Das Prinzip von Mieterstrom ist nicht neu und, oberflächlich betrachtet, erst einmal simpel: Auf dem Dach eines Mietshauses wird Solarstrom erzeugt, der anschließend direkt an die Mieter verkauft wird. Trotzdem sind bislang lediglich 0,3 Prozent der Mietshäuser mit Mieterstromlösungen ausgestattet. Eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt, dass bis zu 14,3 Millionen der insgesamt 19 Millionen Mieterhaushalte in Mehrfamilienhäusern in 1,9 Millionen Gebäuden von Mieterstromangeboten profitieren könnten.
Doch bleibt dieses Potenzial noch großflächig ungenutzt. Das hat mehrere Gründe.
Attraktiv, aber noch nicht einfach genug
Die EEG-Novelle im Jahr 2023 hat Mieterstrom wirtschaftlich attraktiver gemacht. Sowohl private Vermieter, die den Wert ihrer Immobilie steigern wollen, als auch Wohnungsbaugenossenschaften und Eigentümergemeinschaften, die ihren Mietern oder für Eigennutzung günstigeren Strom bieten wollen, können von dem Modell profitieren. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Mieterstromlösungen nur gelingen, wenn sie vor allem eines sind: einfach.
Momentan sind die rechtlichen, steuerlichen und technischen Anforderungen noch zu komplex und behindern den Zugang zu günstigem Strom.
Steuerliche Stolperfallen
Vermieter, die ihren Mietern Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage verkaufen, werden zu Stromversorgern – in Deutschland eine gewerbliche Tätigkeit. Gleichzeitig erzielen sie durch Vermietung und Verpachtung steuerfreie Einnahmen. Ohne sorgfältige Planung droht eine sogenannte Gewerbesteuerinfektion, bei der die gewerbliche Tätigkeit auf die steuerfreie Vermietung überschwappt. Das bedeutet, dass auch für Mieteinnahmen plötzlich Gewerbesteuer fällig wird.
Was viele allerdings nicht wissen: Bei fachgerechter Umsetzung eines Mieterstromprojekts sind die Einnahmen frei von Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Ergänzt wird dies durch die auf 20 Jahre zugesicherte Mieterstromförderung für Vermieter und Hauseigentümer.
Bedarf an modernen Zählern
Für den Betrieb von Mieterstromanlagen braucht es die entsprechende Technik. Derzeit sind Netzbetreiber aber noch nicht gesetzlich verpflichtet, moderne Zähler mit Gateway (Smart Meter) flächendeckend zu installieren. Einfache moderne Messeinrichtungen (MME) reichen aktuell aus. Doch für eine effiziente Nutzung ist ein intelligentes Messsystem notwendig. Die Echtzeitdaten sorgen dafür, dass der Strompreis stets optimal gestaltet werden kann – ein wichtiger Vorteil für Mieter und Betreiber.
In diesem Zusammenhang könnte ein wettbewerblicher Messstellenbetreiber eine wichtige Rolle spielen, indem er als unabhängiger Anbieter die Installation und den Betrieb intelligenter Messsysteme (iMSys) übernimmt.
Flickenteppich Netzkommunikation
Die Netzkommunikation ist bis heute nicht ausgereift. So sind die Schnittstellen, über die Betreiber mit Netzbetreibern kommunizieren, bundesweit nicht einheitlich geregelt. Jeder Netzbetreiber nutzt eigene Standards, was Zeit und Ressourcen bei der Umsetzung kostet. Im Sinne der Effizienz müssen Lösungen gefunden werden, um die Prozesse zu vereinheitlichen und zu verschlanken.
Technisches Know-how als Voraussetzung
Jedes Haus ist individuell, und das zeigt sich auch bei der Planung einer Photovoltaik-Anlage. Aspekte wie Kabelwege, die Netzform und der Netzanschluss müssen für eine saubere Umsetzung schon vorher intensiv in die Planung miteinbezogen werden, um spätere Verzögerungen bei Montage oder Genehmigungen zu vermeiden.
Zusätzlich zur Messtellen-Konzeptionierung und der, im Betrieb wichtigen, Abrechnungssoftware kann diese Aufgabe von so gut wie keinem Standard-Photovoltaik-Installateur, Elektriker oder Softwaredienstleister aus einer Hand abgewickelt werden.
Wer frühzeitig die Gegebenheiten vor Ort analysiert, kann Genehmigungsprozesse beschleunigen und Materialien effizient bereitstellen.
Vertrauen in das Modell
Das Mieterstromkonzept obliegt mehreren staatlichen Anforderungen und Aufgaben. Diese Anforderungen rechtssicher zu erfüllen, erfordert viel Zeit und Expertise vom Anlagenbetreiber. Die Ungewissheit darüber, welche Aufgaben überhaupt auf einen zukommen und wie diese zu lösen sind, führt bei einigen Vermietern zu Unentschlossenheit. Deshalb sind umfassende Beratung und Schulung entscheidend.
Komplexität überwinden
Diese Herausforderungen des Mieterstrommodells münden in ein übergeordnetes Problem: zu viel Komplexität durch die Vielzahl beteiligter Akteure. Installateure, Messstellenbetreiber, Softwareanbieter und andere Dienstleister sollen den Prozess vereinfachen, bewirken aber oft das Gegenteil. Je mehr Parteien in ein Mieterstromprojekt eingebunden sind, umso länger dauert es und desto teurer wird es – nicht zuletzt, weil jede Beteiligte ihren Anteil an staatlichen Förderungen oder den wirtschaftlichen Vorteilen für sich maximieren möchte.
Das Ergebnis: Die ursprüngliche Idee von Mieterstrom als einfache, effiziente Lösung für lokalen Solarstrom wird durch organisatorische und finanzielle Konflikte unnötig erschwert.
Die Lösung liegt in der konsequenten Vereinfachung. Es braucht Unternehmen, die die einzelnen Projektschritte rechtlich und technisch abwickeln können. Dann braucht es nur noch einen Vertrag, bei dem Planung, Genehmigung, Installation und Betrieb aus einer Hand kommen.
Positive Beispiele zeigen: Ganzheitliche Ansätze, bei denen alle Schritte von Anfang an koordiniert werden, sind der Schlüssel zum Erfolg. Sind diese Voraussetzungen geschaffen, werden Mieterstromlösungen effiziente, kostengünstige und nachhaltige Modelle – und entfalten damit das volle Potenzial für Vermieter, Mieter und die Energiewende.
— Noah Nardini ist Gründer des Berliner Unternehmens Solar Estate, das sich auf die Planung, Installation, Verwaltung und Abrechnung von Photovoltaik-Anlagen für Mehrparteienhäuser mit Mieterstromkonzept spezialisiert. Mit seinem Rundum-Service strebt Solar Estate einfache und profitable Lösungen an, um die Nutzung von Solarstrom für Mehrfamilienhäuser wirtschaftlich attraktiv zu machen. —
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Warum sollte ich mir als Vermieter das antun?
Kaum Gewinn im Vergleich zum zeitlichen Aufwand und dann möchte ich einfach nicht, dass sich meine Mieter irgendwann nicht mehr leiden können. Wenn die erstmal festgestellt haben, dass man den Strom verbrauchen muss, wenn die Sonne scheint, dann streiten sie sich noch darum, wer jetzt waschen und trocknen darf und während der Renter den ganzen Tag nutzen kann, schaut der Arbeitnehmer in die Röhre.
Sollen sich einfach einen Stromtarif für 23 Cent holen und dann muss man sich darum auch keinen Kopf machen.
Kennen Sie das psychologische Experiment, in dem die Probanden vor die Wahl gestellt werden, dass entweder alle nur trocken Brot bekommen oder alle trocken Brot und 25 % zusätzlich wahlweise Butter oder Margarine, wobei die 25 % im Losverfahren ausgewählt werden?
Angeblich haben sich die deutschen Probanden mit großer Mehrheit dafür entschieden, dass alle nur trocken Brot bekommen. Wir gönnen dem Nächsten nicht einmal das Schwarze unter dem Fingernagel…
Mietwohnungen in Häusern mit Wärmepumpen und PV-Anlagen sind wohl die attraktivsten in Deutschland für Mieter und Vermieter. Erstgenannter hat niedrigere Nebenkosten und Letzterer höhere Einnahmen und garantiert viel mehr Chancen auf dauerhafte Zahlungseingänge solventer, zufriedener und vor allem bekannter Mieter, weil die Fluktuation niedrig gehalten werden kann.
Danke für den Kommentar und die Mühe die sich sich gemacht haben. Ich finde den Artikel sehr interessant. Obwohl ich das Thema Mieterstrom grundsätzlich kenne. Aber ein Impuls zur rechten Zeit ist immer gut. Ich bin gerade dabei ein MFH zu modernisieren und habe eine PV-Anlage, deren Förderung (Einspeisevergütung) bald ausläuft. Mit dem Mieterstrommodell kann die PV-Anlage noch viele Jahre ertragsbringend laufen. An der Strombörse wird es bald nicht mehr viel Vergütung geben. Super, dass es Anbieter gibt, die alles aus einer Hand anbieten. So einen suche ich.
Es gibt also !seit Jahren! einen grossen Absatz-Markt für Photovoltaik , der fast brach liegt, weil der jeweils einzeln Interessierte vor einem grossen bürokratischen Anforderungsproblem lieber kapituliert, als erwartbare eigene Fehlentscheidungen zu riskieren ?!
… Und einen einzigen Anbieter, der qualifiziert beistehen könnte ?!
Ich bin fassungslos, dasss es für die PV-Anbieter, welche im vergangenen Jahr einen Konkurs-Rekord hinlegten nicht selbstverständlichst war, diese interessante, grosse Marktlücke mal wenigstens versuchsweise in Angriff zu nehmen – und ebenso darüber, dass sich unser Umweltministerium nicht schon längst darum sorgte, bundesweit für einfache, einheitliche, gut verständliche Anleitungen und Antrags-Kriterien und vorauseilende Bürger-Infos zu sorgen.
Gesetzesflut, mangelnde Information, Marktferne und frei laufende staatliche, kommunale und gewerbliche Bürokratieen erzeichten hier wohl wieder mal, dass eine optimalere Zukunft – aus einer grosse Portion mehr PV-Energie- wegen konstanter Atemnot aus zügelloser Bürokratie -vor sich hin siechte ?!
Ich drücke dem Autor dieses Artikels nun ganz feste die Daumen, dass sein Weckruf insbesondere ihm selbst ein sehr erfreuliches Echo bringt!
Danke für den Artikel.
„Was viele allerdings nicht wissen: Bei fachgerechter Umsetzung eines Mieterstromprojekts sind die Einnahmen frei von Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. “
Und wie sieht die fachgerechte Umsetzung aus? Das ist ja gerade die Frage: Wie kann ich als Vermieter meinen PV-Strom per Mieterstrom an meine Mieter weiterverkaufen, ohne dass das ganze ein steuerliches Problem wird? Wie?