Wie die Steag Sens entstanden ist

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pv magazine: Sens ist aus der Gildemeister Energy Solutions entstanden, die weltweit Solarprojekte umsetzt. Die neue Muttergesellschaft Steag, die die Geschäfte vor einigen Monaten übernommen hat, ist dagegen unter anderem bekannt, weil sie Kohlekraftwerke betreibt. Wie passt das zusammen?

André Kremer (Foto): Prinzipiell passt das sehr gut zusammen. Zwar war auch unser erster Gedanke, dass der Steag-Konzern vielleicht zu sehr mit der Steinkohle und der alten Welt verhaftet sein könnte. Also genau mit dem, was wir mit unseren Technologien reduzieren wollen. Aber wir hatten da ein falsches Bild. Tatsächlich ist Steag breit aufgestellt, hat schon vor Jahren die Zeichen der Zeit erkannt und ein großes Portfolio an erneuerbaren Energien aufgebaut, bestehend vor allem aus Windkraft-, Solarthermie- und Solaranlagen. Außerdem hat das Unternehmen sehr viele Erneuerbare-Energie-Anlagen von Dritten in der Betriebsführung, zum Beispiel in Brasilien. Für uns ist es extrem spannend, jetzt einen Eigentümer zu haben, der weiß, wie das Projektgeschäft funktioniert und darüber hinaus verstanden hat, dass etwas verändert werden muss. Und wir sind jetzt Teil eines Konzerns, der den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien als elementaren Bestandteil in seiner Unternehmensstrategie verankert hat.

Wie war das vor der Übernahme durch Steag?

Da war das anders. Wir waren Teil der DMG Mori Aktiengesellschaft. Das ist das weltweit führende Unternehmen im Dreh- und Fräsmaschinenbau. Der Fokus des Konzerns liegt naturgemäß auf Entwicklung, Herstellung und Verkauf von Werkzeugmaschinen. Wir als ein stark wachsender Unternehmensteil, der Erneuerbare-Energien-Projekte im fernen Australien, Russland, Namibia und an vielen anderen Orten errichtet, haben da nicht mehr reingepasst. Wir haben daher gemeinsam mit der DMG einen neuen Eigentümer gesucht – und gefunden. Steag ist klar, dass erneuerbare Energien weltweit in der Energieerzeugung eine immer wichtigere Rolle spielen werden.

Was ist Ihre Kernkompetenz?

Wir belassen es nicht dabei, einen Pfosten in den Boden zu rammen und ein Modul zu verkabeln. Unsere Kompetenz deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab: Entwicklung, Planung und Strukturierung des gesamten Projekts.

Wie ordnen Sie sich in den Steag-Konzern ein?

Die Sens ist eine Tochtergesellschaft der Steag Energy Services GmbH, kurz SES, und damit Teil des wachsenden Dienstleistungsgeschäfts von Steag. Die SES ist sehr international ausgerichtet und kombiniert mit mehr als 2500 Mitarbeitern aus 30 Nationen das Know-how eines renommierten Ingenieurunternehmens mit der Expertise eines auf IT-Lösungen für Energieerzeugungsanlagen spezialisierten Softwarehauses. Darüber hinaus betreibt SES Energieerzeugungsanlagen für ihre Kunden auf Basis unterschiedlichster Technologien mit einer Leistung von insgesamt 7300 Megawatt und leistet Betriebsführungsunterstützung für weitere 3600 Megawatt. Daneben gibt es auch noch andere Steag-Gesellschaften, die im Markt der Erneuerbaren unterwegs sind, beispielsweise die Steag New Energies. Hier besteht gewiss noch Synergiepotenzial im Konzern.

Sie haben gesagt, Sie sind stark gewachsen. Wie stark?

Zwischen 2016 und heute haben wir uns bezüglich des Umsatzes verachtfacht, bezüglich des Personals auf jetzt 175 Mitarbeiter vervierfacht. Das wird auch die nächsten Jahre in einem ähnlichen Tempo so weitergehen.

In welchen Solar-Geschäftsfeldern sind Sie aktiv?

Wir sind hauptsächlich als EPC- und O&M-Dienstleister für Photovoltaik-Anlagen aktiv, sowohl Freiflächen- als auch Dachanlagen. Darüber hinaus entwickeln wir diese Projekte selbst. Das sind zwei sehr unterschiedliche Kundensegmente. Das eine sind vor allem institutionelle Investoren, das andere sind klassischerweise Gewerbekunden, die Dachanlagen mit E-Mobility- und Speicherlösungen kombinieren wollen. In Deutschland bauen wir in etwa gleich viele Megawatt an Dachanlagen wie an großen Kraftwerken. International dominieren die Kraftwerke. Erst im Dezember haben wir angekündigt, dass wir den ersten großen Schritt in Italien machen und Photovoltaik-Anlagen mit 440 Megawatt in der Entwicklung haben. Weltweit sehen wir über die nächsten zwei Jahre sogar ein Potenzial für rund 1,5 Gigawatt aus eigener Projektentwicklung.

Haben Sie schon Erfahrungen mit PPA-finanzierten Anlagen?

Ja, wir entwickeln in Deutschland, Spanien, Italien und UK Anlagen mit PPAs. In diesen Ländern sind momentan unsere größeren Projekt-Pipelines.

Sehen Sie auch in Deutschland große Erfolgschancen für PPA-Anlagen, sagen wir in den nächsten drei Jahren?

Vom Gesetzgeber müssen noch einige Themen angepasst werden, aber wenn ich mir anschaue, was in Spanien momentan passiert und was wir in Italien machen, dann bin ich mir sicher, dass Deutschland auch mit größeren Anlagen nachziehen wird. Drei Jahre wird das nicht dauern.

Spüren Sie Vorbehalte bei Kunden, weil Ihr Name jetzt mit Kohle assoziiert wird?

Diese Sorge hatten wir zunächst. Glücklicherweise war sie aber unbegründet. Denn tatsächlich bekommen wir vom Markt eine enorm positive Resonanz auf die Übernahme durch Steag. Die langfristige Orientierung und Sicherheit spielen für unsere Geschäftspartner eine große Rolle. Bei der DMG schwebte immer das Damoklesschwert über uns, ob ein Maschinenbauer sich wirklich langfristig im Segment erneuerbarer Energien betätigen wird.

Betreibt die Steag schon Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland selber und welche Rolle spielt dabei Photovoltaik? Was ist der Steag-Energiemix?

Die Investitionen in Erneuerbare in Deutschland sind im Steag-Konzern in der Steag New Energies GmbH, kurz SNE, konzentriert. Die SNE ist darauf spezialisiert, dezentrale Energielösungen zu entwickeln und zu realisieren. Dabei kann es um Strom, Wärme, Fernwärme, Kälte, Druckluft oder Prozessdampf gehen. In Summe betreibt SNE mehr als 200 dezentrale Anlagen. Im Bereich der Erneuerbaren hat SNE insbesondere bei der Erzeugung von Strom und Wärme aus Grubengas und Biomasse sowie bei der Fernwärmeversorgung auf Basis von Geothermie eine führende Position.

Und wie sieht es mit Photovoltaik aus?

Bislang hat die Sens keine Photovoltaik-Anlagen im Bestand. Wir hoffen natürlich, dass sich in absehbarer Zeit ändern wird.

Wer sind die Eigentümer der Steag?

Hinter der Steag GmbH stehen sechs Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet, die ihre Anteile in der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft (KSBG) gebündelt haben. Größter Anteilseigner sind die Stadtwerke Dortmund mit 36 Prozent.

Das heißt, da kann die Politik mitbestimmen, in welche Richtung der Konzern geht. Was geben die Gesellschafter der Steag für die Energiewende mit, etwa wie auf erneuerbare Energien umgestellt werden soll? Sollen Kraftwerke für Erneuerbare gebaut werden oder will man den erneuerbaren Strom zukaufen? Gibt es eine Roadmap für den Ausbau der erneuerbaren Energien?

Die mittelbaren Gesellschafter stärken Steag im Rahmen von Investitionsentscheidungen den Rücken, mischen sich jedoch nicht in das operative Geschäft ein. Versorgungssicherheit ist für die Konsorten einer der übergeordneten Zwecke der Steag. Es gibt keine Vorgaben oder Ähnliches, die Geschäftsführung stimmt die strategische Ausrichtung des Konzerns, Wachstumsfelder, aber auch nationale und internationale Investitionsprojekte eng mit den Anteilseignern ab. Ich selbst habe hohes Vertrauen in die Geschäftsführung der Steag GmbH sowie in die Gesellschafter der KSBG, dass sie die richtige Mittelallokation für Wachstumsinvestitionen im Konzern herleiten. Dazu zählen natürlich auch die Projekte der Sens.

Sie hatten positiv vermerkt, dass Steag das Projektgeschäft kennt. Es ist aber ein Riesenunterschied, ob ich eine große zentrale Anlage baue oder viele dezentrale Anlagen, schon allein bezüglich der Logistik. Wie vergleichbar ist das Projekt-geschäft aus der alten Welt mit dem der neuen Welt?

Natürlich haben die Großkraftwerke von Steag ganz andere Laufzeiten und auch Vorlaufzeiten. Wir sind in deutlich kürzeren Zeithorizonten unterwegs, viel flexibler und viel dynamischer. Aber in dieser Hinsicht befruchten wir uns schon recht gut. Wir lernen einiges vom Großkraftwerksbau dazu und können auf Erfahrungen von guten Technikern und Juristen zurückgreifen. Umgekehrt bekommt Steag einen Eindruck von dem Tempo und der ganz anderen Dynamik in unserem Geschäft. Man hat uns im Juli 2019 mit offenen Armen empfangen, man hört uns zu und man geht auch auf uns ein.

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