschung ist dabei kein Einzelbeispiel für den Wissenstransfer von IT- in die Solarbranche. So stand etwa die Kühlung von Elektronikchips Pate für ein neues Verfahren zur Kühlung von Konzentratorzellen. Dabei konzentrieren Linsen die Sonneneinstrahlung auf einer sehr kleinen Solarzellenfläche, die einen überaus hohen Wirkungsgrad hat. Das neue Verfahren führt die dabei entstehende Hitze nach IBM-Angaben so gut ab, dass bis zu 2.000-fache Konzentrationsgrade möglich sind. Statt 1.600 Grad ohne Kühlung würde die Zelle mit dem System nur 85 Grad warm.

Ein anderes Verfahren erlaubt sogar einen direkten Synergieeffekt zwischen IT- und Solarbranche. Elektronikchips, die nicht funktionieren, können nicht einfach zu neuen Elektronikchips recycelt werden, da der Ausschuss bereits mit Fremdatomen dotiert ist. Der Aufwand ist sehr hoch, sie so weit zu reinigen, dass sie die hohen Anforderungen für Elektronikwafer erreichen. Für Solarzellen reicht die Reinheit zwar aus, doch musste der Ausschuss bisher eingeschmolzen werden, um die bereits auf die Oberfläche gebrachte Struktur zu entfernen. Da das sehr viel Energie kostet, hat IBM nun ein sparsameres Laserverfahren entwickelt, das die oberste strukturierte Schicht abträgt. Das Potenzial sei groß. Täglich werden rund 250.000 Siliziumwafer verwendet, die Ausschussmenge davon liegt nach Schätzungen des Unternehmens bei etwa 3,3 Prozent.

Forschung und Investment ja, Solarplayer nein

Folgt aus dem Engagement, dass IT-Firmen zunehmend auch zu Solarfirmen werden? Bei LG ist das vorstellbar. Das Unternehmen hat die Solarbranche als einen der zukünftigen Kernmärkte definiert.

Allerdings steht es damit ziemlich alleine da. IBM will diesen Weg zumindest mittelfristig nicht gehen. Vielmehr plant die Firma, für neue photovoltaische Technologien Lizenzen zu vergeben. Und Intel will in technologiegetriebene Zukunftsmärkte vor allem investieren. Dass die Wahl dabei auf die Solarbranche fällt, liegt daran, dass man sich dort über einzelne Investitionen leichter ein Bild machen kann als in halbleiterfernen Branchen. „Man muss genau hinsehen“, sagt Heiko von Dewitz, bei Intel Capital EMEA verantwortlich für Halbleiter und Cleantech. So habe man das Produktionsverfahren von Sulfurcell detailliert auf seine Skalierbarkeit geprüft und für gut befunden, bevor man Geld in die Hand nahm.

Dass IT-Firmen großflächig auf die Solartechnik als zweites großes Standbein setzen würden, sieht auch Markus Höhner nicht, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens EuPD Research aus Köln. „Die Produktionsprozesse liegen dafür zu weit auseinander. Gemeinsam ist den Technologien der Rohstoff Silizium, das war’s“, sagt er und verweist auf unterschiedliche Strukturdimensionen und Produktionsprozesse: Während die Mikroelektronik sich heute bei ihren Strukturen durchweg im zweistelligen Nanometerbereich bewegt, geht es bei der Strukturierung von Solarwafern zumindest heute noch um weit gröbere Größenordnungen.

Davor, dass gerade der lebendige deutsche Solarmarkt von asiatischen oder amerikanischen Investoren „leergekauft“ werden könnte, hat Höhner übrigens keine Angst. Schließlich kämen wichtige Impulse gerade aus der Zulieferindustrie, wo Deutschland mit Herstellern wie Roth & Rau, Manz Automation oder Centrotherm besonders stark sei. Dazu komme die ausgebaute Forschungslandschaft. „Wir haben sehr aktive Forschungsverbünde. Es gibt sogar Forscher im Solarbereich, die aus den USA zurückkommen, um hier weiterzuarbeiten.“ Angst vor Auslandsinvestments sei also unangebracht – man darf demnach gespannt auf den nächsten Deal warten. Die gegenwärtige Finanzkrise dürfte dabei Konsolidierungstendenzen im Markt beschleunigen. 

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