Legal oder illegal – Stecker-Solar-Geräte im Labyrinth der Normung

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In einer Kolumne auf „Spiegel Online“ sind Stecker-Solar-Geräte – die lange als Guerilla-Anlagen galten – kürzlich ungewohnt euphorisch als „Lizenz zum Gelddrucken“ bezeichnet worden. Als „Revolution der Stromguerilla ohne Bürokratie und Elektroinstallateur“ feiert die wöchentliche Sendung „Quer“ des Bayerischen Rundfunks die „Energiewende von unten“. Gemeint sind Solarmodule für Balkon und Terrasse, die per Stecker mit dem häuslichen Stromnetz verbunden werden, ohne aufwendige Installation.

Gemacht haben das Solarbastler schon, seit es Solarmodule und Netzeinspeise-Wechselrichter zu kaufen gibt, aber so richtig in Fahrt gekommen ist diese einfache und praktische Anwendung der Photovoltaik erst, seit die Bausätze aus Solarmodul und Wechselrichter nicht viel mehr kosten als ein mittleres Smartphone.

Preiswerte Photovoltaik für Mieter

Erschwinglich und interessant wurden sie dadurch auch für Mieter und Geringverdiener, deren persönliche Teilhabe an der Energiewende bisher vor allem darin bestand, über den Strompreis die EEG-Umlage mitzufinanzieren. Jetzt können sie auch selbst Solarstrom gewinnen und nutzen und so auch von der Verbilligung der Photovoltaik profitieren, die sie über den Strompreis mitbezahlen.

Eine Lizenz zum Gelddrucken sind die Stecker-Solar-Geräte freilich nicht: Ein 300-Watt-Solarmodul mit Wechselrichter für den Balkon kostet etwa 350 bis 500 Euro und spart pro Jahr realistisch 40 bis 60 Euro. Wenn alles gut geht, amortisieren sie sich aber ähnlich schnell wie große Photovoltaik-Anlagen und halten ähnlich lange.

Auch das Energieprojekt der Verbraucherzentrale NRW unterstützt diese Prosumertechnik für Wohnungsnutzer und fordert weitere Vereinfachungen und weniger Bürokratie. Denn anders als die Jubelmeldungen der letzten Zeit Glauben machen, ist es für normale Verbraucher nach wie vor häufig nicht ganz einfach, ihr Stecker-Solar-Gerät bedenkenlos in Betrieb zu nehmen. Stattdessen werden der Kauf und Anschluss durch unverhältnismäßig strenge Vorgaben behindert und Verbraucher eher verunsichert. Komplizierte Regeln, die von vielen dann nicht eingehalten werden, sorgen aber nicht für mehr, sondern für weniger Sicherheit.

Steckersolar ist sicher

Ja, es hat bereits wesentliche Verbesserungen gegeben: Vor gut drei Jahren wurde von Fachgremien und Behörden noch behauptet, der Betrieb solcher Geräte sei brandgefährlich und schlicht verboten. Dabei ist trotz geschätzt mehr als 100.000 solcher Systeme in Deutschland und Nachbarländern bisher kein Schadensfall bekannt geworden und nirgendwo war je ein ausdrückliches Verbot der Geräte festgeschrieben.

Das liegt zunächst einmal daran, dass die Stecker-Solar-Geräte grundsätzlich sicher und ungefährlich sind. Voraussetzung dafür ist, dass die verwendeten Modulwechselrichter die Anforderungen erfüllen, die auch an Wechselrichter für normale Photovoltaik-Anlagen gestellt werden. Sie müssen also die Norm für Photovoltaik-Wechselrichter einhalten. Darin ist festgelegt, dass bei Abschaltung die Anschlusskontakte schneller spannungsfrei sein müssen, als das beispielsweise von Staubsaugern verlangt wird.

Die DGS Berlin Brandenburg setzt sich wie die Verbraucherzentrale NRW in den Normungsgremien vehement dafür ein, dass Stecker-Solar-Geräte ohne große Hürden verwendet werden können. Kontroversen gibt es unter anderem noch bei der Frage der Sicherstellung der Eignung des Endstromkreises und bei den Steckverbindern. Laut DGS und etlichen anderen Experten ist ein Modul mit Schukostecker sicher und erfüllt das Schutzziel.

Grafik: pv magazine/Harald Schütt

Vereinfachung in zwei Normen

Inzwischen wurden auf Betreiben engagierter Fachleute wie dem Arbeitskreis „PVplug“ der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) zwei elektrotechnische Normen zugunsten der Stecker-Solar-Geräte geändert.

Wichtigster Durchbruch war dabei die Installationsnorm VDE 0100-551-1. Darin ist jetzt erstmals ausdrücklich erlaubt, dass ein Stromerzeuger per Stecker an einen Stromkreis angeschlossen werden darf, der eigentlich für den Anschluss von Verbrauchsgeräten gedacht ist. Die Norm setzt dabei keine starre Grenze, sondern definiert eine Regel, nach der ein Fachmann ermitteln kann, wie viel Leistung risikolos in einen bestimmten Stromkreis eingespeist werden kann. Zudem fordert die Norm die Verwendung einer Einspeisesteckdose und verweist beispielhaft auf ein spezielles Fabrikat der Firma Wieland.

Einerseits ist das eine kleine Revolution, wenn man bedenkt, wie strikt noch vor einigen Jahren gegen die Stecker-Solar-Geräte argumentiert wurde. Andererseits werden damit Anforderungen erfunden, wie sie für andere, viel gefährlichere Elektrogeräte, die sich in Haushalten finden, gar nicht in Erwägung gezogen würden.

Dabei scheint auch ohne individuelle Prüfung des Stromkreises, so ein Gutachten, das im Rahmen des Normungsprozesses erstellt wurde, der Betrieb von ein bis zwei Standardmodulen mit insgesamt bis zu 600 Watt an einem Stromkreis praktisch risikolos zu sein. Anders als in den Nachbarländern Österreich, Schweiz und Niederlande wollten die deutschen Normungsgremien bisher aber nicht so weit gehen, hierfür eine sinnvolle und praktikable Bagatellregelung zu schaffen.

EU verneint deutschen Regelungsanspruch

Die gleiche Bagatellregelung fehlt auch in dem zuletzt gefeierten Normungs-Update für den Netzanschluss von Erzeugern, der VDE-Anwendungsregel 4105 (VDE-AR-N 4105). Und das, obwohl die EU-Vorgabe, auf der die aktuelle Normungsanpassung beruht, kleine Erzeuger bis 800 Watt ausdrücklich als nicht regelungsbedürftig einstuft, weil „nicht systemrelevant“. Man hätte also auch einfach auf die Anmeldepflicht für Steckersolargeräte beim Netzbetreiber verzichten können.

Einen kleinen Fortschritt gibt es aber auch hier, nämlich wenigstens ein vereinfachtes Anmeldeformular für die Stecker-Solar-Geräte, das vom Betreiber selbst unterschrieben wird und nicht mehr von einem Elektroinstallateur eingereicht werden muss. Das Positivste an der neuen Norm dürfte sein, dass diese Regelung offenbar die bisherigen Widerstände bei immer mehr Netzbetreibern schwinden lässt.

Doch auch bei der Diskussion um die VDE-Anwendungsregel 4105 bleibt mit Verweis auf die Installationsnorm strittig, ob vor der Nutzung extra ein Elektriker kommen, den Stromkreis prüfen und eine besondere Spezialsteckdose installieren muss.

Streit um den Schukostecker

Ob man nicht auch die vorhandene Schukosteckdose („Typ F“) benutzen kann, wie das beispielsweise in Österreich unbestritten zulässig ist, auch darüber wird noch gestritten. Allerdings erklärte dazu kürzlich ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Photovoltaik-Anlagen:

„Die VDE-AR-N 4105:2018-11 sieht unter Abschnitt 5.5.3 ‚spezielle Energiesteckdosen‘ (zum Beispiel nach VDE V 0628-1) vor. Falls ein Balkonmodul als steckbares Stromerzeugungsgerät mit Typ F Stecker (Schuko) die Anforderungen der EN 60335-1:2012 Abschnitt 22.5 und der DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2007-06 Abschnitt 18.5 Schutz gegen Restspannung erfüllt, dann ist das hinter VDE-AR-N 4105:2018-11 Abschnitt 5.5.3 stehende Schutzziel als erfüllt zu betrachten.

Wenn ein steckbares Stromerzeugungsgerät einen integrierten NA-Schutz nach VDE-AR-N 4105 aufweist, so schaltet es ab, sobald keine Netzspannung (mehr) anliegt. Zieht man den Netzstecker des Balkonmoduls, so liegt an dessen Stecker keine Netzspannung mehr an, der NA-Schutz des Wechselrichters schaltet den Stecker spannungsfrei. Die Berührung der Steckerstifte bleibt ungefährlich.“

Kurz gesagt: Wenn der verwendete Wechselrichter die Anforderungen der Wechselrichternorm erfüllt, dann ist der Schukostecker genauso sicher wie der in der Norm empfohlene Spezialstecker der Firma Wieland.

Und selbst in den Normungsgremien streiten sich die Fachleute über deren Notwendigkeit. Dabei wird häufig so getan, als wäre absolute Sicherheit um jeden Preis das Ziel der Normen. Die Diskussionen zeigen jedoch, dass auch in der elektrotechnischen Normung Kompromisse an vielen Stellen unausweichlich sind und immer eine Abwägung zwischen zumutbarem Aufwand und realistischem Risiko getroffen wird. Doch bei den Stecker-Solar-Geräten sollen Standards definiert werden, die eine einfache praktische Anwendung behindern oder sogar unmöglich machen.

Produktnorm in Arbeit

Aktuell finden diese Diskussionen in einem von der DGS initiierten Normungsarbeitskreis des DKE/VDE statt, der eine Gerätenorm für „Steckerfertige PV-Systeme“ entwickeln soll (DKE 373.0.4), ein Unterarbeitskreis des für Photovoltaik-Anlagen zuständigen Gremiums. Neben der Installationsnorm und der Anschlussnorm für Erzeuger wäre das der dritte und letzte notwendige Baustein für eine vollständige normative Regelung der Stecker-Solar-Geräte.

Einen Termin dafür gibt es bisher nicht. Bis es soweit ist, hat die DGS einen Sicherheitsstandard veröffentlicht, der Anwendern Hinweise gibt, worauf sie beim Kauf und Betrieb der Produkte achten sollten (DGS-Sicherheitsstandard 0001-2017-08). Solche Übergangslösungen sind in der Technik durchaus üblich und werden beispielsweise vom TÜV häufig praktiziert, um den Stand der Technik zu dokumentieren, bis offizielle Normen die fachlich anerkannten Regeln definieren.

Aufreger Zählertausch

Für große Aufregung sorgt bisweilen die Frage des Zählers. Herkömmliche Ferrariszähler könnten sich rückwärts drehen, wenn ein Stecker-Solar-Gerät mal mehr Strom erzeugt, als im Haushalt gerade verbraucht wird. Die dann eingespeisten wenigen Kilowattstunden würden die Messung verfälschen und deshalb müsse der Zähler unbedingt gegen einen mit Rücklaufsperre oder einen elektronischen Zähler getauscht werden.

Bei typischen Stecker-Solar-Geräten mit ein bis zwei Modulen geht es hier um eine Größenordnung von maximal 50 bis 100 Kilowattstunden im Jahr. Wie Fälle aus der Praxis zeigen, ist der Messfehler von Ferrariszählern auch schon deutlich größer als diese Mengen. Doch während die millionenfachen Fehlmessungen der Standardzähler kein Problem darstellen, wird den Steckersolar-Betreibern suggeriert, sie würden eine Straftat begehen.

Zumal sich das Zählerproblem in den nächsten Jahren ohnehin von allein löst: Im Rahmen des Smart-Meter-Rollouts werden mittelfristig ohnehin alle Ferrariszähler durch elektronische Zähler ersetzt. Einen Rückwärtslauf gibt es dann nicht mehr.

Haushaltsgeräte im Anlagenregister

Bleibt noch das Problem mit der Bundesnetzagentur: Mit Verweis auf das EEG verlangt sie, dass auch jede noch so kleine Photovoltaik-Anlage im Marktstammdatenregister erfasst wird. Dabei könnte man schon streiten, ob ein Stecker-Solar-Gerät überhaupt eine ortsfeste Anlage ist, denn eine Anlage im elektrotechnischen Sinn setzt eine feste Installation voraus, bei Steckersolar handelt es sich aber eher um ein Strom erzeugendes Haushaltsgerät.

Auch hier empfiehlt sich ganz im Sinn der EU-Richtlinie eine Bagatellregelung für Systeme bis 800 Watt, weil deren Leistung so klein ist, dass sie nicht systemrelevant sind.

Fazit

Bis die Regeln so einfach sind, wie sie sein könnten, bleibt bei den Verbrauchern weiter Verunsicherung und Frust, wie die vielen Rückmeldungen bei der Verbraucherzentrale zeigen. Viele mögen dann die umständlichen Vorgaben ignorieren und das Stecker-Solar-Gerät einfach ohne Elektriker und ohne Anmeldung nutzen – gemäß dem Guerilla-Motto: „Wenn ich den Stecker ziehe, bin ich sowieso aus dem Schneider“, für das auch die Juristin Bettina Hennig Verständnis äußert*. Der Sicherheit für Verbraucher und Verkäufer erweisen die aktuell offensichtlich unverhältnismäßig aufwendigen Regelungen damit aber einen Bärendienst.

— Der Autor Thomas Seltmann ist Referent Photovoltaik im Energieprojekt der Verbraucherzentrale NRW und nimmt im Auftrag des DIN-Verbraucherrats am Normungsarbeitskreis für „Steckerfertige PV-Systeme“ DKE AK 373.0.4 teil. —

 

 

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