FDP-Vize-Fraktionschef: „So ein Instrument ist nichts, was uns als Freie Demokraten irgendwie glücklich machen würde“

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pv magazine: Wir hatten ein Webinar zum Thema Gewinn- oder Erlösabschöpfung. Die Resonanz war groß, wir hatten über 900 Teilnehmer. Es ist ein Aufregerthema. 43 Prozent der Teilnehmer haben die Option angekreuzt, dass das Gesetz in dieser Form ein Skandal sei. Können Sie das nachvollziehen?

Lukas Köhler: Ich kann verstehen, dass die Unternehmen, die davon stark betroffen sind, das als sehr schwieriges Signal wahrnehmen. Auf der anderen Seite haben die Entwicklungen im letzten Jahr zu teilweise hohen Zufallsgewinnen geführt. Aber natürlich ist so ein Instrument nichts, was uns als Freie Demokraten irgendwie glücklich machen würde. Normalerweise gehören hohe Gewinne, aber natürlich auch Verluste, zu einer Marktwirtschaft dazu. In einer Krisensituation wie im letzten Jahr war eine Maßnahme im Gesamtpaket aber leider nicht zu vermeiden.

Das Gesetz ist jetzt wirklich eher eine Erlösabschöpfung als eine Gewinnabschöpfung. Es greift in privatwirtschaftliche Verträge ein. Es gab  die Diskussion, stattdessen Gewinne über eine steuerliche Abschöpfung umzusetzen. Ich kenne viele Stimmen aus der Wirtschaft, die das für die bessere Option gehalten hätten. Warum ist es dazu nicht gekommen?

Das Konstrukt ist ja nur deswegen entstanden, weil wir die Strompreisbremse mit eingeführt haben. Die beiden Instrumente sind miteinander verschränkt. Es ist quasi eine direkte Kopplung von Zufallsgewinnen auf der einen Seite und deren Abschöpfung und der Gegenfinanzierung für die Strompreisbremse auf der anderen Seite. Nur weil überhaupt eine Strompreisbremse notwendig wurde, gibt es dieses Instrument. Und deswegen sind die beiden ineinander verschränkt.

 

Müssen Sie die Gewinnabschöpfung umsetzen?

Im pv magazine Webinar am Donnerstag, den 23. Februar, erklärt Matthias Karger, Gründer und Geschäftsführer von unserem Initiativpartner Node Energy, wie sich die Gewinnabschöpfung praktisch umsetzen lässt.

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Warum kann man das dann nicht über eine Steuer bewerkstelligen?

Wir haben uns den EU-Rahmen angeguckt, was darin möglich wäre. Es gab zwei Wege. Man konnte sich auswählen, welche der beiden Töpfe man nimmt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat der Bundesregierung diesen Weg vorgeschlagen, weil Bremse und Abschöpfung so in einen Topf laufen. Wir haben diesen Weg der Erlösabschöpfung dann mitgetragen, weil sie über das gleiche Konto bei den Übertragungsnetzbetreibern mit der Strompreisbremse verknüpft ist. Steuern hingegen können niemals zweckgebunden sein, sondern fließen immer in den allgemeinen Haushalt.

Das deutsche Gesetz geht über das hinaus, was die EU fordert. Die EU hat eine Mindestabschöpfung bis zu 18 Cent pro Kilowattstunde verbleibender Einnahmen vorgegeben. Mit dem deutschen Gesetz bleiben Betreibern je nach dem Geschäftsmodellzwischen 8 und 15 Cent. Wieso das?

Weil die Zielvorstellung ist, die Strompreisbremse gegenzufinanzieren. Es gibt aus meiner Sicht aber ein Problem bei Neuanlagen, wie ich auch schon öffentlich formuliert habe. Die FDP hätte diese gerne rausgenommen, um keine Investitionen zu verhindern. Außerdem haben wir immer gesagt, dass die Erlösabschöpfung zeitlich befristet sein muss.

42 Prozent halten das Gesetz für einen Skandal. Die Umfrage stammt aus dem pv magazine Webinar am 20. Januar, in dem Margarete von Oppen, Partnerin bei Rechtsanwältin und Partnerin bei Arnecke Sibeth Dabelstein die Erlösabschöpfung und die Herausforderungen dabei erläutert hat. Hier können Sie es nachsehen.

Grafik: Harald Schütt/pv magazine

Apropos zeitliche Befristung. Da gibt es schon jetzt in der EU-Kommission Überlegungen, das eben nicht zeitlich zu befristen, sondern dauerhaft einzuführen. Was wird da passieren?

Wir wollten das Instrument von Anfang an nicht. Wie gesagt sind wir sind kein Fan von irgendwelchen Abschöpfungen, egal ob Zufallsgewinnen oder Erlöse. Aber wir haben Koalitionspartner, mit denen wir zu Lösungen kommen müssen. Die zeitliche Befristung war für uns von Anfang an und immer die Bedingung, und dabei bleiben wir auch. Sobald die Strompreisbremse endet und damit auch der Finanzierungsbedarf wegfällt, endet auch die Erlösabschöpfung.

Es ist ja wirklich ein sehr wichtiger Punkt, dass man das Vertrauen in zukünftige Investitionen nicht untergräbt. Kann man sich sicher sein, mit der FDP wird es das nicht geben?

Wir sprechen uns absolut dagegen aus, diese Maßnahme zu entfristen.

Nochmal zu dem Gesetz selbst, was uns im Webinar Rechtsanwältin Margarete von Oppen detailliert dargelegt hat. Es besteht aus 50 Paragraphen und 5 Anlagen. Es beinhaltet sehr viele Extraregelungen, etwa wenn es um die Absicherungsgeschäfte geht. Ich habe den Eindruck, fast niemand hat verstanden hat, wie das geht. Das Gesetz sieht nach einem Bürokratiemonster aus. Sehen Sie das auch so?

Das Instrument wird jetzt laufend überprüft. Deswegen ist die Evaluation selber mit eingebaut. Es ist sicherlich ein komplizierteres Modell. Wir hätten uns auch gewünscht, dass aus dem Wirtschaftsministerium ein möglichst einfaches und schlankes Modell kommt. Aber offenbar ist das Modell nur in dieser Form so umsetzbar.

Gehen Sie davon aus, dass es dann noch Folgegesetze und Reparaturgesetze geben wird?

Wir müssen immer evaluieren, ob wir ein Gesetz besser machen können, und wenn Fehler im System sind, dann müssen wir diese auch beheben. Bei so einem neuen Instrument sind die Folgewirkungen ja noch völlig unbekannt. Da kann es immer sein, dass wir nochmal nachbessern müssen. Das ist auch ganz normal.

Fragen und Antworten zur Erlösabschöpfung

Die für Besitzer größerer Photovoltaikanlagen unschönere Seite der Strompreisbremse ist die Gewinnabschöpfung. Das Regelwerk bestehend aus 50 Paragrafen und 5 Anlagen ist nicht so einfach zu durchschauen. Margarete von Oppen, Rechtsanwältin und Partnerin bei Arnecke Sibeth Dabelstein, beantwortet Fragen aus dem pv magazine Webinar vom 20. Januar ab Seite 65.

Die Ausgabe erscheint am 23. Februar und kann käuflich als Druck- oder Digitalausgabe erworben werden. Zur Ausgabe, zum Shop

Es gibt sehr viele Kritikpunkte. Zum Beispiel bei den Pflichten der Gesamtschuldner. Es sieht so aus, dass es sehr kompliziert ist, die Grenzen festzulegen, wer als solcher zählt und damit auch Pflichten im Rahmen des Gesetzes hat. Das könnte viele Rechtsanwaltskanzleien beschäftigen, haben wir im Webinar gehört.

Das ist ja genau der Punkt: Wenn wir sehen, dass im täglichen Geschäft ein Problem auftritt und eine Fragestellung ungeklärt ist, dann muss die Politik auch die Größe haben, zu sagen, das funktioniert nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben, dazu braucht es eine bessere Regelung. Diese Größe haben wir. Nach meiner Erfahrung gibt es in der Gesetzgebung drei Zielkategorien: Verteilung zwischen zum Beispiel Wohlhabenden und weniger Wohlhabenden, Schnelligkeit in der Verabschiedung und Einfachheit. Es lassen sich immer nur zwei der drei Ziele erreichen. Wenn es einfach, also unbürokratisch, und gerecht sein soll, dauert es lange, bis ein Gesetz steht. Wenn es gerecht und schnell gehen soll, wird ein Gesetz kompliziert wie bei der Strompreisbremse.  Aus Sicht der FDP wäre es sinnvoller gewesen, das Gesetz schnell und einfach zu machen – und bei der Frage, wer wieviel davon profitiert, bei Bedarf nachzusteuern. Wir mussten allerdings anerkennen, dass unsere Koalitionspartner ihre Prioritäten anders gesetzt haben.

Außer der Strompreisbremse gibt es derzeit viele Themen. Sie sind ja auch angetreten mit dem Willen zur Entbürokratisierung. Es ist ja auch schon viel passiert mit dem Osterpaket und mit dem Jahressteuergesetz. Wollen Sie noch weitergehen und wenn ja, können Sie konkrete Punkte nennen?

Ja, wir wollen und wir müssen weiter gehen in der Entbürokratisierung. Bei Großflächenanlagen ist die Herausforderung zum Glück nicht mehr, dass niemand investieren will. Die große Frage ist: Wo sind die Flächen? Und die zweite Frage ist: Wie sind die Netze aufgestellt? Wie viele Verteilnetze haben wir? Haben wir ausreichend Übertragungsnetze für die wirklich großen Anlagen? Ich glaube, bei diesen ganzen Fragen können wir noch eine Menge mehr machen. Wir hätten uns auch schon im Osterpaket mehr Flächengenehmigungen vorstellen können. Die Frage, wie nahe man an Autobahnen bauen kann, haben wir ja schon geklärt. Aus unserer Sicht könnte das zum Beispiel auch für Schienen oder Landstraßen gelten. Es wird sicherlich noch einmal eine Diskussion in der Bundesregierung darüber geben, in welchen Natur- oder FFH-Gebieten es noch Möglichkeiten gibt, Flächenkulissen auszureizen. Das ist natürlich immer eine Güterabwägung.

Die Frage, wie nahe man an Autobahnen bauen kann, haben wir ja schon geklärt. Aus unserer Sicht könnte das zum Beispiel auch für Schienen oder Landstraßen gelten.

Ist das etwas, das Sie in diesem Jahr angehen wollen?

Wir müssen. Es gibt noch viel mehr Beispiele. Etwa bei den Netzanschlusszertifikaten. Das ist eine völlig absurde bürokratische Hürde. Es gibt viele kleine Stellschrauben, die wir angehen müssen, um Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen.

Was könnte bei den Netzanschlussfragen konkret passieren?

Nur mal als Beispiel: Wir haben 900 Verteilnetzbetreiber und es gibt bislang keine Vereinheitlichung der Anschlussparameter. Mit dem Osterpaket haben wir dafür gesorgt, dass es hier künftig einheitlichere und digitale Verfahren gibt. Auch müssen wir darüber sprechen, wie die Netzanschlüsse schneller von den Netzbetreibern umgesetzt werden, die das ja eigentlich unverzüglich machen müssten. Da wir es in diesem Bereich ja nicht mit einem Markt, sondern natürlichen Monopolen zu tun haben, muss der Staat hier unter Umständen noch nachregulieren. Übrigens muss auch bei den Speichern etwas geschehen. Wir haben im letzten Jahr im Energiewirtschaftsgesetz eine neue Definition von Speichern eingeführt. Diese muss jetzt entsprechend im gesamten Energiewirtschaftsrecht umgesetzt werden. Außerdem können und müssen wir auch beim Mieterstrom noch eine Menge tun. Wir sehen im Moment, dass das Modell noch nicht so richtig fliegt. Mit den neuen Regelungen wird es jetzt vielleicht ein bisschen besser. Aber damit attraktive Geschäftsmodelle entstehen, müssen wir das Marktdesign noch weiter ändern. Und wir müssen dafür sorgen, dass wir Anlagen günstig und schnell auch genehmigt und ans Netz kriegen.

Da würden vermutlich alle ja sagen, aber wie kann das konkret gehen?

Das ist auf der einen Seite eine Frage des Marktmodells und des Marktdesigns. Auf der anderen Seite spielt die Digitalisierung eine ganz wesentliche Rolle, also die digitale Steuerung der Zähler und die digitale Abrechnung. Außerdem ist auch für den Mieterstrom ein wesentlicher Punkt, wie der Netzanschluss vonstatten geht. Damit das einfach und schnell geht, brauchen wir eine Standardisierung. In der Koalition müssen wir noch besprechen, wie wir bei den Verteilnetzen einen einfachen, schnellen und auch sehr unbürokratischen Zugang gewährleisten. Ansonsten bin ich aber auch für jeden Vorschlag offen, der das System verbessert und vereinfacht.

Das wichtigste Instrument ist und bleibt dabei aber natürlich der europäische Emissionshandel

Ist Deutschland mit dem, was Sie jetzt in der Regierung umsetzen, auf dem Weg, die selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen?

Ja, auf jeden Fall. Wir wollen Klimaneutralität europaweit 2050 und in Deutschland sogar schon 2045 erreichen. Das sind ambitionierte Ziele, aber wir bringen jetzt endlich die dafür notwendigen Maßnahmen voran. Das gilt für den Ausbau der Erneuerbaren ebenso wie für eine CCS-Strategie für schwer vermeidbare Restemissionen in der Industrie. Das wichtigste Instrument ist und bleibt dabei aber natürlich der europäische Emissionshandel, der ja zum Glück nun auch auf Verkehr und Wärme ausgeweitet wurde. Dieser garantiert, dass wir unsere Ziele erreichen.

Der FDP-Tenor ist ja eigentlich: Es hängt ja nicht nur von Deutschland ab, Deutschland emittiert ja nur einen kleinen Prozentsatz der gesamten CO2-Emissionen auf der Welt. Und deswegen lehnen Sie eigentlich dieses Festklammern an dem nationalen CO2-Budget ab, wie sie in einem Artikel auf Ihrer Webseite darlegen. Hat sich Ihre Einschätzung diesbezüglich geändert?

Nein, das ist nach wie vor so. Ein nationales Budget wäre nur dann sinnvoll, wenn es ein globales Budget gäbe, auf das sich die internationale Staatengemeinschaft geeinigt hätte. Daraus ließe sich dann ein Pro-Kopf-Budget ableiten, woraus sich schließlich ein Budget für jedes Land ergäbe – und das wäre dann die Basis für einen internationalen Emissionshandel, mit dem das 1,5-Grad-Ziel sicher erreicht würde. Im Pariser Abkommen wurde allerdings eine andere Systematik gewählt, weshalb es kein globales Budget gibt, aus dem sich ein nationales Budget ableiten ließe. Folglich gibt es auch den internationalen Emissionshandel nicht, ohne den der ganze Budget-Ansatz sinnlos ist.

Warum ist das Pro-Kopf-Budget nur mit internationalem Zertifikatehandel sinnvoll?

Bei einer globalen Pro-Kopf-Verteilung hätten zum Beispiel viele ärmere Länder des globalen Südens ein CO2-Budget, das deutlich größer wäre als ihre Emissionen. Ohne Emissionshandel wäre es für diese Länder rational, in die fossilen Energien einzusteigen und die ihnen zustehenden Emissionsrechte zu nutzen. Denn auch die Menschen dort haben ein Recht, nach Wachstum und Wohlstand zu streben. Gleichzeitig würde ein Land wie Deutschland extreme Wohlstandsverluste erleiden, weil die Emissionen so schnell sinken müssten, dass dies nicht durch technologischen Fortschritt und eine gesunde Transformation möglich wäre, sondern nur durch richtig harte Einschränkungen für die gesamte Gesellschaft.

In unserem demokratischen System wäre das nicht nur politisch nicht durchsetzbar, sondern es wäre auch schlecht für den Klimaschutz.

Wenn das wirklich die Schlussfolgerung ist, wären die Wohlstandsverluste eventuell nicht zu vermeiden, oder?

In unserem demokratischen System wäre das nicht nur politisch nicht durchsetzbar, sondern es wäre auch schlecht für den Klimaschutz, weil wir dann weltweit ein abschreckendes Beispiel für alle anderen Länder wären. Daher wäre es sinnvoll, wenn wir den Ländern des globalen Südens ihre Emissionsrechte abkaufen könnten. So könnten wir unsere eigene wirtschaftliche Basis erhalten und würden den anderen Ländern den direkten Einstieg in klimafreundliche Technologien finanzieren, ohne das 1,5 Grad-Ziel aus den Augen zu verlieren. Solange es ein solches System jedoch nicht gibt, bin ich ein großer Fan des Pariser Abkommens und hielte es für falsch, als einzelnes Land aus dessen Logik auszubrechen. Statt solche Phantomdebatten zu führen, sollten wir uns auf das konzentrieren, was wir als unseren Beitrag im Rahmen des Pariser Abkommens leisten müssen: Klimaneutralität in Europa bis 2050. Die jüngst beschlossene Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Verkehr und die Gebäude ist ein enorm wichtiger Schritt, der uns diesem Ziel erheblich näher bringt.

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