Berliner Bauordnung sollte Photovoltaik-Anlagen vorschreiben

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pv magazine: Wie bewerten Sie die Einschätzung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dass sich Photovoltaik-Anlagen auf neuen oder sanierten Schulgebäuden nicht lohnen?

Andreas Otto (Foto): Die Senatsverwaltung betrachtet auf Basis der Landeshaushaltsordnung nur die Baukosten der jeweiligen Schule. Dabei wurde in den jetzt bekannt gewordenen Fällen ermittelt, dass eine Photovoltaik-Anlage im Rahmen des Energiekonzeptes und der Berechnung nach Energieeinsparverordnung EnEV nicht erforderlich oder sogar nachteilig sei. Diese Betrachtung greift klimapolitisch viel zu kurz. Berlin hat sich vorgenommen, auf alle geeigneten Dächer eine Photovoltaik-Anlage zu schrauben. Dazu gehören auch alle Schulen, insbesondere natürlich die Neubauten. Die Betrachtungsweise der Senatsverwaltung wird geändert.

Teilen Sie die Einschätzung, dass sich die CO2-Bilanz durch die Installation einer Photovoltaik-Anlage verschlechtert?

Die Senatsverwaltung geht auch dabei von einer Binnenbetrachtung aus und davon, dass die Schulen mit 100 Prozent Ökostrom durch das Energieversorgungsunternehmen versorgt werden. Dabei wird außer acht gelassen, dass Ökostrom auch irgendwo herkommen und das Angebot dringend ausgeweitet werden muss. So eine übergreifende Sichtweise existiert in vielen Verwaltungen nicht, weil das in den „preußischen“ Vorschriften bisher nicht vorgesehen ist. Klimaschutz erhält dadurch einen Status als Beiwerk.

Es ist zu lesen, dass bei vielen Schulneubauten die Kosten auch ohne Photovoltaik-Anlagen deutlich über den Planungen liefern? Sprechen diese Mehrkosten dann nicht auch automatisch gegen die Installation von Solaranlagen?

Die Kostenentwicklung bei der Berliner Schulbauoffensive (SBO) kann bisher noch nicht bewertet werden. Bisher ist keines der großen Neubauvorhaben beendet und abgerechnet. Selbst wenn Schulen teurer werden sollten, darf aber daraus keinesfalls folgen, dass am Klimaschutz gespart wird.

Glauben Sie daran, dass die jetzigen Neubauten später wirklich nochmal mit Photovoltaik-Anlagen nachgerüstet werden?

Ja, unbedingt. Eine Nachrüstung soll durch externe Betreiber der Anlagen erfolgen. Die Dachflächen werden an einen Stromerzeuger vermietet. Das Berliner Stadtwerk oder andere Partner stehen dafür zur Verfügung. Vielleicht lässt sich sogar im Einzelfall ein Modell als Schülersolaranlage finden.

Inwiefern wäre die Installation von Photovoltaik-Anlagen auch ein Zeichen an die Schüler, die derzeit jeden Freitag für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen?

Fridays for Future richtet sich auch gegen das Abgeordnetenhaus und den Senat von Berlin. Dass gerade Schulgebäude als Beispiele für praktischen Klimaschutz eine große Rolle spielen müssen, liegt auf der Hand. Und das gilt nicht nur für Photovoltaik-Anlagen an Dach und Fassade, sondern auch für nachhaltige Baustoffe wie Holz oder für eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad.

Nun sind die Grünen in Berlin Teil der Regierung und stellen unter anderem die Wirtschafts- und die Umweltsenatorin. Gäbe es nicht Möglichkeiten für ihre Partei, den Photovoltaik-Zubau in der Hauptstadt voranzutreiben und welche Versuche haben die Grünen bislang dafür unternommen?

Unter Federführung der bündnisgrünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop erarbeitet der Senat derzeit einen Masterplan Solarcity, der sowohl die Potenziale an Dach- und Fassadenflächen benennen, als auch die Wege zur massenhaften Installation von Photovoltaik- und thermischen Anlagen aufzeigen wird. Gerade das Beispiel mit den Schulen macht sehr deutlich, dass wir noch ganz am Anfang sind und vieles zu lange dauert.

Was halten Sie von einer Solarpflicht, so wie sie etwa in Tübingen und Waiblingen bereits existieren, also dass alle Neubauten mit Solaranlagen ausgestattet werden müssen?

Am besten wäre, wenn wir in die Berliner Bauordnung schreiben würden, dass zu jedem Gebäude eine Photovoltaik-Anlage gehört. Genauso wie Treppen, Blitzableiter oder Kaltwasserzähler, die unsere Bauordnung heute verlangt. Doch das ist rechtlich noch nicht abschließend geklärt. Deshalb kann ich mir zunächst auch den Tübinger Weg vorstellen, der bei Grundstückskauf- oder pachtverträgen ansetzt. Aber das Allerwichtigste ist, dass der Staat bei seinen eigenen Gebäuden vorangeht und Zeichen setzt. Die Schulneubauten mit den Photovoltaik-freien Dächern sind eine Mahnung, dass wir dringend mehr tun müssen.

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