EuGH: Bundesnetzagentur muss unabhängiger werden

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil die Position der Bundesnetzagentur gestärkt (Rs. C-718/18 vom 02.09.2021). Grundlage der Klage der EU-Kommission war die Frage, ob in Deutschland die Vorgaben der EU-Elektrizitätsrichtlinie und der EU-Erdgasrichtlinie ordnungsgemäß umgesetzt werden und die Bundesnetzagentur ausreichend unabhängig von der Politik agiert. Als Ergebnis des Verfahrens fordert der EuGH nun unter anderem eine völlige Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur. Bisher orientiere sich die Behörde bei der Festlegung von Netzentgelten an Regeln, welche die Politik beschlossen habe. Darin liegt dem Gericht zufolge das Risiko, dass die Bundesnetzagentur gegenüber Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Einrichtung nicht unparteiisch handelt. Die Behörde sollte nach eigenem Ermessen handeln können, also ohne an politische Vorgaben gebunden zu sein.

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die EuGH-Entscheidung Anpassungen ihrer Arbeitsweise erforderlich machen wird. „Es gilt nun, die Entscheidungsgründe sorgfältig auszuwerten. Die Bundesnetzagentur wird die Bundesregierung bei der zügigen Auswertung des Urteils unterstützen“, so Präsident Jochen Homann. Die Behörde will demnach rechtliche Unsicherheiten in der Übergangsphase so weit wie möglich reduzieren. „Wir gewährleisten Rechtssicherheit für die Investitionen, die zur Erreichung der Klimaschutzziele essentiell sind.“

„Das Urteil des EuGH erfordert die Neuordnung der Kompetenzen in der Energieregulierung“, so BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Die langfristigen Folgen der Entscheidung für die Energiewirtschaft seien noch offen. Dies hänge auch davon ab, wie der durch das Urteil entstandene Gestaltungsspielraum von Behörden und Politik in den kommenden Monaten genutzt werde. „Klar ist: Die Regulierungsbehörden erhalten in Zukunft eine größere Verantwortung“, so Andreae weiter. „In ihren Entscheidungen müssen sie den durch die Energiewende steigenden Anforderungen an die Netzinfrastrukturen Rechnung tragen. Die politischen Grundentscheidungen muss dabei weiter der Gesetzgeber treffen können.“ Der BDEW weist darauf hin, dass die Netzbetreiber auch bei größeren administrativen Entscheidungsspielräumen der Regulierungsbehörde ein hohes Maß an Investitionssicherheit brauchen. Dafür sei eine weitreichende Transparenz regulierungsbehördlicher Entscheidungen sowie ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit und Planbarkeit notwendig.

Die Kanzlei Becker Büttner Held hält das EuGH Urteil für falsch und sieht den europäischen Gesetzgeber in der Pflicht, das EU-Recht zu konkretisieren. Die Bundesregierung müsse hier auf eine Novellierung drängen. Denn: „Eine Umsetzung der Entscheidung des EuGH wirft bedeutende verfassungsrechtliche Fragen auf. Demnach wäre die Bundesnetzagentur eine Art ‚Superbehörde‘, die weitgehend frei von rechtlichen Vorgaben des deutschen Gesetz- und Verordnungsgebers ihr Recht letztlich selbst setzen und auch anwenden würde. Die Rechtsschutzmöglichkeiten für die von der Regulierung adressierten Unternehmen würden so gegen Null tendieren“, so Rechtsanwalt und BBH-Partner Christian Theobald. Er bezweifelt, dass ein solches Szenario im 3. EU-Energiebinnenmarktpaket intendiert war.

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