Bundesfinanzministerium schafft Einkommensteuerpflicht für Photovoltaik-Anlagen bis zehn Kilowatt ab

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Die Bundesregierung hat offenbar auf zwei Beschlüsse des Bundesrates reagiert. Dieser hatte auf Initiative des Baden-Württembergischen Finanzministeriums im Oktober 2020 die steuerliche Befreiung kleiner Anlagen im Einkommensteuergesetz gefordert. Am Mittwoch hat das Bundesfinanzministerium ein Schreiben an die Finanzverwaltungen veröffentlicht, in dem es heißt, dass „veranlagte Gewinne und Verluste (…) aus zurückliegenden Veranlagungszeiträumen, die verfahrensrechtlich einer Änderung noch zugänglich sind (…), nicht mehr zu berücksichtigen“ sind. Die Regelung gilt also auch rückwirkend für noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Steuerjahre. Steuerpflichtige müssen in diesen Fällen keine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für den Betrieb der Photovoltaik-Anlage oder des Mini-BHKW mehr abgeben. Einnahmen aus dem Verkauf des Stroms, zum Beispiel aus der EEG-Einspeisevergütung, werden in der Einkommensteuer damit nicht mehr berücksichtigt.

BMF-Schreiben sind direkte Verwaltungsanweisungen an die Finanzämter und werden in Abstimmung mit den Steuerbehörden der Bundesländer formuliert, um häufige steuerliche Sachverhalte einheitlich anzuwenden und Streit zu vermeiden. Immer öfter hatten einzelne Finanzämter in letzter Zeit bei Betreibern von kleinen Photovoltaik-Anlagen auf Wohnhäusern Liebhaberei und damit steuerliche Unbeachtlichkeit anerkannt und auf die Abgabe von Steuererklärungen dafür verzichtet. Die Diskussionen mit den Finanzämtern waren jedoch für die privaten Anlagenbetreiber oft mühsam und setzten steuerrechtliches Detailwissen voraus.

Live-Steuersprechstunde

Am 6. Juli planen wir von 16 bis 18 Uhr eine Live-Steuersprechstunde. Unser Steuerexperte Thomas Seltmann und Steuerberater Markus Sprenger. Falls Sie Interesse an einer Teilnahme haben, melden Sie sich direkt mit ihrer Steuerfrage an.

Die Umsetzung in Form eines BMF-Schreibens vermeidet zunächst ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren und stützt sich auf die Tatsache, dass bei kleinen Photovoltaik-Anlagen keine steuerliche, unternehmerische Gewinnerzielungsabsicht mehr vorliegt (siehe dazu Wirtschaftlich – aber ohne „Gewinn“). Damit sowie mit einer Entlastung von Bürokratie hatte auch der Bundesrat seine Forderung begründet.

Steuerpflichtige können die Vereinfachung dem BMF-Schreiben zufolge formlos schriftlich beantragen, wenn die Anlagen auf „zu eigenen Wohnzwecken genutzten oder unentgeltlich überlassenen Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken einschließlich Außenanlagen (zum Beispiel Garagen) installiert sind und nach dem 31. Dezember 2003 in Betrieb genommen wurden“. Es handelt sich ausdrücklich um ein „Wahlrecht“. Wer beispielsweise durch Abschreibungsmöglichkeiten Steuervorteile nutzen will, kann dem Ministerium zufolge weiterhin eine Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall nachweisen.

Terminhinweis

Die Neuregelung des BMF ist auch Thema beim nächsten Photovoltaik-Spezialwebinar von Steuerseminare Graf am 15. Juni 2021. Unser Autor Thomas Seltmann ist wieder Co-Referent mit dem Steuerfachmann Johann Erwin Graf. Die Veranstaltungen und Onlineseminare richten sich an Steuerberater und Mitarbeiter von Steuerkanzleien und sind auch für Photovoltaikexperten interessant, die tiefer in die Steuerthematik einsteigen wollen.
https://www.steuerseminare-graf.de/seminare/live-webseminare/pv-anlagen-spezial-i-2021-live-webseminar/

Der Steuerexperte Johann-Erwin Graf sieht jedoch auch Nachteile im pragmatischen Vorgehen des Bundesfinanzministeriums: „Anlagen bis zehn Kilowatt sollten sowohl von der Einkommensteuer als auch von der Umsatzsteuer befreit werden. Das Wahlrecht des BMF gilt aber nur für die Einkommensteuer und wird wohl zu neuen Streitigkeiten führen.“

Das neue BMF-Schreiben regelt ausschließlich die ertragssteuerliche Behandlung der Photovoltaik-Anlage und betrifft nicht die Umsatzsteuer. Weiterhin kann der Anlagenbetreiber also die Umsatzsteuerpflicht wählen, um den Kaufpreis der Anlage zu reduzieren. Allerdings muss er dann in den ersten beiden Jahren vierteljährliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben, jährliche Umsatzsteuererklärungen erstellen und für den privaten Stromverbrauch aus der Photovoltaik-Anlage Umsatzsteuer zahlen (siehe dazu auch Steuertipps: Umsatzsteuerpflicht oder Kleinunternehmer?). Wählt er hingegen die Kleinunternehmerregelung, lässt sich in Verbindung mit der aktuellen Regelung des BMF-Schreibens die „Photovoltaik ohne Finanzamt“ ohne Diskussion mit den Behörden praktisch umsetzen.

 

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