„Das ist unser natürliches Einzugsgebiet“, sagt Helmut Godard. Der Deutsche mit dem französischen Namen ist Inhaber der Freiburger Solarfirma Energossa und meint das Elsass. Die elsässischen Kunden sitzen gerade einmal 20 Kilometer entfernt auf der anderen Rheinseite und werden, so steht zu erwarten, künftig deutlich mehr PV-Anlagen als bisher in Auftrag geben. Denn seit Juli 2006 gelten in Frankreich neue Einspeiseregelungen, die nach dem Modell des deutschen EEG gestaltet sind und je nach Art und Ort der Anlage eine Vergütung von 30 bis 55 Cent pro Kilowattstunde in Aussicht stellen.
Im Handwerk verspricht man sich entsprechend viel von der französischen Entwicklung. „Für uns ist der französische Markt ein absolutes Muss. Die Dynamik im Bereich der regenerativen Energien, insbesondere in den Regionen Elsass, Rhône-Alpes und Languedoc-Roussil lon, überrascht die Franzosen selbst, der Markt wird deutlich stärker und schneller wachsen als ursprünglich angenommen“, sagt Wolfram Seitz-Schüle, Geschäftsführer der Zukunftswerkstatt bei der Handwerkskammer Freiburg. Das Marktforschungsinstitut EuPD Research geht in einer Studie davon aus, dass sich der französische Photovoltaikmarkt bis 2010 gegenüber 2006 auf rund 153 Megawatt verzehnfachen wird.
Bürokratische Hürden
Trotz dieser rosigen Aussichten wird Energossa vorläufig keine Anlagen im Elsass bauen. Denn Helmut Godard hält die Rahmenbedingungen für deutsche Betriebe für ungünstig. Ihn stört vor allem, dass Bau und Inbetriebnahme von PV-Anlagen in Frankreich (noch) nicht so einfach vonstatten gehen wie hierzulande: „Zum einen brauchen Sie für die Errichtung eine Baugenehmigung, zum anderen muss die fertige Anlage vom Stromversorger genehmigt werden, was mehrere Monate dauern kann.“
„Mittelfristig wollen wir aber schon in Frankreich aktiv werden“, ergänzt Godards Kollege Peter Herrmann, der bei Energossa für den Vertrieb zuständig ist. Eile sei jedoch nicht geboten: „Frankreich ist für uns ganz sicher ein Zukunftsmarkt, aber die neue Regelung muss auch erst mal bei den Leuten ankommen. Außerdem sind die bürokratischen Hürden höher als bei uns.“ Zu diesen bürokratischen Hürden zählt insbesondere eine zehnjährige Versicherung für Gewährleistungsansprüche, die „assurance responsabilité civile décennale“, auch kurz „garantie décennale“ genannt. Diese in Deutschland unbekannte Versicherung ist für alle in Frankreich tätigen Bauhandwerksbetriebe obligatorisch, für ausländische Betriebe in der Regel aber nur schwer oder zu ungünstigen Bedingungen zu erhalten. „Nach meinen Informationen gibt es zurzeit überhaupt nur eine französische Versicherungsgesellschaft, die bereit ist, deutsche Baubetriebe zu versichern“, sagt die EU-Beraterin der Handwerkskammer Freiburg, Brigitte Pertschy. „Allerdings versichert diese Gesellschaft keine Bauleistungen im Bereich erneuerbare Energien, so dass deutsche Solarbetriebe keine Chance auf eine Police haben.“
Abgesehen davon, dass die garantie décennale eine gesetzliche Pflichtversicherung ist, wird sie auch für die Aufnahme eines Fachbetriebs in die landesweiten Anbieterlisten für Solarthermie- und Photovoltaikanlagen „Qualisol“ und „QualiPV“ verlangt. Die Eintragung eines Betriebs auf einer dieser Listen bildet wiederum die Voraussetzung dafür, dass ein Auftraggeber regionale Fördermittel für sein Solarprojekt erhält. Ausländische Betriebe, die – wie vielfach praktiziert – ohne Versicherung tätig werden, verstoßen somit nicht nur gegen geltendes Recht, sondern sind auch auf dem Markt benachteiligt, da ihre Kunden diese Fördermittel verlieren.
Politische Lösung nicht in Sicht
Eine Blockadestrategie gegenüber der deutschen Konkurrenz mag Brigitte Pertschy trotz alledem nicht erkennen, auch wenn die Regelung „völlig gegen das europäische Recht“ gerichtet sei. Man könne private Versicherungsunternehmen nun mal nicht zwingen, solche Policen anzubieten, zumal diese aufgrund ihrer hohen Risiken bei den Assekuranzen unbeliebt seien. Zudem seien nicht nur deutsche, sondern auch andere ausländische und sogar einheimische Betriebe betroffen: „Das ist auch ein erhebliches Problem in Frankreich selbst.“ Von Seiten der Handwerkskammern habe man bereits verschiedene Vorstöße unternommen, um zu einer politischen Lösung zu kommen, zum Beispiel über das baden-württembergische Wirtschaftsministerium, über das Bundeswirtschaftsministerium und über Abgeordnete des EU-Parlaments. Direkte Kontaktversuche mit den französischen Institutionen seien hingegen nicht erfolgreich gewesen: „Wir haben nicht einmal eine Antwort erhalten.“ Pertschy hofft nun darauf, dass sich auf höherer politischer Ebene Fortschritte erzielen lassen.
Das kann allerdings dauern. Welche Möglichkeiten haben deutsche Solarbetriebe bis dahin, legal Aufträge in Frankreich auszuführen? Ein möglicher, aber steiniger Weg ist der Anruf einer staatlichen Vermittlungsinstanz, des Bureau Central de Tarification (BCT) in Paris. Das BCT wird allerdings erst dann tätig, wenn man sich zuvor erfolglos an eine oder mehrere französische Versicherungsgesellschaften gewandt hat, die den Antrag entweder abgelehnt oder binnen einer Frist von 45 Tagen nicht beantwortet haben. Das Verfahren dauert in der Regel mehrere Monate; am Ende wird ein Versicherungsunternehmen verpflichtet, den Antragsteller zu bestimmten Konditionen aufzunehmen, die jedoch für den Antragsteller nicht unbedingt attraktiv sein müssen. „Die Mindestprämie liegt bei 10.000 Euro pro Projekt“, sagt Pertschy.
Bei dieser Prämienhöhe kann auch ein eigentlich lohnender Auftrag schnell unrentabel werden. Abgesehen davon spielt die Höhe der Prämie nach mehreren Monaten Wartezeit in den meisten Fällen keine Rolle mehr, da der Kunde samt Auftrag in der Zwischenzeit längst über alle Berge ist. Eine Alternative wäre eine projektunabhängige Absicherung in Form einer Jahrespauschale, wie sie bei französischen Betrieben die Regel ist. Diese lohnt sich jedoch für ausländische Betriebe, die nur hin und wieder ein Projekt in Frankreich abwickeln, in der Regel nicht.
Sinnvoller, als den Beschwerdeweg zu gehen, ist es, entweder eine eigene Niederlassung in Frankreich zu eröffnen oder sich einen Partnerbetrieb jenseits der Grenze zu suchen und als dessen Subunternehmer tätig zu werden. Subunternehmer müssen nämlich keine eigene garantie décennale abschließen. So macht es zum Beispiel Hans-Georg Metzger, Inhaber eines im nordbadischen Willstätt angesiedelten SHK-Betriebs, der auch im Bereich Photovoltaik tätig ist. Als Innungsobermeister pflegt er gute Kontakte zu seinen Kollegen im 15 Kilometer entfernten Straßburg. „Bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten helfen sich die Innungsbetriebe gegenseitig“, sagt Metzger. „Ich habe noch keinen Auftrag verloren.“ Metzger bildet projektbezogene Kooperationen mit französischen Betrieben, eine eigene Niederlassung in Frankreich zu eröffnen käme für ihn wegen des großen bürokratischen Aufwands allerdings nicht in Frage.
Die Suche nach geeigneten Partnern empfiehlt auch Christophe Moschberger von der regionalen Clusterinitative Alsace énergivie. Die Errichtung „künstlicher Barrieren“ sei nicht im Sinne einer erfolg reichen Entwicklung der Photovoltaik in der Region: „Alsace énergivie richtet sich ausdrücklich auch an deutsche Betriebe.“ So sind auf der 2. Energivie-Fachmesse
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