In Deutschland sind 2019 laut der vorläufigen Treibhausgas-Bilanz des Umweltbundesamtes (UBA) die Treibhausgasemissionen um 6,3 Prozent gesunken. Laut Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat Deutschland 2019 „einen großen Schritt beim Klimaschutz geschafft“. (https://www.bmu.de/pressemitteilung/treibhausgasemissionen-gingen-2019-um-63-prozent-zurueck/)
Tatsächlich glauben viele Menschen, bis hinein zu Teilen der Klimaschutzbewegung, dass mit einem Rückgang der Treibhausgasemissionen auch die weitere Erwärmung der Atmosphäre gestoppt oder gar eine Abkühlung einhergehen würde. Doch dies ist schlicht falsch. Selbst mit einem Rückgang der Emissionen wird die Treibhauskonzentration der Atmosphäre weiter steigen, denn es werden ja weiter erhebliche Mengen in die Atmosphäre emittiert. Damit beschleunigt sich die Geschwindigkeit der irdischen Temperaturaufheizung sogar weiter.
Dabei ist der Klimanotstand auf der Erde ja bereits heute weit verbreitet. Ganze Weltregionen befinden sich ja schon in Ausnahmezuständen – wie das südliche Afrika, wo zuletzt durch den Wirbelsturm Idai über 1300 Menschen starben und ein Jahr später noch immer 200.000 Häuser beschädigt oder komplett zerstört sind. (https://www.dw.com/de/kaum-wiederaufbau-ein-jahr-nach-dem-zyklon-idai/a-52662600)
Deshalb war das Ziel der Bundesregierung, 40 Prozent Emissionsreduktion bis 2020 anzustreben, von Anfang an unverantwortlich niedrig, und erst recht das Ziel bis 2050 80 bis 90 Prozent an Emissionen zu reduzieren. Was wir brauchen ist eine Nullemissionswelt bis 2030.
Nun aber zur Frage, ob denn die berechnete Treibhausgasemissionsreduktion von 6,3 Prozent in 2019 tatsächlich einer entsprechenden gesamten Emissionsreduktion gleichkommt und ob dies nachhaltig ist, also in den nächsten Jahren ähnliche Reduktionen zu erwarten sind.
Einer der größten Posten der Treibhausgasemissionsreduktionen wurde durch höhere Preise im Emissionshandel verursacht: So sind Kohlekraftwerke abgeschaltet worden und zum Teil durch Erdgaskraftwerke ersetzt worden. Damit ergeben sich tatsächlich niedrigere CO2- Emissionen in Deutschland, aber durch die Umstellung auf Erdgas nicht niedrigere Treibhausgasemissionen bei Berücksichtigung der gesamten Kette der Erdgasbereitstellung. Die hohen Methanemissionen bei der Förderung und beim Transport des Erdgases beispielsweise in Russland machen die CO2-Minderungen in Deutschland mindestens wieder wett. Unter dem Strich wird also mit dem Wechsel von Kohle zu Erdgas kein Klimaschutz erreicht. (http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Erdgasstudie_2019.pdf)
Diese im Ausland verursachten Methanemissionen durch Erdgasnutzung im Inland gehen nicht in die nationale Bilanz ein. Aber der Atmosphäre ist es egal, wo die Emissionen entstehen, am Schornstein des Erdgaskraftwerkes in Deutschland oder an der Erdgasbohrstelle in Russland. Hier täuscht die Bundesregierung also nur einen Klimaschutzerfolg vor, der in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.
Ehrlicher ist Umweltministerin Schulze dann mit dem Einfluss der erneuerbaren Energien. Sie sind neben den Erdgaskraftwerken die Hauptquelle der berechneten Emissionsreduktion für 2019. Zu Recht betont sie, dass die dadurch erfolgten Reduktionen kaum durch den Neubau von Erneuerbaren verursacht wurden, sondern im Wesentlichen nur durch besonders viele Sonnenstunden und viel Wind im Jahr 2019.
Ihre Schlussfolgerung, dass der Ausbau der erneuerbare Energien wesentlich verstärkt werden muss, ist vollkommen richtig. Doch genau das schafft die Bundesregierung, der sie ja angehört, nicht. Es gibt seit vielen Monaten Stillstand in den dringend politisch erforderlichen EEG-Änderungen, wie die Aufhebung des 52 Gigawatt-Deckels in der Photovoltaik, dem Verhindern der Ausbaubremsen bei der Windkraft mit der 1000 Meter-Abstandsregelung oder zu niedrigen Offshore-Windzielen. Genauso wenig wird ein Wiedererstarken der bürgerlichen Investitionen gefördert, etwa mit einem Zurück zur festen Einspeisevergütung statt den Ausschreibungen.
Es ist sogar zu erwarten, dass die Emissionen in den kommenden Jahren wieder steigen, da die Bundesregierung nichts tut, um die drohende Schließung vieler Bestandsanlagen von Biogas, Windkraft und Photovoltaik nach dem Ende der Vergütungszahlungen ab 2021 zu verhindern. Selbst wenn, was sich abzeichnet, die Corona-Krise eine erhebliche CO2-Emissionsreduktion in 2020 bewirken wird, so kann auch das nicht als Klimaschutzerfolg bezeichnet werden, da ja die Umsetzung struktureller wirtschaftlicher Veränderung hin zu einer Nullemissionswirtschaft nicht wirklich stattfindet. Im schlimmsten Falle behindert die Corona-Krise sogar die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien, weil die wirtschaftlichen Einbrüche auch den Klimaschutzsektor betreffen, der nun ebenfalls in Schwierigkeiten kommt.
Der Ausbau und Bestandschutz des Ökostromes ist der Kern des Klimaschutzes, denn der Ökostrom muss in die Elektroantriebe im Verkehr und die Wärmepumpen der Heizungen, er muss als grüner Wasserstoff in die Industrie. Die vorgelegte Klimabilanz 2019 zeigt ja erneut auf, dass der Verkehrs- und Wärmesektor ihre Emissionen sogar gesteigert haben.
Die rechnerischen 6,3 Prozent Emissionsreduktion in 2019 täuschen darüber hinweg, dass die Bundesregierung weiterhin vollkommen untätig ist, was den Klimaschutz betrifft. Für 2020 zu warten, dass nochmal mehr Wind weht und Sonne scheint, ist nicht genug und das stärkere Emittieren von Methan in Russland durch den Umstieg von Kohle auf Erdgas in Deutschland hilft dem Klima gar nichts. Echte positive Effekte für den Klimaschutz kann die Bundesregierung auch in der Bilanz 2019 nicht vorweisen.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Ich bin zwar auch der Meinung, dass Erdgas keine besseren CO2-Werte hat, als Kohle. Aber der Unterschied ist, dass man durch die schnelle Regelbarkeit der Kraftwerke auch viel schneller EE ins System einbinden kann und damit der Erdgasverbrauch auch schnell wieder gesenkt werden kann (bis gegen Null). Also doch eine sinnvolle Brückentechnologie mit CO2-Einspareffekt. Das gilt natürlich nur, wenn das Ausbremsen der EE endlich beendet wird. Dazu kommt, dass man auch relativ schnell in das Gassystem Wasserstoff integrieren kann. Denn der Umbau in eine Wasserstoffnetz braucht auch seine Zeit und darf nicht systembedingt behindert werden.
52 GW-Deckel ist für mich nur ein Synnonym, aber nicht wichtig.
Die Kontrahenten innerhalb der Bundesregierung sollten jetzt ihren internen Disput für den besseren Weg der Energieerzeugung mit Hilfe von alternativen Energieen jetzt endlich auf Reihe bringen und liefern. Corona ist hierfür mal keine akkzeptable Ausrede, mehrere Zweige der aufsteigenden Industrie weiterhin in Beugehaft zu nehmen..
Wann finde ich die Energieagenda 2024, nach Abschaltung der letzten AKWs?
Wie werde ich in 2030 mit Strom versorgt werden?
Spielt jemand mit dem Gedanken, den Strom grundsätzlich nur noch von den Nachbarn zu beziehen?
Lieber Thomas,
sich darauf zu verlassen, dass die Nachbarn Strom (aus KKW und Kohle) gerne liefern würden, wäre vielleicht nicht so optimal. Zur Zeit exportieren wir netto allerdings 10% unseres Stroms und machen damit Erneuerbaren Energien in unseren Nachbarländern das Leben schwer. Die richtige Lösung lautet: Export reduzieren, nicht den gleichen Fehler in der umgekehrten Richtung machen, den Stromaustausch mit den Nachbarländern nur noch nutzen, um temporäre Ungleichgewichte zum Nutzen aller auszugleichen. Wenn wir für einige Zeit nach dem Abschalten der KKW Strom aus den Nachbarländern netto importieren müssen, bis wir mit dem Aufbau von Erneuerbaren hinterhergekommen sind, wäre das hinnehmbar, vorausgesetzt, unsere Nachbarn haben etwas zu exportieren. Praktisch wird die Abschaltung der KKW angesichts der Untätigkeit (oder besser: kontraproduktiven Tätigkeit) unserer gegenwärtigen Regierung wohl zum Teil aus Importen, zum Teil aus Kohlekraftwerken kompensiert werden. Wollen wir hoffen, dass die nächste Bundesregierung besser dabei ist, den Anteil an Erneuerbaren entsprechend den großspurig verkündeten Zielen auch tatsächlich zu erreichen!
Schaut man sich die Stromerzeugungskurven bei Agorameter oder Energiecharts genau an, stellt man fest, dass die PV außer dem Nacht-Problem auch noch ein Morgen- und Abendproblem hat. Deshalb müssen zu diesen Zeiten die Pumpspeicherwerke liefern. Mit mehr Ost-West-Anlagen könnte man dieses Problem deutlich verringern. Die Pumpspeicherwerke könnten dann zur Lösung des Nachtproblems herangezogen werden. Dazu wären aber Änderungen im EEG notwendig, die Anreize für Ost-West-Anlagen setzen. Solche Änderungen sind aber ebenfalls nur von einer Regierung zu erwarten, die die Erneuerbaren fördern und nicht behindern will.
Ich habe vor kurzem eine Photovoltaikanlage (02.04.2020, 9,78 KW Peak) aufs Hausdach Montieren lassen, mit dabei ist eine 12.5KW Batterie im Keller, seit diesem Tag habe ich vom Netz 2KW Strom beziehen müssen und das nur weil die Waschmaschine noch auf Früh Morgens Programmiert war. Für die schlechten Zeiten haben wir eine Stromflatrate bei einer Firma aus dem Allgäu mit dazu gebucht die den Überschüssigen Strom den wir Tagsüber einspeisen entsprechend anderen Stromflatkunden zu Verfügung stellen, Diesen Strom bekommen wenn wir mehr Bedarf als Produzierten Strom benötigen per Flatrate zurück diese Flatrate beinhaltet 8000KW/h die auch in den nächsten Jahren eine Wärmepumpe betreiben soll, damit sehen wir auch heute geht es bereits unseren CO² Fußabdruck aus Sicht von Haushaltsstrom und Warmwasserbereitung und Heizung auf Null Emission zu drücken. Und Reichlich Geld ist zusätzlich gespart.
Einzig eine Lösung für die Mobilität habe ich noch nicht wirklich gefunden, wenn meine Solaranlage Strom liefert, steht mein Auto auf dem Firmenparkplatz rum und kann nicht mit sauberem Strom geladen werden.
Das ganze soll Verdeutlichen, dass es auch heute schon möglich ist mit Erneuerbaren Energie das ganze Haus zu versorgen. Ich bin weiß Gott kein Öko und mache das aus Idealismus heraus, das ganze ist wohl Kalkuliert und wird sich nach heutigem Stand der Dinge in ca. 7 Jahren Amortisiert haben und ich lebe Energietechnisch gesehen für annähernd lau.
Viele Grüße vom Bodensee