Masterplan Solarcity: So soll mehr Photovoltaik in Berlin installiert werden

Teilen

pv magazine: Berlin will einen Masterplan für die Photovoltaik-Nutzung in der Hauptstadt. Was ist das konkrete Ziel?

Ramona Pop (Foto): Hitzewellen, Dürre, Starkregen – wir sind mittendrin in der Klimakrise. Unsere Gesellschaft, allen voran unsere Schülerinnen und Schüler, haben längst begriffen, welche Bedrohung die Klimakatastrophe für sie und ihren Wohlstand darstellt. Wir müssen die Klimakrise schneller und nachhaltig eindämmen. Berlin fördert mit aller Kraft den Ausbau der erneuerbaren Energien. Damit die Solarwende in Berlin gelingt, müssen die Dächer Berlins stärker für Solaranlagen genutzt werden. Der Masterplan Solarcity soll kurz-, mittel- und langfristige Ziele sowie geeignete Maßnahmen für den Ausbau der solaren Energieversorgung enthalten. Das ist wichtig, damit wir CO2 einsparen. Schließlich möchten wir Berlin bis 2050 zu einer klimaneutralen Stadt machen. Als Großstadt liegen unsere größten Potenziale in der Solarenergie, denn wir verfügen über sehr viele ungenutzte Dachflächen. Wir haben in Berlin mehr als 320.000 Wohngebäude und eine Vielzahl von weiteren Gebäuden, die durch Industrie und Gewerbe und öffentliche Einrichtungen genutzt werden. Mit dem Masterplan Solarcity, den mein Haus gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Energie- und Solarwirtschaft, der Wohnungswirtschaft, aus Verbänden, vom Verbraucherschutz und nicht zuletzt der Wissenschaft in einem Dialogprozess erarbeitet, wollen wir erreichen, dass sich in Berlin alle an der Umsetzung der Solarwende beteiligen. Ziel ist es, Maßnahmen zu identifizieren, die – trotz äußerst widriger regulativer Rahmenbedingungen auf Bundesebene – ergriffen werden können, um den Solarausbau in der Stadt voranzubringen.

So langsam scheint der Berliner Senat, mit seinen Solarcity-Plänen voranzukommen. Können Sie vielleicht schon die ersten Maßnahmen verraten, die im Masterplan stehen?

Die ersten 10 von aktuell 27 Maßnahmen, die im letzten halben Jahr erarbeitet wurden, haben wir gemeinsam mit dem beteiligten Expertenkreis auf den Berliner Energietagen detaillierter vorgestellt. Daneben hat das Fraunhofer ISE, das den Masterplan-Prozess wissenschaftlich begleitet, Ergebnisse einer akteursspezifischen Potenzialanalyse aufgezeigt. Auch das ist wichtig, damit die umzusetzenden Maßnahmen einen realistischen Handlungsrahmen erhalten. Klar ist, dass für den notwendigen Ausbau vor allem der Bund gefordert ist. Hier macht der Masterplan deutlich, wo bisher die regulativen Hemmnisse liegen. Die darüber hinaus diskutierten Maßnahmen verteilen sich auf neun Handlungsfelder, darunter die Information, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit, den Abbau von Barrieren, die Stärkung von Marktakteuren sowie auch den Bereich der Selbstverpflichtungen.

Auf den Berliner Energietagen sind kürzlich die ersten Maßnahmen des Masterplans Solarcity öffentlich präsentiert worden.

Foto: Rolf Schulten

Bis wann ist eine Verabschiedung des Masterplans vorgesehen?

Ziel ist es, den Masterplan Solarcity in diesem Herbst zu verabschieden. Aber wir warten nicht mit der Umsetzung wichtiger Bausteine, sondern haben direkt mit der Umsetzung begonnen: Einer dieser Bausteine, den wir als besonders relevant erachten, ist die Beratung und das Schaffen einer besseren Informationsbasis zur Solarenergie. In den vergangenen zwei Wochen haben wir nicht nur das vom Land geförderte Solarzentrum Berlin eröffnet, sondern auch das Webportal Solarwende Berlin an den Start gebracht. Diese beiden Elemente ergänzen sich hervorragend, so dass die Berlinerinnen und Berliner nun sowohl online als auch vor Ort auf sie zugeschnittene Beratung erhalten können. Die Solarwende ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Alle können sich beteiligen!

Das neue Solarzentrum bietet Bürgern wie Unternehmen kostenlose Basisberatung an. Glauben Sie, dass solche Einrichtungen wichtig sind, um mehr Menschen von Solarenergie zu überzeugen?

Die neutrale Erstberatung des Solarzentrums bildet für Interessierte eine wichtige Brücke, damit sie sich an das Thema Solarenergie heranwagen. Vielfach bestehen kleine Hürden oder Fehlinformationen, die sich durch ein Gespräch mit Fachleuten einfach ausräumen lassen. Und wir haben eine ganze Reihe toller Unternehmen in Berlin, die Solarenergieprojekte umsetzen – das Solarzentrum kennt für jeden Bedarf die richtigen Ansprechpartner. Das Solarzentrum bietet auch Vor-Ort-Termine an, um die Potenziale und Eignung der Gebäude für Solaranlagen am konkreten Objekt zu untersuchen und Konzepte vorzuschlagen. Auch gehen die Mitarbeiter des Solarzentrums aktiv auf die Zielgruppen – Endkunden, Immobilienwirtschaft, Handwerk, Wirtschaft, Bauwirtschaft und Planer, Schulen, Medien – zu und machen die Angebote bekannt. Die Experten des Solarzentrums führen Workshops und Veranstaltungen durch und beteiligen sich an Messen. Sie werden zudem die Berliner Akteure vernetzen und umfassend informieren. Geplant sind außerdem Qualifizierungsangebote für Unternehmen, etwa aus den Bereichen Architektur und Handwerk.

Können Sie bestätigen, dass jetzt auch bei den Berliner Schulneubauten, die Photovoltaik-Anlagen zumindest geprüft und nicht gleich von vornherein verworfen werden?

Ich will eine Photovoltaik-Anlage auf jedem Neubau und auf jedem neuen Berliner Schuldach. In den Schulen legen wir als Gesellschaft den Grundstein für unsere Zukunft. Auf den Dächern dieser Schulen sollen Solarzellen unseren Anspruch verdeutlichen, dass wir unseren Kindern nicht nur eine gute Bildung, sondern auch eine gute Zukunft zuteilwerden lassen. Die öffentliche Hand muss ihrer Vorbildwirkung auch beim Schulneubau nachkommen. In der Vergangenheit hat Berlin als Vorreiter für Solarenergie auf Schulen bereits gute Arbeit geliefert. Daran wollen wir anknüpfen. Wir sind daher mit den anderen Senatsverwaltungen im Dialog, damit sie Solaranlagen auch in ihren Geschäftsbereichen konsequent umsetzen. Innerhalb der Schulneubauoffensive werden wir alle Anstrengungen daran setzen, dass Dächer von Schulen Solaranlagen erhalten. In den Schulbaustandards für neue Schulen ist nun bereits vorgesehen, dass grundsätzlich alle Schulgebäude so errichtet werden müssen, dass Solarenergieanlagen installiert werden können. Schulen aus der ersten Tranche, die in ihrer Planung keine Solaranlage erhalten haben, wollen wir nachrüsten lassen. Gleiches gilt im Bereich der Schulsanierung. Auch hier sollen die Baustandards, die derzeit überarbeitet werden, die Installation von Solarenergie berücksichtigen. Mit den Berliner Stadtwerken haben wir zudem einen landeseigenen Akteur, der die Umsetzung von Solaranlagen auf Schulen wesentlich unterstützt. Die Berliner Stadtwerke und die Berliner Bezirke verhandeln auch über die paketweise Errichtung von Solaranlagen auf den Dächern von bezirkseigenen Gebäuden.

Die Grünen regieren schon eine ganze Zeit in Berlin mit SPD und Linken. Warum hat es so lange gedauert, den Masterplan zu entwickeln und ist nicht bereits wertvolle Zeit verschenkt worden?

Das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 wurde im Januar 2018 durch das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen. Anschließend wurde von Seiten der Verwaltung unter Hochdruck an der Erstellung des Umsetzungskonzeptes gearbeitet. Darüber hinaus musste in der Senatsverwaltung für Wirtschaft in dieser Legislaturperiode auch erst einmal etwas aufgebaut werden, das Berlin eigentlich schon lange brauchte: Ein eigenes Ressort für Energie. In kurzer Zeit haben wir bereits einige Projekte über den Masterplan hinaus angeschoben und erfolgreich umgesetzt, beispielsweise den digitalen Energieatlas oder Bundesratsinitiativen, um die Energiewende in der Stadt voranzubringen. Wir haben auch den Wirtschaftsdialog Energiewende initiiert, um mit den entscheidenden Akteuren aus der Energiewirtschaft die Umsetzung der Energiewendeziele zügig und substanziell voranzubringen. Der Masterplan Solarcity ist eines der ersten BEK-Projekte, das im letzten Jahr starten konnte. Damit es uns letztlich gelingt für die verschiedensten Hemmnisse geeignete Maßnahmen zu definieren, hat das breit zusammengesetzte Experten-Gremium diverse Themen detailliert diskutiert. Dazu haben bisher fünf Expertenworkshops, zwei Vertiefungsworkshops und zwei öffentliche Veranstaltung stattgefunden. Unser Ziel ist es, noch in diesem Spätsommer einen Senatsbeschluss zu bewirken – und dann geht es daran, weitere Maßnahmen umzusetzen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Solarwende ist nur gemeinsam zu schaffen und alle können sich beteiligen, um Berlin zu einer solaren Stadt zu wandeln!

Und wie viel Photovoltaik braucht Berlin insgesamt auf den Dächern und Flächen, um die Solarwende zu schaffen?

Das mit der Masterplanerstellung beauftragte Fraunhofer ISE erstellt in diesem Rahmen auch eine Potenzialanalyse, die weitere relevante Studien zum Berliner Solarpotenzial berücksichtigt und mit dem Masterplan vorgelegt werden soll. Die Studie der Infra-Lab-Solarpartner aus dem Jahr 2017 zeigt auf, dass die installierte Photovoltaik-Leistung theoretisch verfünfzigfacht werden könnte. Und auch PV2City-Studie der HTW Berlin kommt zu einem Solarpotenzial von sechs bis zehn Gigawatt. Wichtig ist, dass für das Erreichen der Klimaschutzziele nahezu alle vorhandenen Potenziale gehoben werden müssen. Mehr als die Hälfte des Potenzials liegt auf den Berliner Wohngebäuden, rund ein Drittel im Bereich der Gewerbenutzung und rund zehn Prozent auf den landeseigenen Flächen. Neben der Photovoltaik muss hier auch die Solarthermie ausgebaut werden.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.