Phenogy nimmt in Bremen Europas größte Natrium-Ionen-Batterie in Betrieb

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von ESS News

Das Schweizer Unternehmen Phenogy hat am Mittwoch sein erstes kommerzielles Projekt vorgestellt – die bislang größte Natrium-Ionen-Batterie Europas.

Das auf einer Gewerbefläche nahe des Flughafens Bremen installierte Ein-Container-System  liefert 400 Kilowatt Leistung. Die Speicherkapazität beträgt fast eine Megawattstunde. Die Batterie ist mit einer bestehenden 50-Kilowatt-Photovoltaik-Anlage gekoppelt und wird derzeit im Inselbetrieb betrieben. Sie optimiert den lokalen Energieverbrauch und versorgt zugleich Ladepunkte für Elektrofahrzeuge mit Strom.

Eine der größten Herausforderungen beim großflächigen Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien ist aufgrund des im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Systemen größeren Spannungsbereichs die Kompatibilität der Wechselrichter. Daher war die Wahl der Wechselrichter-Technologie von entscheidender Bedeutung.

Phenogy hat acht Sunny Island X 50-Wechselrichter von SMA in den 20-Fuß-Container integriert. Diese Wechselrichter wurden für Anwendungen entwickelt, die über die weit verbreitete Lithium-Eisenphosphat-Chemie (LFP) hinausgehen. Sie verfügen über einen integrierten DC-DC-Wandler, der eine größere Flexibilität bei der Spannungsanpassung ermöglicht. SMA hat für die Bremer Batterie Vorseriengeräte des Sunny Island X 50 zur Verfügung gestellt. Damit handelt es sich um eine der ersten Installationen des neuen SMA-Produkts.

Dem Hersteller zufolge ist sein Phenogy 1.0-System für eine Vielzahl von Anwendungen konzipiert – unter anderem in Industrie, Gewerbe, Stromnetz, kritischer Infrastruktur und für Ladestationen. Detaillierte technische Spezifikationen hat das Unternehmen allerdings noch nicht veröffentlicht.

China ist Europa bei Natrium-Batterien weit voraus

In den letzten Jahren haben sich Natrium-Ionen-Batterien zu einer starken Konkurrenz für die Lithium-Ionen-Technologie entwickelt. Obwohl sie aufgrund der reichlichen Verfügbarkeit von Natrium und der relativ geringen Förderkosten oft als kostengünstigere und nachhaltigere Alternative eingestuft werden, muss diese Technologie allerdings noch einige Hürden überwinden, bevor sie für den Massenmarkt geeignet ist.

China ist derzeit führend – sowohl in der Technologieentwicklung, angetrieben von Unternehmen wie CATL, BYD und Huawei, als auch in der Umsetzung mit Projekten im 100-Megawatt-Maßstab und mehreren Hybridsystemen, die Natrium-Ionen mit Lithium-Ionen und sogar netzbildenden Wechselrichtern kombinieren.

„Es wäre ein strategischer Fehler, heute in Europa in die großtechnische LFP-Produktion zu investieren und aufgrund des Imports von Vorprodukten weiterhin von China abhängig zu bleiben“, sagt Max Kory, CTO von Phenogy, in einem Interview mit ESS News, der Speichernews-Plattform von pv magazine. „Die Lithiumpreise werden wieder steigen – mit der Schließung von Minen in China nähert sich der Markt einem Kipppunkt. Mit steigenden Preisen werden alternative Chemikalien attraktiver. Natrium-Ionen sind der beste Kandidat für den Aufbau lokaler Lieferketten in Europa und Nordamerika.“

Natrium und andere für die Technologie zentrale Materialien sind weit verbreitet. Entscheidend ist Kory zufolge, eine lokale Produktion von Kathoden- und Anodenmaterialien zu etablieren, insbesondere von Hartkohlenstoff. Das Material kann aus landwirtschaftlichen Abfällen wie Nussschalen, Zellulose und Bananenschalen synthetisiert werden.

„Solange dies nicht geschieht, wird es schwierig sein, eine vollständig vertikal integrierte Produktionsbasis für Natrium-Ionen-Batterien in Europa aufzubauen“, sagt der Phenogy-Manager. „Die Erfahrungen von Northvolt in Europa und Natron Energy in den USA zeigen, dass es schwierig ist, dies alleine zu schaffen. Die Ausschussraten bei der Batterieproduktion können hoch sein und ein Unternehmen schnell ruinieren.“ Trotz dieser Herausforderungen sei Phenogy entschlossen, ein vollständig integrierter Hersteller zu werden.

Unabhängigkeit in der Lieferkette

„Um eine echte strategische Wirkung zu erzielen, brauchen wir vertikale Integration“, sagt Kory. „In den USA sehen wir einen viel stärkeren Drang nach Unabhängigkeit in der Lieferkette. Dort kommt es auch häufiger zu Stromausfällen. Dazu kommt, dass der Strombedarf aufgrund der wachsenden Zahl an Rechenzentren steigt. Aus diesem Grund haben wir auch einen Standort in South Carolina gegründet.“

Auch wenn die Nachfrage nach Natrium-Ionen-Batterien auf dem Massenmarkt noch nicht so groß ist, setzt Phenogy auf die intrinsischen Vorteile dieser Technologie, um sich durchzusetzen. Dazu gehören eine größere Temperaturtoleranz und eine ordentliche Energiedichte – laut Kory „derzeit noch etwas unter LFP“.

Derzeit sind Natrium-Ionen-Systeme zwar noch teurer als LFP. Aber Phenogy sieht strategische Käufer auf dem Markt. „Für mehr und mehr Kunden sind Technologieentscheidungen strategische Entscheidungen und nicht rein wirtschaftliche“, sagt Kory. „Das Produkt muss nicht unbedingt billiger sein. In einer Welt mit volatilen Rohstoffpreisen und steigenden geopolitischen Risiken ist die Unabhängigkeit der Lieferkette entscheidend.“

Phenogy wurde 2019 gegründet und beschäftigt rund 60 Mitarbeiter in Europa und den USA. Zu seinem Partnernetzwerk gehören die University of South Carolina in Columbia, die Exentis Group AG, ein Spezialist für industrielle additive Fertigung, und mehrere Fraunhofer-Institute.

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