Ein Energieausweises von heute verrät uns nicht das Morgen

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Wer eine Immobilie vermieten oder verkaufen will, muss man einen Gebäudeenergieausweis gemäß Gebäudeenergiegesetz § 82 vorlegen. Der Ausweis beschreibt den Endenergiebedarf und den Primärenergiebedarf des Gebäudes. Endenergie ist die Energie, die wirklich benötigt wird, um das Gebäude zu heizen. Primärenergie umfasst die Endenergie und die Energieverluste, die bei der Gewinnung, Umwandlung und beim Transport von Brennstoffen auftreten.

Der Primärenergiebedarf wird aus dem Endenergiebedarf mit Hilfe von spezifischen Umrechnungsfaktoren, die von der Art des Energieträgers abhängen, ermittelt. Die Bestimmung des Endenergiebedarfs ist daher von großer Bedeutung. Dieser kann entweder bedarfs- oder verbrauchsorientiert ermittelt werden.

Bei einer Untersuchung zur Ermittlung des Energiebedarfs wird ein Bedarfsausweis erstellt, der auf einer detaillierten Beschreibung der Bauart und der Gebäudekomponenten basiert. Die Berechnung kann sehr zeitintensiv sein, abhängig von der Qualität der Dokumentation bisher durchgeführter Maßnahmen. Das Ergebnis ist jedoch genau und objektiv, da das Verhalten der Nutzer weitgehend unberücksichtigt bleibt. Allerdings ist ein solcher Nachweis teuer. Deshalb nutzen die meisten Eigentümer, wo möglich, einen sogenannten Verbrauchsausweis. Hier werden die Verbräuche der letzten drei Jahre aus Abrechnungen der Energieversorger genommen, um einen durchschnittlichen Endenergiebedarf zu berechnen.

Wegen der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021 blieben viele Menschen infolge von Ausgangssperren und Heimarbeit zu Hause. Daher kann angenommen werden, dass die Energieabrechnungen dieser Jahre keine Energieverbrauchswerte widerspiegeln, die auf „Nicht-Pandemie-Jahre“ übertragbar sind. Gleiches gilt für das Jahr 2022 in umgekehrter Form aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und den damit einhergehenden Sanktionen. Dies führte zu einem Mangel an Energie, was zu einem schnellen Anstieg der Energiepreise führte. Um den begrenzten Vorrat an Energie optimal zu nutzen und dem weiteren Import entgegenzuwirken, wurde durch Gesetze der Anreiz zum Energiesparen geschaffen. Mieter wurden beispielsweise nicht mehr dazu verpflichtet, ihre Wohnungen auf eine bestimmte Mindesttemperatur zu heizen, um Schimmelbefall zu vermeiden. Durch diese und weitere Maßnahmen konnte der Energiebedarf deutlich gesenkt werden.

Wenn im Jahr 2023 Gebäudeenergieausweise auf Basis des Verbrauchs der letzten drei Jahre ausgestellt werden, können diese nicht auf den Verbrauch in den kommenden Jahren schließen lassen. Die Gültigkeit von Energieausweisen beträgt zehn Jahre, was bedeutet, dass ein Großteil der Energieausweise, die in den vergangenen Jahren ausgestellt wurden und aktuell ausgestellt werden, in den kommenden Jahren nur eine eingeschränkte Aussagekraft haben wird. Um dies zu vermeiden, wären Bedarfsausweise oder die Berücksichtigung eines längeren Abrechnungszeitraums vorzuziehen.

Über die Autoren:

Constanze Liepold und Paul Fabianek sind wissenschaftliche Mitarbeiter an der RWTH Aachen und selbstständige Energieberater.

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