Bislang fehlen in Deutschland in wichtigen Bereichen wie Landwirtschaft, Verkehr oder Gebäudewärme Anreizsysteme zur CO2-Vermeidung, obwohl sie für etwa die Hälfte der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Das Öko-Institut hat jetzt für Agora Energiewende untersucht, mit welchem Instrument sich das am schnellsten ändern lässt. Ergebnis: Mittels eines Emissionshandelssystems ließe sich der CO2-Ausstoß frühestens 2023 reduzieren, da es anspruchsvoll und langwierig sei, diese Bereiche entweder in das Europäische Emissionshandelssystem zu integrieren oder ein eigenes neues ETS dafür zu entwickeln und zu implementieren. Kurzfristig würde eine CO2-Bepreisung über eine Reform der Energiesteuern besser greifen.
Unüberwindlichen Hindernisse, um für den Gebäude- und Verkehrsbereich ein ähnliches Emissionshandelssystem einzuführen, wie es seit 2005 in der energieintensiven Industrie und in der Energiewirtschaft existiert, hat die Analyse zwar nicht gefunden. Da ein solches Konzept selbst im einfachsten Fall mindestens zwei bis drei Jahren bis zur Einführung brauche, sei es aber als kurzfristige Klimaschutzmaßnahme bis 2020 unbrauchbar. Agora Energiewende weist zudem darauf hin, dass spätestens im September 2021 Bundestagswahlen anstehen, durch die alle Gesetzesvorhaben verzögert werden. Dagegen sei es in drei Monaten zu schaffen, das bestehende Energiesteuersystem so zu ändern, dass CO2-Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor einen Preis bekommen. Das habe die Ökosteuerreform 1999 gezeigt.
Agora Energiewende schlägt einen zweistufigen Ansatz vor: kurzfristig eine CO2-Bepreisung über eine Reform der Energiesteuern, die einigen Jahren von einem Emissionshandelssystem abgelöst wird. Zudem sei eine Pilotphase sinnvoll, wie es sie auch beim europäischen Emissionshandel gegeben habe. So sei es möglich, Konstruktionsfehler zu erkennen und zu beheben, die ansonsten wirksamen Klimaschutz verhindern könnten.
„Es ist das erste Mal, dass die Einführung eines Emissionshandels für die bisher nicht vom europäischen Emissionshandel erfassten Sektoren in allen möglichen Ausdifferenzierungen durchdekliniert wurde“, sagt Felix Matthes, Forschungskoordinator des Öko-Instituts, der die Analyse maßgeblich erarbeitet hat: „Unsere Analyse zeigt zwar, dass dem grundsätzlich nichts im Wege steht. Sie zeigt aber auch, dass ein solches Instrument in der Umsetzung sehr anspruchsvoll ist. Und zwar sowohl für den Staat als auch für die Unternehmen.“
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Bei einem Emissionshandel wäre das Hauptproblem, dass die Preise an den Tankstellen etc. in ungeahnte Höhen steigen könnten, wenn die Kontingente verbraucht sind. Dies wiederum wird zu einem Einknicken der Politik führen, die, um Schäden an der Volkswirtschaft zu verhindern, kurzfristig zusätzliche Emissionsrechte ausgeben wird. Und das wird nicht einmal falsch sein. Die Menschen werden nicht weniger Energie verbrauchen, bloß weil in der Zeitung steht, dass gegen Jahresende die Emissionsrechte knapp werden könnten. Ebenso wenig, wie sich die Bauern auf die Ferkelkastration unter Betäubung eingestellt haben, bloß weil in der Zeitung gestanden hatte, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die betäubungslose Kastration nicht mehr zulässig sei. Statt die Ferkelzucht entsprechend zu reduzieren, oder die Viecher halt unkastriert zu lassen, wurde der Stichtag um ein paar Jahre verschoben. Und so würde es mit den Emissionsrechten auch gehen: „Dann muss man halt schauen, ob es im nächsten Jahr besser funktioniert“.
Die CO2-Steuer wird auch keine unmittelbare Wirkung entfalten, weil unser hoher Energieverbrauch vor allem auch ein strukturelles Problem ist. Und grundlegende Strukturen (Bildung von gewerblichen Zentren -> weite Fahrstrecken für Arbeitnehmer, schlecht gedämmte Häuser -> hoher Heizenergiebedarf, …) lassen sich nicht so schnell ändern. Aber ein höherer CO2-Preis mit der Ansage, dass er in Zukunft weiter steigen wird, wird bei Entscheidungen mit Langzeitwirkung (wo siedele ich mein Unternehmen an, welche Wohnung wähle ich, welches Fahrzeug kaufe ich, wie dämme ich mein neues bzw. altes Haus, …) den Ausschlag zugunsten des niedrigeren Energieverbrauchs bringen. Die Menschen lesen das nicht bloß theoretisch in der Zeitung, sondern spüren es direkt im Geldbeutel, zunächst erträglich, aber man sieht, wie weit die Daumenschrauben noch angezogen werden können.
Im Augenblick stellt es sich so dar, dass die, die den Emissionshandel fordern, eigentlich wünschen, dass keine Maßnahmen ergriffen werden, die Wirkung zeigen. Niemand soll einen wirksamen Impuls bekommen, sein Energieverbrauchsverhalten zu ändern.