McKinsey Energiewendeindex: 200 Gigawatt Bedarfslücke bis 2030 droht – Ausbau von Photovoltaik vervierfachen

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Die Ampel-Regierung will die Energiewende in Deutschland beschleunigen und die Ausbauziele anheben. Zugleich ist davon auszugehen, dass mit der Energiewende auch der Strombedarf steigt, weshalb der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft wesentlich beschleunigt werden muss. In dem aktuellen Energiewende-Index kommt McKinsey zu dem Schluss, dass der Zubau der Photovoltaik bis 2030 vervierfacht und der Windkraft an Land verdoppelt sowie auf See verdreifacht werden muss, da ansonsten den Mehrbedarf von 200 Gigawatt erneuerbar zu decken. Für die Photovoltaik bedeutet dies, dass bis 2030 jährlich mehr als 15 Gigawatt zugebaut werden müssten. Das Gesamtpotenzial für private Photovoltaik-Dachanlagen in Deutschland schätzt McKinsey auf etwa 240 Gigawatt. „Prinzipiell umsetzbar wäre das ambitionierte Solarausbauziel demnach schon – jedoch nur, wenn das Solarpotenzial der Privathäuser wesentlich stärker als bisher ausgeschöpft wird und zugleich auch bislang ungenutzte Gewerbe- und Freiflächen einbezogen werden“, so die Analyse.

Doch nach Einschätzung der Analysten scheint die Umsetzung der Energiewende bis 2030 eher unrealistisch. Ihr Fazit zum aktuellen Energiewende-Index: „Nur noch drei der 15 untersuchten Indikatoren sind in ihrer Zielerreichung stabil realistisch – sieben stehen auf der Kippe, fünf sind unrealistisch. Mögliche Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Energieversorgung in Deutschland sind dabei noch nicht berücksichtigt.“ Der Atom- und Kohleausstieg erfordere, dass Deutschland jährlich zwei bis drei neue flexible Kraftwerke baut, um die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten. Dies wären vor allem Gaskraftwerke, mittelfristig könnten dies auch Wasserstoffkraftwerke sein. Ein Teil könne durch neue Biomasse-Kraftwerke gedeckt werden.

Doch nicht nur im Stromsektor scheint das Gelingen der Energiewende fraglich. Auch die Wärmewende hinkt hinterher. Nach den Plänen der Ampel-Regierung soll sich der Erneuerbaren-Anteil im Wärmesektor auf 50 Prozent erhöhen. 2020 lag er noch bei 15,6 Prozent. Um die Lücke zu schließen müssten mehr Gebäude saniert und mit Wärmepumpen ausgestattet werden. Der Verkauf der Wärmepumpen müsste sich dabei von 154.000 Stück 2021 auf jährlich etwa 500.000 erhöhen. Ähnlich wie der Umstieg auf Elektroautos wird damit auch im Wärmebereich der Strombedarf deutlich ansteigen.

Dagegen eher schwer einzuschätzen sei die Entwicklung des Strombedarfs bei den energieintensiven Industrien. Dieser hänge von den Dekarbonisierungspfaden der einzelnen Branchen ab, die sehr unterschiedlich seien. Die Analysten schließen jedoch nicht aus, dass der Bedarfs deutlich höher ausfallen könnte als bisher angenommen.

Als realisierbar schätzt McKinsey die Inikatoren: Haushaltsstrompreis, verfügbare Kapazitäten für Import aus Nachbarländern und weniger Ausfälle bei der Stromversorgung ein. Der Haushaltstrompreis sei erstmals seit Jahren wieder im Zielkorridor. So habe er zum Jahresende noch 22,7 Prozent über dem europäischen Durchschnitt gelegen. Im Jahr 2020 waren es noch 48 Prozent. Bezüglich des Ausfalls der Stromversorgung heißt es: 2012 habe die Ausfallzeit noch 17 Minuten betragen; im Jahr 2021 seien es nur noch 10,7 Minuten gewesen.

Zu den sieben Indikatoren auf der Kippe zählten der CO2-Ausstoß, der im vergangenen Jahr um rund 33 Millionen Tonnen auf 772 Millionen Tonnen gestiegen sei, oder auch der wieder stark erhöhte Primärenergieverbrauch. Zeitgleich sei der Anteil der Erneuerbaren gegenüber 2020 um 3 Prozent auf 42 Prozent gesunken, was vor allem an den Witterungsbedingungen lag. Das Ziel von 80 Prozent bis 2030 werde damit „zunehmend unwahrscheinlich“. Auch beim Anteil „Gesamtenergiekosten Haushalte“ sei ein Trend nach oben erkennbar. Die angepeilte Grenze von 10,1 Prozent sei 2021 mit 10,3 Prozent gerissen worden. Weitere eher unsichere Indikatoren sind die Zahl der Arbeitsplätze in der Erneuerbaren-Branche, der Erneuerbaren-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch. Für beide Indikatoren lägen keine neuen Daten vor. Unverändert sei es bezüglich der gesicherten Reservemarge, die aber durch den geplanten Kohle- und Atomausstieg bis 2030 schrumpfen werde. So könnten bei einem vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030 nochmals 52 Gigawatt weniger an Kapazitäten für die Reserve zur Verfügung stehen.

Als unrealistisch stuft McKinsey ein, dass der Anteil von 50 Prozent Erneuerbare am Energieenergieverbrauch bei Wärme und Kälte erreicht werden. 2021 betrug er gerade einmal 14,8 Prozent. Auch die Anhebung des Ziels bei Elektrofahrzeugen von 7 auf 15 Millionen bis 2030 halten die Analysten für nicht realistisch, jedoch nicht für „ganz unerreichbar“, da die Elektromobilität derzeit exponentiell wachse. Auch bei dem Ziel, die Kosten für Netzeingriffe auf 1 Euro pro Megawattstunde zu senken, sei Deutschland weit entfernt. Aktuell liege der Wert bei 9,6 Euro pro Megawattstunden. Allein im ersten Halbjahr hätten sich die Gesamtkosten für Netzengpassmaßnahmen auf mehr als 800 Millionen Euro summiert. Zudem gebe es kaum Fortschritt beim Netzausbau, der weit hinter dem Zielwert zurückliege und daher der Indikator als unrealistisch eingestuft wird, das Ziel bis 2030 zu erreichen. Ebenso beim Industriestrompreis, der zwar weniger stark als im Ausland gestiegen sei – jedoch im ersten Halbjahr immer noch 37 Prozent über dem europäischen Schnitt lag.

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