Der Energiewende-Monitoringbericht und zehn kaum nachvollziehbare Schlüsselmaßnahmen

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Auf 259 Seiten hat das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln gemeinsam mit BET Consulting dem vom Bundeswirtschaftsministerium angeforderten Energie-Monitoringbericht in dieser Woche veröffentlicht. Die DGS bezieht dazu folgendermaßen Stellung:

1) Der Monitoringbericht benennt Erfolge der bisherigen Energiewende und macht deutlich, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien zur Erreichung der gesetzlichen Klimaziele sowohl möglich als auch unerlässlich ist. Das begrüßen wir.

2) Der Bericht zeigt weiterhin auf, dass aktuelle Entwicklungen zum Beispiel beim Stromverbrauch und bei der Wasserstoffnachfrage nicht „auf Klimakurs“ sind. „Diese Diskrepanz zeigt die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen, um das Klimaziel zu erreichen“ – so der Bericht. Diese unmissverständliche Forderung an die Politik begrüßen wir.

3) Es freut uns sehr, dass gemäß dem Bericht die Photovoltaik nach den untersuchten Szenarien das EEG-Ziel für 2030 von 215 Gigawatt erreichen wird, „allerdings nur bei keinen grundlegenden Änderungen in den Umsetzungsvoraussetzungen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, so der Monitoringbericht.

Nachdem das Ministerium betont, am 80 Prozent-Ziel der erneuerbaren Stromerzeugung festzuhalten, müsste damit eine geäußerte Abschaffung oder Änderung der Einspeisevergütung vom Tisch sein, das sollte von Ministerin Reiche jetzt auch klar eingeräumt werden.

4) Der Bericht legt an einigen Stellen den Finger in die politische Wunde: Unsicherheit zum kommenden Stromverbrauch bei Wasserstofferzeugung und Rechenzentren gibt es, weil wirtschaftspolitisch nicht klar ist, wohin sich Deutschland entwickeln soll. Hier ein klares Konzept auf den Tisch zu legen, ist Aufgabe des Wirtschaftsministeriums.

5) Ebenso wird auf komplexe Planungsverfahren und die verzögerte Umsetzung von RED III hingewiesen. Auch hier liegen politische Aufgaben vor, die die Energiewende günstiger machen können und müssen, was der Monitoringbericht klar aufzeigt.

6) Die Komplexität wird auch hinsichtlich der Netzbetreiber beschrieben: Unterschiedliche Anforderungen der Netzbetreiber und vor allem eine mangelnde Digitalisierung verteuern die Energiewende. Hier muss rasch politisch angesetzt werden, damit können Kosten sowohl für den Staat als auch die Verbraucher eingespart werden.

7) Die Studienautoren schreiben: „Die Erhöhung von Flexibilitäten bleibt unabhängig von der Nachfrageentwicklung zentral“. Auch das findet unsere Zustimmung.

Ein Fazit zum Monitoringbericht

Der Monitoringbericht stellt für uns im Wesentlichen eine gute Grundlage für die Diskussion der zukünftigen Gestaltung der Energiewende dar. Dabei muss im Auge behalten werden, dass der Monitoringbericht nur sechs Einzelthemen betrachtet hat und keine Untersuchung der Gesamtheit der Energiewirtschaft.

Jedoch: Gemeinsam mit der Studie hat Ministerin Reiche in dieser Woche auch eine Liste von zehn Schlüsselmaßnahmen veröffentlicht, die jedoch nicht aus dem Monitoringbericht abgeleitet sind, sondern diesem sogar in wesentlichen Punkten widersprechen. Dies haben wir im Folgenden zusammengefasst.

Widersprüche zwischen Monitoringbericht und den zehn Schlüsselmaßnahmen des BMWE

Widerspruch 1: In der Einleitung der zehn Punkte wird betont, dass wir schon heute zeitweise mehr erneuerbaren Strom haben als benötigt – und daher der Ausbau begrenzt werden müsse. Der Monitoringbericht sagt dagegen deutlich: „Selbst bei unterstellter geringerer Geschwindigkeit des Anstiegs des Brutto-Stromverbrauchs bleibt ein hohes Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren zur Erreichung klimapolitischer Ziele notwendig.“

Widerspruch 2: In der ersten Schlüsselmaßnahme („Ehrliche Bedarfsermittlung und Planungsrealismus“) wird das Motto ausgegeben: Wir bauen nur so viel zu, wie tatsächlich notwendig und ökonomisch effizient. Auch das widerspricht dem Monitoringbericht, der hierzu eine andere Haltung anmahnt: „Der Ausbau der erneuerbaren Energieanlagen ist weiterhin in hohem Umfang notwendig, um die Klimaziele zu erreichen“. Nebenbei: Die aktuellen Klimaziele sind nicht „nice-to-have“, sondern gesetzliche Festlegungen, die eingehalten werden müssen, was auch das Bundesverfassungsgericht klar bestätigt hat. Der Monitoringbericht untersucht interessanterweise zwei Szenarien: Die „explorativen“ Szenarien verfehlen allesamt die Klimaziele. Man könnte das auch bezeichnen wie der Energieexperte Jakob Schlandt in seiner Bewertung: „rechtswidrig“.

Widerspruch 3: In der zweiten Schlüsselmaßnahme geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) auf die zukünftige Förderung ein: Abschaffung der festen Einspeisevergütung und Verpflichtung zur Direktvermarktung bei Neuanlagen wird gefordert.

Außer der Tatsache, dass die großen Photovoltaik-Leistungen (mit Anlagenleistung über 100 Kilowatt) auch heute schon in der Direktvermarktung sind, stehen auch diese Forderungen im Widerspruch zum Monitoringbericht. Dort heißt es wörtlich, dass das EEG-Ziel bei Photovoltaik „bei keinen grundlegenden Änderungen in den Umsetzungsvoraussetzungen wie Flächenverfügbarkeit oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ erreicht werden kann.

Wie eine Abschaffung der Vergütung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erhalten soll, ist eines von diversen Geheimnissen von Frau Ministerin Reiche.

Widerspruch 4: Unter der vierten Schlüsselmaßnahme mit dem Titel „technologieoffene Kapazitätsmärkte“ werden die neuen geplanten Gaskraftwerke explizit priorisiert, deren Kosten werden hier nicht erwähnt. „Ziel ist dabei die Optimierung der Anreize für die kosteneffiziente Bereitstellung gesicherter Leistung“. Dagegen ein Zitat aus dem Monitoringbericht: „Insbesondere der signifikante marktgetriebene Zubau von Gaskraftwerken [..] scheint ohne sonstige Anreize angesichts politischer und regulatorischer Unsicherheiten fraglich.

Widerspruch 5: An vielen Stellen in den Maßnahmen der Regierung soll mehr Markt in den Energiebereich gebracht werden – doch nicht konsequent: Beim weiteren Rollout der Smart Meter soll das Gegenteil erfolgen: Der Wettbewerb mit wettbewerblichen Messstellenbetreibern soll ausgehebelt werden, der Rollout soll in den Monopolen der grundzuständigen Messstellenbetreiber weitergeführt werden. Auch hier fordert der Monitoringbericht das Gegenteil: „Gleiche Wettbewerbsbedingungen für grundzuständige und wettbewerbliche Messstellenbetreiber beschleunigen den Rollout“, so der Monitoringbericht.

Widerspruch 6: „Alle Fördermaßnahmen und Subventionen werden auf ihren volkswirtschaftlichen Nutzen hin überprüft und auf das unbedingt nötige Maß reduziert“ – so die Einleitung der siebten Schlüsselmaßnahme.

Der Widerspruch: Das soll offensichtlich nicht gelten für den Ausbau des Wasserstoffs, die neuen Gaskraftwerke und viele andere Maßnahmen, zu denen die Kosten weder bekannt noch abgeschätzt sind. Es ist aber zu befürchten, dass damit die Axt an die Einspeisevergütung bei den erneuerbaren Energien angelegt werden soll. Dagegen schlägt der Monitoringbericht Anreize zur Flexibilisierung und Änderungen beim Netzausbau vor, um Kosten einzusparen.

Widerspruch 7: Die Schlüsselmaßnahme 8 beschreibt den Bedarf an Forschung und Entwicklung, der im Grundsatz unstrittig ist. Hier werden tatsächlich aber nur sämtliche umstrittenen Techniken von Kernfusion, Wasserstoff bis zu CCS genannt. Kein Wort findet sich darin zum Entwicklungsbedarf bei Stromnetzen, Flexibilitäten oder den erneuerbaren Energien.

Der Widerspruch: Im Monitoringbericht werden Beispiele für fehlende Forschung erwähnt, dort steht zum Beispiel: „Die Abschätzung von Effekten der Erneuerbare-Energien-Überbauung auf das Übertragungsnetz bedarf weiterer Forschungsarbeiten“. Auch für die Finanzierungskonzepte von Speichern besteht aus Sicht des Berichts weiterer Forschungsbedarf. Gerade hier wird die politische Einseitigkeit der Bewertung pro fossile Energieversorgung und gegen die notwendige Energiewende durch das BMWE nochmals deutlich.

Widerspruch 8: Die neunte Schlüsselmaßnahme des Ministeriums will den Wasserstoffhochlauf pragmatisch machen und dabei den grünen Wasserstoff durch andere H2-Farben ersetzen. Dagegen schlägt der Monitoringbericht klar Maßnahmen vor, mit denen erneuerbarer Wasserstoff günstiger werden kann: Unter anderem werden dabei die Absenkung von Baukostenzuschüssen und Netzentgelten genannt.

Widerspruch 9: In der zehnten und letzten Schlüsselmaßnahme wird die Etablierung von CCS als Klimaschutzmaßnahme angeführt. Hier werden der Industrie Investitionshilfen und Infrastrukturförderung versprochen (Vergleich Widerspruch 6!). Eine Ableitung aus dem Monitoringbericht ist dies in keinster Art und Weise.

Zitat Monitoringbericht: „Nicht alle Themen der energiepolitischen Diskussion sind explizit Teil dieses Gutachtens [..] Dazu gehören u. a.:  [..] Carbon Management (Carbon Capture and Use (CCU) sowie Carbon Capture and Storage (CCS)) und CO₂-Infrastruktur“.

Zudem reden wir hier von Techniken, die den Beweis einer großflächigen Einsatzfähigkeit weiterhin schuldig sind, die entsprechenden Risiken müssten dem BMWE bekannt sein.

Widerspruch 10: Das Thema “Speicher” taucht in den Schlüsselmaßnahmen nur in Aufzählungen kurz auf, an keiner Stelle wird auf die Chancen der Problemlösung durch Batteriespeicher eingegangen. Anders der Monitoringbericht: „Haushaltsnahe Flexibilitäten und Großbatterien tragen offenbar zur Versorgungssicherheit bei, ihr genauer Einfluss [..] ist jedoch mangels veröffentlichter Daten nicht quantifizierbar.“

Hier wird aus unserer Sicht viel Potential (für Versorgungssicherung und bei den Kosten) verschenkt. Gerade mit Blick auf die rasanten Entwicklungen in den Speichertechnologien müssen diese vom BMWE schon allein aufgrund ihrer wirtschaftlichen Zukunft in den Blick genommen werden – hier drängt sich der Verdacht auf, dass nicht nur unsere klimatische Zukunft, sondern auch unsere Wettbewerbsfähigkeit der Hightech für unklare (fossile?) Interessen aufs Spiel gesetzt werden sollen.

Unser Fazit zu den zehn Schlüsselmaßnahmen

Aus unserer Sicht haben die zehn veröffentlichen Schlüsselmaßnahmen des BMWE nur wenig mit den Ergebnissen des Monitoringberichts zu tun, in einigen Bereichen stehen sie sogar in klarem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Gutachter.

Vor übereilten politischen Beschlüssen und Förderung von fragwürdigen Technologien sowie weiterer Verunsicherung von Investoren sollte aus unserer Sicht jetzt eine echte Diskussion über die Ergebnisse des Monitoringberichts stehen und ein inhaltlicher und sachlich orientierter Austausch über die Chancen und Wege, die zur erfolgreichen Fortsetzung der Energiewende im Bericht aufgezeigt wurden.

Dazu muss jetzt Zeit sein, die DGS wird sich in diese Diskussion gerne einbringen. Einige Aspekte zur aktuellen Energiepolitik haben wir auch vor kurzem in einem offenen Brief an Frau Ministerin Reiche adressiert.

Die jetzt vorgelegten zehn Schlüsselmaßnahmen sind aus unserer Sicht nicht geeignet, um die Klimaziele zu erreichen, die Kosten zu senken und die Versorgungssicherheit zu sichern. Dagegen hat der Monitoringbericht selbst zahlreiche konkrete Vorschläge gemacht, die direkt positive Auswirkungen auf diese Ziele haben können, ein Großteil davon könnte schnell vom BMWE gesetzlich auf den Weg gebracht werden. Und in aller Deutlichkeit: Die Senkung oder Abschaffung von Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien gehört definitiv nicht zu den erfolgversprechenden Maßnahmen.

Jörg Sutter, DGS, Photovoltaik-Experte—– Der Autor Jörg Sutter ist seit vielen Jahren als Photovoltaik-Experte für die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) e.V. tätig. Zu den Aufgaben des Diplom-Physikers gehören Vorträge, Schulungen und die Erarbeitung von Stellungnahmen. Er verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung im Fachgebiet Photovoltaik und ist auch als freiberuflicher Dozent im Bereich Schulungen in den Themenfeldern Photovoltaik, Batteriespeicher und Elektromobilität tätig. —–

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