Ein Ölscheich wird nun auch noch Präsident der nächsten UN-Weltklimakonferenz in Dubai

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Die Weltgemeinschaft hat bisher komplett versagt, um Klimaschutz zu schaffen. Noch in den 90er Jahren wurde vor dem Überschreiten von 400 Parts per million (ppm) CO2-Konzentration in der Atmosphäre als lebensgefährlich für die menschliche Zivilisation gewarnt. Zu diesem Zeitpunkt lag die CO2-Konzentration bereits bei etwa 360 ppm. Heute sind wir bei 420 ppm und tatsächlich haben die Wetterkatastrophen schon in etlichen Teilen der Welt katastrophale Ausmaße mit vielen Toten angenommen.

Wir nähern uns dem Überschreiten des Planeten in eine unbeherrschbare Heißzeit der Erde mit über zwei Grad Celsius Erderwärmung über dem vorindustriellen Niveau und dem damit verbundenen Ende jeglicher menschlicher Zivilisation.

Anfang der 70er Jahre habe ich selbst – genau wie viele andere, die es wissen wollten – von der drohenden Klimaaufheizung erfahren und sie ernst genommen. Die Weltgemeinschaft hat seit 1979 Klimakonferenzen organisiert. Aber alle Weltklimakonferenzen haben komplett versagt. Unbeirrt von den Beschlüssen zur Senkung der Klimagasemissionen auf der ersten UN-Klimakonferenz 1995, über das Inkrafttreten des Kyotoprotokoll 2005 bis hin zum viel gefeierten UN-Klimaabkommen in Paris 2015 sind die Treibhausgaskonzentrationen immer höher gestiegen.

Keine einzige Weltklimakonferenzen hat eine Trendumkehr bewirkt, im Gegenteil: Die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre sind immer weiter – auf heute untragbare 420 ppm – gestiegen.

Diese Grafik zeigt das komplette Scheitern der Weltgemeinschaft.

Grafik: Professor Mark Maslin via Twitter

Das Einzige, was zur Rettung der Menschheit vor dem eigenen Suizid noch helfen kann, ist die Beendigung aller Treibhausgasemissionen bis 2030. Außerdem das gleichzeitige Reinigen der Erdatmosphäre von überschüssigem Kohlenstoff, also die Schaffung von Kohlenstoffsenken, so dass die CO2-Konzentration wieder in Richtung 330 ppm gesenkt werden kann.

Alle Konzepte dazu sind bekannt: 100 Prozent erneuerbare Energien, eine emissionsfreie Kreislaufwirtschaft und eine kohlenstoffsenkende Land- und Forstwirtschaft. Doch auch heute sind wir noch weit von einer Umsetzung dieser Pfade entfernt.

Die Ölkonzerne scheffeln massive Gewinne, womit sie weiter in Erdöl und Erdgasförderung investieren

Statt Klimaschutz zu organisieren, stärken die großen Energiekonzerne erbarmungslos ihre Geschäfte im fossilen Sektor und treiben damit die Menschheit komplett in den Ruin. Die Gewinne der größten Ölkonzerne – und damit verbunden auch die Emissionen von fossilen Klimagiften – sind gerade im letzten Jahr auf Rekordniveau gestiegen. Beispiele: ExxonMobile 55,7 Milliarden US-Dollar; Shell 40 Milliarden US-Dollar; Chevron 35,5 Milliarden US-Dollar.

Energiekonzernen steigern mit diesen Rekordeinnahmen weiter massiv ihre Investitionen in die nächsten Förderungen von Erdöl, Erdgas und Kohle. Dies tun sie unbeirrt „im Angesichte des kommenden menschlichen Suizides“ – wie es UN-Generalsekretär Guterres zu Recht nennt – und treiben so die irdische CO2-Konzentration immer weiter nach oben.

„Wasserstoff ready“ (H2-ready) heißt noch mindestens eine Dekade höchst klimaschädliches Erdgas

Der fossile Wasserstoffhype ist die neueste klimaschädliche Strategie der fossilen Konzerne und vieler Regierungen, auch der Deutschen. Natürlich wird grüner Wasserstoff – also Wasserstoff über Elektrolyse aus Solar- und Windstrom oder Wasserstoff aus Algen – für ein System mit 100 Prozent erneuerbare Energien als Speicheroption benötigt und muss schnell ausgebaut werden. Aber unter dem Deckmantel Grüner Wasserstoff werden vor allem Wasserstoffprojekte geschaffen, die als Übergang auf fossilen Wasserstoff aus Erdgas und Kohle (vor allem in China) oder gar atomaren Wasserstoff setzen.

Meist sind es sogenannte Brückenstrategien: Bis irgendwann mal grüner Wasserstoff ausreichend zur Verfügung stünde, müsste man erst die Wasserstoffinfrastruktur als solche vorbereiten. Dies nennt man dann „Wasserstoff ready“. Es werden also massive Erdgas-Investitionen getätigt: in neue Erdgaskraftwerke, die irgendwann später mal in Wasserstoffkraftwerke umgewandelt werden sollen; in Erdgaspipelines, die später mal Wasserstoff transportieren sollen; in blauen Wasserstoff, der aus Erdgas reformiert wird und später mal grün werden soll.

So will EnBW in Heilbronn ein neues GUD-Erdgaskraftwerk (Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk oder Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk) bauen, das irgendwann mit grünem (?) Wasserstoff betrieben werden soll. Bis in die 2030er Jahre soll es zunächst aber noch mit folgender Begründung mit Erdgas betrieben werden: Die angepeilte Stilllegung von Kohlekraftwerken diene auch dem Klimaschutz, da Erdgas angeblich weniger CO2 emittiert. Erdgas ist aber bis zu 30 Prozent klimaschädlicher als Kohle, wenn man die Vorkettenemissionen aller Treibhausgase –insbesondere Methan – mitrechnet.

Auch die neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven oder Brunsbüttel sind in hohem Maße klimaschädlich. Sie werden zunächst über viele Jahre mit flüssigem

Erdgas befüllt und sollen irgendwann einmal grünen Wasserstoff liefern, nehmen aber das besonders klimagasintensive Frackinggas auf.

Auch blauer Wasserstoff ist höchst klimaschädlich

Auch der Energieversorgungskonzern RWE geht als einer der größten Klimazerstörer in der EU unbeirrt den Weg der Klimazerstörung weiter. Mit dem norwegischen Konzern Equinor will RWE den höchst klimaschädlichen blauen Wasserstoff vermarkten. Dabei hat RWE doch mit dem Fortfahren der Braunkohlekraftwerke und dem Tagebau nicht nur in Lützerath schon genug Schaden in der Atmosphäre angerichtet und richtet ihn immer noch weiter an.

Equinor plant in Norwegen Investitionen für die Produktion von Wasserstoff für Europa. Die Kapazität soll bis 2030 zunächst 2 Gigawatt blauen Wasserstoff (aus Erdgas) und bis 2038 bis zu 10 Gigawatt umfassen. Der Wasserstoff soll in die neu zu bauende Wasserstoffpipeline von Norwegen nach Deutschland eingespeist werden. Über diese Pipeline würde Equinor zunächst blauen Wasserstoff transportieren, RWE würde ihn abnehmen und in wasserstofffähigen Gaskraftwerken zur Stromproduktion nutzen.

Blauer Wasserstoff wird durch Dampfreduktion von Erdgas hergestellt. Dabei wird das Erdgas in Wasserstoff und CO2 aufgespalten. Das bei der Produktion von blauem Wasserstoff entstehende CO2 soll mit Hilfe der Technologie zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) in norwegischen Erdgas- und Erdölfeldern unterirdisch gelagert werden.

Dabei wird meist verschwiegen, dass das CO2 in unterirdische Erdgasfelder verpresst wird, um die letzten Reste von Erdgas aus den Feldern zu treiben. Die daraus entstehenden hohen Methanemissionen können aber eben nicht durch CCS gespeichert werden. Auch werden beim Abscheiden und Verpressen des CO2 niemals alle CO2-Mengen erfasst. Blauer Wasserstoff ist also alles andere als treibhausgasneutral, sondern höchst klimaschädlich und stellt somit keinerlei Brückentechnologie dar.

Ölscheich wird Präsident der nächsten Weltklimakonferenz

In Dubai soll Ende 2023 die nächste UN-Weltklimakonferenz stattfinden. Schon auf der letzten UN-Konferenz im ägyptischen Sharm El-Scheich haben die Ölkonzerne mit großer Lobbymacht massiv und erfolgreich gegen einen Beschluss zur Beendigung der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle opponiert. Damit wurde die wichtigste Klimaschutzmaßnahme verhindert und die letzte UN-Konferenz hat versagt.

Für die kommenden UN-Klimakonferenz in Dubai wurde nun von den ausrichtenden Vereinigten Arabischen Emiraten (VAR) der Ölscheich Sultan Al Jaber als Verhandlungsleiter bestimmt. Al Jaber ist gleichzeitig Chef von ADNOC, einem der größten Ölkonzerne der Welt und Industrieminister im Ölstaat VAR.

Damit ist klar: Auch die nächste UN-Klimakonferenz wird nur einen Beitrag zur Erhöhung der Treibhausgaskonzentrationen weit über 420 ppm hinaus liefern und damit die Aufheizung der Erde weiter beschleunigen.

Klimaschutz kommt nur mit dem umfassenden Einsatz der Zivilgesellschaft

Nationalstaaten und Zivilgesellschaft müssen daher den Klimaschutz selbst in die Hand nehmen. In den USA ist dies auf einem guten Wege. Unter dem Einfluss des Inflation Reduction Act von Präsident Biden finden sich nun zunehmend Kommunen, die selbst den Weg hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien organisieren. Viele hunderte Kommunen haben in den USA das Ziel beschlossen. Nun schließen sie sich zusammen und erarbeiten dafür gemeinsam wirksame Strategien.

Auch in Deutschland und anderen Ländern wird die Klimabewegung von unten permanent stärker: Immer mehr Kommunen begegnen dem ausgerufenen Klimanotstand, die bürgerlichen Zusammenschlüsse für Energiegemeinschaft mit erneuerbaren Energien nehmen wieder deutlich zu, und privates Engagement für die Umstellung auf einen emissionsfreien Lebensstil wächst deutlich. Dies passiert vor allem bei der jüngeren Generation.

Die einzige Chance um das Versagen der Weltregierungen und der Energiekonzerne auszugleichen: Organisieren auch Sie in Ihrem persönlichen Umfeld gemeinschaftlichen Klimaschutz. Zeigen Sie den fossilen und atomaren Energiekonzernen die rote Karte und beenden Sie schnell Ihren Einkauf von Erdgas und Erdöl, Kohle- und Atomstrom, von Plastik aus Erdöl und Lebensmitteln aus intensiver klimaschädlicher Landwirtschaft statt aus der Biolandwirtschaft – spätestens in den kommenden Jahren. Das Schöne für alle die mitmachen: drastische Senkung der persönlichen Energierechnung und CO2-Emissionen sowie gesünderer Lebensstil durch Ernährung mit Biolebensmitteln.

Schaffen wir gemeinsam von unten Klimaschutz, damit eine Heißzeit der Erde noch verhindert werden kann, die ansonsten unser aller Lebensgrundlagen zerstören wird!

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. http://hans-josef-fell.de —

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