Deutschland und Niederlande könnten 110 Gigawatt Elektrolyseurkapazität installieren

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Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen werden als Lösung zur dringend benötigten Steuerbarkeit für die variable Erzeugung erneuerbarer Energien gepriesen. Daraus resultierend könnten die Küstenregionen Deutschlands und der Niederlande bis Mitte des Jahrhunderts 110 Gigawatt Elektrolyseur-Kapazität beherbergen, so die Prognose eines Berichts des niederländischen Übertragungsnetzbetreibers Tennet und des Gasinfrastrukturunternehmens Gasunie. Bereits im Februar vergangenen Jahres veröffentlichten die beiden Unternehmen einen Bericht, wie die Energieinfrastruktur 2050 aussehen könnte. Nun haben sie die Ergebnisse nochmals aufgegriffen und um drei mögliche Szenarien für Netto-Null-Emissionen 2050 in den Niederlanden und Deutschland ergänzt.

Die Szenarien unterscheiden sich je nach dem Grad der Elektrifizierung, dem Volumen der Importe von grünem Gas und dem Einsatz erneuerbarer Energien. 2050 werden die Gas- und Stromsysteme laut der Studie viel enger miteinander verbunden sein, um ein Wachstum der Elektrolyseur- und Methanproduktionskapazität zu ermöglichen. „Wir müssen die Gas- und Stromnetze integrieren, um die energiepolitischen Ziele zu erreichen“, sagte Tennet-Chefin Manon van Beek. „Dazu brauchen wir ein integriertes europäisches Energiesystem. Nationale Energiepolitik und wichtig und bringt den ersten Schritt zum Ausbau der erneuerbaren Energien, aber wenn wir wollen, dass die Energiewende rechtzeitig und erschwinglich ist, brauchen wir eine enge politische Zusammenarbeit innerhalb Europas.“

Die Menge an grünem Gas auf dem Markt wird durch die Nachfrage durch Autos und Heizung bestimmt, während der erreichte Elektrifizierungsgrad in der Wirtschaft und die Erzeugungskapazität der erneuerbaren Energien die Infrastruktur stark beeinflussen werden. Die Datensätze die Tennet und Gasunie für ihre Modelle sammelten, stammen aus den zehnjährigen Netzentwicklungsplänen Deutschlands und der Niederlande, aus Strategien zur CO2-Reduzierung und den Zeitplänen für die Stilllegung von Kohle- und Kernkraftwerken. Diese Daten wurden dann mit Informationen über die geplante Interkonnektor- und Übertragungskapazität für Strom, Gas, Wasserstoff und Methan überlagert. Die letzteren Datensätze wurden vom Europäischen Netzwerk der Übertragungsnetzbetreiber (Entso-E) und dem Gasäquivalent Entso-G zur Verfügung gestellt.

Alle drei Szenarien gingen von einer 95-prozentigen Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts aus. Das daraus resultierende „Integrated System Expansion Model“ soll die Auswirkungen unterschiedlicher Wasserstoff- und Methannutzung auf die Kosten des Energiesystems, die Auslastung der Infrastruktur und die Entscheidungen über den Kraftwerkssteuerung simulieren. „Die bestehenden Gas- und Stromnetze spielen gemeinsam eine entscheidende Rolle im Energiesystem der Zukunft“, sagte Gasunie-Geschäftsführer Han Fennema. „Um die zunehmenden Schwankungen im Energienetz zu bewältigen, müssen unsere Gas- und Strominfrastrukturen nahtlos aufeinander abgestimmt werden. Die Verbindung des Tennet- mit dem Gasunie-Netz wird die vom Energiesystem geforderte Flexibilität bieten und das System zuverlässig und erschwinglich halten“.

Die Studie ist die erste, die eine gemeinsame Maximierung der Investitions- und Dispatching-Szenarien über beide Netze betrachtet, um den Wert von Power-to-Gas-Kapazitäten besser zu ermitteln. Die Autoren modellierten zum Beispiel Dispatching- und Netzflexibilitätsoptionen mit Bezug auf verbundene Gas- und Stromnetze, die es ermöglichten, die Anzahl der Stunden pro Jahr zu berücksichtigen, in denen die Elektrolyseure in den drei Szenarien mit Volllast arbeiten würden. Das Modell, das auf dem höchsten Volumen an erneuerbarer Energieerzeugungskapazität basiert, würde zwischen 2040 und 2050 in Deutschland und den Niederlanden eine Elektrolyseurkapazität von etwa 110 Gigawatt vorsehen.

Eine bescheidene Elektrifizierung mit einem immer noch beträchtlichen Volumen an erneuerbaren Energieanlagen würde der Studie zufolge 63 Gigawatt Elektrolyseure benötigen, und ein geringerer Grad an Elektrifizierung und erneuerbarer Kapazität würde 2050 zu 8 Gigawatt Elektrolyseurkapazität führen. Die kleine Zahl für das letztere Szenario spiegelt einen Energiemix wider, bei dem erneuerbare Energien die Stromnachfrage decken, aber keine nennenswerte Überschusserzeugung zur Speisung der Elektrolyse produzieren können. In einem solchen Fall würden Importe von grünem Gas die Nachfrage decken, wobei die Elektrolyseure 2050 nur etwa 1900 Stunden lang unter Volllast arbeiten würden. In dem Szenario, das von einem höheren Gasverbrauch ausgeht, wäre die Stromnachfrage niedriger, so dass mehr erneuerbare Energie für die Power-to-Gas-Einspeisung genutzt werden könnte. Daher würden in einem Szenario mit erheblichen Mengen an grünem Gas und einer hohen Kapazität an erneuerbaren Energien die Elektrolyseure Mitte des Jahrhunderts bei 4770 Volllaststunden pro Jahr laufen.

Wenn Mobilität, Heizung und industrielle Prozesse so optimiert werden, dass sie mit Strom statt mit gasförmigen Brennstoffen betrieben werden, und große Überkapazitäten an erneuerbaren Energien eingesetzt werden, würde man erwarten, dass die Elektrolyseure 6990 Volllaststunden leisten. Im dritten Szenario würde Wasserstoff als saisonaler Speicher dienen und wieder in Strom und Wärme umgewandelt werden, anstatt beispielsweise als Kraftstoff für die Mobilität verwendet zu werden. Methanisierungsanlagen sind in keinem der Szenarien enthalten, was vor allem an der damit verbundenen größeren Effizienzverluste liegt. Der Strombedarf und die Wasserstofferzeugung würden wahrscheinlich vor der Methanisierung in Angriff genommen werden, heißt es weiter.

Das derzeitige Gasnetz kann der Studie zufolge ohne kostspielige Umrüstungen nur einen Bruchteil an Wasserstoff aufnehmen. Die Synthese von Methan aus Wasserstoff macht es kohlenstoffneutral, wenn auch mit einem zusätzlichen, energieintensiven Umwandlungsschritt, der die Kosten noch weiter in die Höhe treibt.

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