Solarparks – Große Chancen für die Biodiversität, wenn wir die richtigen Anreize schaffen!

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Ausbauziele und Flächenbedarf

Für das Erreichen der Ausbauziele für die erneuerbaren Energien ist ein starker Zubau der Photo-voltaik-Leistung unumgänglich. Laut Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sind 200 Giga-watt das Ziel. Ausgehend von 58,5 Gigawatt, die AGEE-Stat kürzlich als Stand zum Jahresende 2021 ermittelt hat, bedeutet das einen Zubau von insgesamt rund 141,5 Gigawatt – im Schnitt 15,7 Gi-gawatt im Jahr. Der nötige Flächenbedarf beträgt pro Gigawatt circa 1200 Hektar. Dafür sind „vorbelastete“ Flächen beziehungsweise die EEG-Flächenkulisse allein nicht ausreichend. Der Zubau wird auch auf bisher vornehmlich landwirtschaftlich genutzten Flächen stattfinden müssen. Das ist nicht unproblematisch, denn die Agrarlandschaft ist heute bereits von erheblichen Biodiversi-tätsverlusten gekennzeichnet: Das Insektensterben ist besorgniserregend, Brutvögel wie die Ler-che sind stark vom Rückgang betroffen. Wird der Photovoltaik-Ausbau diese Entwicklung ver-schärfen – oder ihr entgegenwirken?

Ökologische Aufwertung in Photovoltaik-Freiflächenanlagen

Nach unserer Auffassung kann und sollte beim Photovoltaik-Ausbau auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen gezielt auf eine ökologische Aufwertung gesetzt werden. Mit dem Solarparkausbau bieten sich jetzt eben nicht nur Chancen für eine klimaschonende Energiegewinnung, sondern die zukünftig beträchtlichen Photovoltaik-Flächenanteile auf Agrarland lassen sich auch naturschutzfachlich aufwerten und biodiversitätsfördernd gestalten. Damit würden sie nicht nur der Energieerzeugung dienen, sondern auch zur Erhaltung und Wiederherstellung von Lebens-räumen für bedrohte Tiere und Pflanzen beitragen.

Photovoltaik-Freiflächenanlagen können sehr wohl im Einklang mit Natur- und Landschaftsschutzzielen stehen. Am wichtigsten ist es, seinen Standort so zu wählen, dass er empfindliche Bereiche ausspart und – darüber hinaus – gezielt Entwicklungspotenziale für bestimmte Arten und Lebensräume schafft.

Bestimmte lichtliebende Arten zum Beispiel brauchen einen gewissen Flächenanteil, der nicht überstellt ist. Wenn Solarparks sehr energieeffizient, also mit engen Reihenabständen geplant werden (siehe Abbildung 1), sind diese Anteile aber gering. Je geringer wiederum die auswertbaren Flächenanteile im Solarpark sind, desto mehr „externe“ Ausgleichsflächen sind erforderlich.

Abbildung 1: Enggestellter Solarpark

Abbildung 1: KNE gGmbH, Illustration: Tino Herrmann

Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Nach dem „Handbuch für Kommunen“ sollten sich die Reihenabstände nach der Modultischhöhe richten und mindestens das Zwei- bis Dreifache dieser betragen. Der NABU empfiehlt mindestens drei Meter, optimalerweise sollten es schon sechs Meter sein. Entsprechend geringer fallen Beeinträchtigungen aus – und der Lebensraum für lichtliebende Arten bleibt erhalten. Der Ausgleichsbedarf verringert sich, und kann oft im Solarpark selbst gedeckt werden. (siehe Abbildung 2)

Abbildung 2: Solarpark mit weiten Reihenabständen

Abbildung 2: KNE gGmbH, Illustration: Tino Herrmann

Klar ist: Je höher der Anteil nicht überstellter, ungestörter Flächen im Solarpark ist, desto höher sind die Synergien zwischen Klima- und Naturschutz. Die Möglichkeiten, bestimmten Tier- und Pflanzenarten Entwicklungschancen zu erhalten oder zu bieten, erhöhen sich bedeutend. Abbildung 3 illustriert das Konzept eines biodiversitätsfördernden Solarparks, in dem über den verpflichtenden Eingriffsausgleich hinaus zusätzliche Lebensräume und Habitatstrukturen entwickelt werden.

Abbildung 3: Biodiversitäts-Solarpark

Abbildung 3: KNE gGmbH, Illustration: Tino Herrmann

Gute Lebensräume für ganz bestimmte Arten sind aber nicht allein von den Standorteigenschaften abhängig, hierzu braucht es auch ein standort- und/oder zielartenspezifisches Pflegekonzept. Die Erfolgsaussichten verbessern sich dadurch enorm. Derartige Solarparks können wertvolle Rückzugsräume für gefährdete Arten werden, und einen bereits bestehenden Biotopverbund ergänzen. Eine solche Biodiversitätssteigerung geht über die gesetzlich erforderlichen Ausgleichsverpflichtungen hinaus, wird bislang aber leider „freiwillig“ erbracht.

Anreize setzen: Wie kann Biodiversitätsförderung verstärkt gefördert und umgesetzt werden?

Photovoltaik-Freiflächenanlagen bieten die großartige Chance, die Ziele des Klimaschutzes und des Biodiversitätsschutzes auf nur einer Fläche gemeinsam zu erreichen – eine wirkliche Win-Win-Lösung.

Wir beim KNE plädieren daher dafür, verstärkt darüber nachzudenken, wie Betreiber von Freiflächenanlagen veranlasst werden könnten, auch einen Biodiversitäts-Aufwertungseffekt einzuplanen. Infrage kommen verpflichtende staatliche Vorgaben, freiwillige Vereinbarungen und/oder finanzielle Anreize, die sich an die Kommunen oder die Betreiber richten.

Verpflichtung der Kommunen

  • Statt Betreiber in die Pflicht zu nehmen, könnte man die Kommunen verpflichten, bei der Genehmigung von Solarparks bestimmte „Standards“ (Reihenabstände, maximal überstellte Fläche; Erstellung eines Aufwertungskonzepts) zu beachten. Derartige Standards könnten gegebenenfalls über das Baurecht oder eine entsprechende Verordnung verbindlich gemacht werden. Vorteil: die Auflagen, Beeinträchtigungen durch Solarparks zu minimieren und die naturschutzfachliche Entwicklung zu optimieren, wären für alle gleichermaßen obligatorisch. Auch eine Verpflichtung der Kommunen, Landschaftspläne nach § 11 Bundesnaturschutzgesetz aufzustellen, könnte eine Aufwertung unterstützten. Aus den Landschaftsplänen ließen sich konkrete Entwicklungsziele für die Solarpark-Flächen ableiten.

Städtebauliche Verträge

  • Kommunen wiederum könnten darauf hinwirken, dass Aufwertungsleistungen vertraglich – zum Beispiel über einen städtebaulichen Vertrag nach § 11 Baugesetzbuch – abgesichert werden. Die Verpflichtung zur Umsetzung bliebe auch bei etwaigem Betreiberwechsel erhalten. Ein solcher Vertrag darf jedoch nur Leistungen vom Projektierer fordern, die einen sachlichen Zusammenhang zum Bebauungsplan aufweisen. Vereinbar sind etwa Maßnahmen zur Eingliederung des Solarparks in die Landschaft, Pflege- und Entwicklungskonzepte und dazugehörige Maßnahmen sowie die Pflicht zur Dokumentation des Entwicklungsstandes, also das gute alte Monitoring.

Verpflichtung der Betreiberinnen und Betreiber über das EEG

  • Bestimmte Biodiversitätsstandards könnten auch zum Bestandteil der Ausschreibungen gemacht werden. Anlagen, die an einer Ausschreibung teilnehmen, um eine Vergütung nach dem EEG zu erhalten, kann auferlegt werden, ein (zielartenspezifisches) Pflege- und Entwicklungskonzept vorlegen zu müssen. Es versteht sich von selbst, dass die Mehrkosten für die Aufwertungsmaßnahmen nicht zu Wettbewerbsnachteilen bei der Ausschreibung führen dürfen.

Zertifizierung von Biodiversitäts-Solarparks

  • Für Projektierer einer Freiflächenanlage ohne EEG-Vergütung (so genannte PPA-Anlagen) könnte eine Biodiversitäts-Zertifizierung interessant sein. Voraussetzung hier ist die zügige Erarbeitung eines anerkannten Zertifizierungskonzepts, das Kriterien klar benennt und die Einrichtung einer anerkannten unabhängigen Zertifizierungsstelle. Den Anreiz, sich zertifizieren zu lassen, setzen zum einen der mit dem Gütesiegel einhergehende Imagegewinn, und zum anderen die Refinanzierung der Naturschutzmaßnahmen über einen „grünen“ Aufschlag auf den Strompreis. Zertifizierungen und Gütesiegel sind erprobte Mittel, um die Akzeptanz zu erhöhen und das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Akteure zu stärken.

Aufwertung mit Hilfe des Vertragsnaturschutzes

  • Auch der Vertragsnaturschutz bietet Möglichkeiten zur Refinanzierung von Aufwertungsmaßnahmen. Hierbei verpflichtet sich der Betreiber, über einen Zeitraum von fünf Jahren bestimmte Maßnahmen oder eine bestimmte Bewirtschaftungsweise durchzuführen oder von Dritten (Naturschutz- oder Landschaftspflegeverbände, Schäfereien) durchführen zu lassen. Die Übertragung an Dritte ermöglicht nicht nur eine Refinanzierung, sondern holt auch Know-how ins Boot. Die zuständigen Naturschutzbehörden würden anhand der landesweit geltenden Programme prüfen, welche Maßnahmen finanziert werden können.

Refinanzierung über eine Ökokonto-Regelung

Ob auch das genannte Ökokonto – also die Durchführung vorgezogener Ausgleichs- oder Auswertungsmaßnahmen, durch die ein Aufwertungsguthaben erzielt wird – eine Refinanzierungsmöglichkeit für Aufwertungsleistungen bieten könnte, wird derzeit noch unterschiedlich beurteilt. Die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehenden, freiwilligen Aufwertungsmaßnahmen müssten klar von den obligatorischen Maßnahmen abgrenzbar sein. Nur dann könnten die erzielten Biotopwertpunkte etwa einem kommunalen Ökokonto gutgeschrieben werden. Wenn dann die Kommune oder ein anderer Vorhabenträger eine Ausgleichsverpflichtung erfüllen muss, kann er die bereits erbrachte Aufwertungsleistung in Anspruch nehmen – wenn er sie finanziell abgilt. Auch auf diesem Wege könnten also die im Solarpark ergriffenen Maßnahmen refinanziert werden. Die Umsetzung dieses Konzepts in der Breite wird allerdings dadurch erschwert, dass einheitliche Standards zur Bewertung von Solarpark-Lebensräumen noch fehlen, was eine nachvollziehbare Bilanzierung, also den Vorher-Nachher-Vergleich der Lebensraumqualität, natürlich erschwert.

Fazit/Einordnung

Der Photovoltaik-Freiflächenausbau bietet nach unserer Auffassung ausgesprochen große Potenziale, die intensiv genutzte Agrarlandschaft ökologisch aufzuwerten, man sollte sie beherzt erschließen. Es muss geprüft werden, ob hierzu Freiwilligkeit der Projektierer ausreichen wird, oder ob es nicht zielführender ist, eine staatliche Verpflichtung aufzuerlegen. Wie auch immer: Die Unternehmen der Solarbranche können auf ihren Flächen auch Beiträge zur biologischen Vielfalt und zu größerer Vielfalt an Arten und Lebensräumen leisten. Und weil sie es können, müssen sie es auch, die Biodiversitätskrise erfordert es. Wir können es uns nicht leisten, die sich uns bietenden Chancen ungenutzt zu lassen.

Eine sorgfältige Planung und eine betriebsbegleitende Pflege und Entwicklung der Flächen kosten – wer will es bestreiten – Geld. Um die Wettbewerbsbedingungen nicht zu verzerren, müssen Aufwertungsverpflichtungen daher entweder für alle gelten oder aber die Kosten dafür dürfen im Wettbewerb nicht nachteilig ins Gewicht fallen, eher im Gegenteil. Auch sollte es nicht vom Verhandlungsgeschick der Betreiber und Kommunen abhängen, ob und welche Maßnahmen vereinbart werden.

Je verbindlicher eine biodiversitätsfördernde Aufwertung geregelt ist, und je mehr Betreiber sie praktisch umsetzen, desto positiver wird das Gesamtergebnis ausfallen. Es braucht kluge politische Entscheidungen, eine Intensivierung der erforderlichen Forschungsarbeiten und eine Beschleunigung der gesetzgeberischen Arbeiten. Denn Klimaschutz und Biodiversitätsschutz müssen gleichermaßen vorangebracht werden.

— Die Autorin Elke Bruns ist promovierte Landschaftsplanerin und Leiterin Fachinformation im Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). Sie war über 20 Jahre in Forschung und Lehre tätig, unter anderem an der Technischen Universität Berlin. In dieser Zeit bearbeitete und leitete sie Forschungsprojekte zu den Auswirkungen des Erneuerbaren-, Netz- und Speicherausbaus auf Natur und Landschaft. Seit 2017 ist sie im Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende tätig und leitet dort die Abteilung Fachinformation. —

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