Solarmodule sind die Beilage

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Es gab in der Schweiz eine Werbekampagne eines Fleischproduzenten, der behauptet, dass neben seinen Fleischerzeugnissen alles andere ‚nur die Beilage’ sei. Das stimmt auf den meisten Menükarten, besteht das klassische Menü doch neben dem Kotelett aus einer ‚Sättigungsbeilage’.

Ich denke, der Solarbrache steht es gut an, zur Einsicht zu kommen, dass ein Wandel der Sichtweise stattgefunden hat: Solarmodule wurden früher als Hauptgericht betrachtet, heute spielen sie die Rolle der Beilage. Aus Ernährungssicht sind sie mindestens so wertvoll für eine ausgewogene Mahlzeit wie das Fleisch. Diese geänderte Sichtweise hat niemand befohlen, aber implizit gewollt: Seit den Pionieren, welche (noch bevor man von Solarbranche sprechen konnte) Solarmodule zur Umwandlung von Energie und nicht nur zum Spielen montiert haben, bestand die Forderung: Solarstrom muss billiger werden.

In den vergangenen 15 Jahren ist Solarstrom massiv billiger geworden. Aus einem wilden Haufen von Idealisten wurde eine Solarbranche mit einem Wirtschaftsgewicht vergleichbar mit der Chemiebranche. Dank einer professionelleren Modulherstellung und einem professionelleren Markt sanken die Gestehungskosten für Strom aus Licht fast wie einem physikalischen Gesetz folgend. Angetrieben wurde diese Entwicklung von der ‚Solarbastelei’ zur Solarindustrie durch das deutsche EEG, dieser weltweiten Lokomotive zur Kostensenkung von Solarstrom. Solidarisch bezahlen alle Stromkonsumenten den ökologischen Aufpreis einiger Solarstromunternehmer. Die Überzahl der Stromkonsumenten zu den Solarstromunternehmern bewirkt, dass dieser ökologische Mehrpreis zwischen dem Preis eines Cappuccinos und einer Kraftstofffüllung pro Monat liegt. Weiter konnte die sich bildende Solarindustrie viele Module absetzten, weil für sehr grosse Solaranlagen (nicht im Flächenbereich von Hausdächern sondern von Fussballfeldern) sehr viele Solarmodule verbaut wurden.

Während ein paar Jahren bestand ein Händlermarkt. Die Solarfirmen mussten nur ‚gerahmte Glasteile mit etwas blau darin’ an die Laderampe fahren, und schon war die Ware verkauft. Aus solch verwöhnten Zeiten stammen keine ausgefuchsten Verkäufer. Als sich der Markt wendete, und der Käufer die Bedingungen stellen konnte, fehlten diesen Verkäufern die Variationsmöglichkeiten.

Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten um das Hauptgericht mit Beilagen zu verschönern, anzureichern oder sogar zu verstecken. In dieser Sichtweise tut etwas mehr Bescheidenheit gut: Dem neuen Kunde ist eigentlich das Solarmodul egal, wichtiger ist, dass sein Wunsch in Erfüllung geht.

Mit einem wachen Auge auf den Markt, die Presse und die Messen scheint mir, dass noch viele Anwendungswünsche bestehen. Neuerdings lohnen sich Inselanlagen, welche noch vor Jahren zu teuer wegen der Modulpreise waren: Bei Inselanlagen besteht der Hauptkostenanteil jedoch bei weitem nicht mehr aus den paar Solarmodulen, sondern aus der elektrischen Installation – diese wurde nicht vom Kostendruck aus der Solarbrache mitgerissen. Also die Zeit, Planung und das Material zur Montage der Stromverbraucher treiben die Kosten einer Inselsolaranlage in die Höhe – neben dem Akku und dem Wechselrichter.

Für Neueinsteiger bleibt die Solarbrache weiterhin rätselhaft, weil sie sehr schlecht standardisiert ist: Schon die riesige Auswahl an Solarmodulen verwirrt, wenn sich der Elektriker oder der Heizung/Lüftung/Klima-Spezialist sein bekanntes Sortiment von Apparaturen betrachtet. Weiter wird es diffus bei den verschiedenen Dachmontagesystemen und den Wechselrichtern.

In einer anderen Werbung für eine Versicherung steht der ratlose Kunde vor einem riesigen Angebot an Café, Cappuccino, Café Latte mit verschiedenen Bohnensorten, Röstungen usw. mit der Kernaussage: bei unserer Versicherung haben Sie nicht die Qual der Wahl, es gibt nur A, B oder C. So ähnlich kommt mir die Solarbrache vor – der Insider soll sich nicht über mangelnde Auswahlmöglichkeiten beklagen, aber da der Neukunde typischerweise nur einen Wunsch und eine Vorstellung hat, jedoch nicht die ganze Bibel lesen will, tut eine Vereinfachung Not!

Das sind dann z.B. Standardpaket A (Solarlampe), B (mehrere Lampen & Radio), oder C (das volle Programm mit Kühlschrank) für das Beispiel einer Inselsolaranlage. Noch einmal, die Solarmodule sind nicht der Kostentreiber.

Zusammenfassend stelle ich fest, Solarmodule wurden zur Beilage, die Kundschaft möchte standardisierte Lösungen, Kundenwünsche gibt es wie Sand am Meer. Somit muss sich die Solarbrache stark diversifizieren und sie wird beratungsintensiver. Genau diese Entwicklung sollte aus meiner Sicht aber erneut zu einem Exportschlager werden: Wer zentraleuropäische Kundenwünschen zufrieden stellen konnte, sollte auch in weiter entfernten Märkten eine Chance haben – das Exportgut besteht jedoch nicht mehr aus dem Solarmodul, sondern aus der Dienstleistung!

– Luc Feitknecht schreibt für seine Firma goMicromorph GmbH Glarus an interaktiven eBooks für die Aus- und Weiterbildung zu diversen Themen rund um Solarstrom. –

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