Planung und Errichtung von Photovoltaikanlagen ist ein Geschäftsfeld, das traditionell von Elektrofachbetrieben und in jüngerer Zeit von Photovoltaik-Fachunternehmen betrieben wird. Daraus resultiert die Betrachtungsweise, dass es sich um technische Gebäudeausrüstung handelt, die anderen Regelwerken unterliegt als das klassische Bauwesen. Im Sinne des Baurechts und der Bauordnungen der Länder sind Photovoltaikanlagen aber als Teil eines Gebäudes oder als Gebäude an sich einzustufen. Dementsprechend obliegt dem Bauherrn einer Photovoltaikanlage die Pflicht, die verbindlichen Regeln der Bauordnung einzuhalten.
Die Musterbauordnung enthält zum einen Regelungen zur Gestaltung, nach denen sich ein Bauwerk harmonisch in die Umgebung einfügen muss. Zum anderen ist die Standsicherheit der Anlage als Ganzes und ihrer einzelnen Teile gefordert. Da der Bauherr im Regelfall nicht über die fachlichen Kenntnisse bei der Planung und Montage verfügt, bestellt er Beteiligte wie den Entwurfsverfasser und den ausführenden Unternehmer. Häufig werden beide Aufgabenstellungen durch den Installationsbetrieb wahrgenommen, der damit in die Verantwortung für die Standsicherheit und die ausschließliche Verwendung zugelassener Produkte tritt.
In der gängigen Praxis übernimmt der Gestellhersteller den Nachweis der Standsicherheit für das Montagegestell. Der Nachweis der Standsicherheit des Gebäudes unter den zusätzlichen Lasten aus der Photovoltaikanlage verbleibt in der Verantwortung des Bauherrn. Auch wenn die Musterbauordnung verfahrensfreie Bauvorhaben für Solaranlagen definiert, entbindet dies den Bauherrn nicht von der Beachtung der Vorschriften.
Der Nachweis der Standsicherheit umfasst neben der Beachtung der örtlich anzusetzenden Wind- und Schneelasten (DIN 1055 Teil 4 bzw. DIN 1055 Teil 5 und seit Juli 2012 DIN EN 1991-1-3 bzw. 1991-1-4) auch den rechnerischen Nachweis, dass der Tragwiderstand der verwendeten Komponenten größer ist als die einwirkenden Lasten (siehe Grafik zur Musterbauordnung, Seite 53). Derrechtsverbindliche Charakter wird bereits in §1 der Musterbauordnung festgelegt, dort heißt es: „Dieses Gesetz gilt für alle baulichen Anlagen und Bauprodukte.“ § 17 MBO definiert die Begriffe Bauprodukte und Bauarten, wobei unter einer Bauart die Zusammenfügung verschiedener Bauprodukte zu verstehen ist.
Nicht geregelte Bauprodukte
Der Nachweis der Verwendbarkeit von Bauprodukten und Bauarten muss auf Grundlage der in der Bauregelliste A Teil 1 genannten technischen Regelwerke erfolgen. Darunter fallen zum Beispiel die Werkstoffgrundnormen für Stahl (DIN 18800 bzw. DIN EN 1993 Eurocode 3) und für Aluminium (DIN 4113 bzw. DIN EN 1999 Eurocode 9). Wenn bei dem betrachteten Bauprodukt Konstruktionsdetails verwendet wurden, deren Nachweis in den entsprechenden Fachnormen nicht geregelt ist, dann handelt es sich um ein sogenanntes ungeregeltes Bauprodukt, das ohne behördliche Genehmigung nicht verwendet werden darf. Eine Ausnahme ist, wenn es in der Bauregelliste C aufgelistet ist. Dort werden die geführt, bei denen die Standsicherheit untergeordnet ist, wie zum Beispiel Bodenbeläge, Dränage-Elemente oder Haftbrücken für Gipsputzsysteme. Mittelfristig wird die Bauregelliste B die Bauregelliste A ablösen. Sie behandelt die Verwendbarkeit von Bauprodukten auf Grundlage harmonisierter europäischer Regelungen.
Das nicht geregelte Bauprodukt darf nur dann verwendet werden, wenn gemäß §18 MBO eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder gemäß §19 MBO ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis oder nach § 20 MBO eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) durch die oberste Baubehörde desBundeslandes, in dem das Projekt gebaut wird, vorliegt. Für den individuellen Einsatz ohne Wiederholungsfaktor bietet sich im Prinzip die Zustimmung im Einzelfall an, da für diese einmalige Prüfung deutlich geringere Kosten anfallen als für eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Eine Zustimmung im Einzelfall muss vor Baubeginn erteilt werden. Unter Berücksichtigung der heute marktüblichen Abläufe bei der Realisierung von Photovoltaikanlagen ist der Zeitraum von drei bis vier Monaten bis zur Erteilung einer Zustimmung im Einzelfall aber kaum akzeptabel. Dieser Verfahrensweg kommt demnach nur bei langfristig geplanten Projekten ohne Termindruck durch Änderungen der Einspeisevergütung in Betracht.
Ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis nach §20 MBO bei einem zertifizierten Prüfinstitut kommt dann in Betracht, wenn allgemein anerkannte Prüfverfahren für die Bauart existieren. Da es sich bei der PV-Branche um eine verhältnismäßig junge Branche handelt, existieren noch keine allgemein anerkannten Prüfverfahren. Folglich kommt als einzige vernünftige Alternative die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung in Frage. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wird ausschließlich durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin erteilt. TÜV-Zertifikate oder RAL-Gütesiegel behandeln im Regelfall nur den Herstellungsprozess und das Qualitätsmanagement des Herstellerbetriebs, in Fragen der Bauteilwiderstände (Beanspruchbarkeit) verfügen diese im Sinne der Bauordnung über keine Legitimation und sind damit eher unter dem Gesichtspunkt Marketing zu betrachten.
Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik
In der Entwicklung von Photovoltaik-Montagesystemen spielen neben der Frage der Standsicherheit auch das Handling auf dem Dach, die Montagegeschwindigkeit und die Möglichkeit zum Justieren der Anschlüsse zum Ausgleich von Unebenheiten eine erhebliche Rolle. Daher werden nur in den wenigsten Fällen Konstruktionsprinzipien verwendet, die im Bauwesen seit vielen Jahrzehnten Stand der Technik sind und die in die technischen Regelwerke überführt worden sind.
Für den Anwender von Montagesystemen stellt sich demnach die Frage, wann eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung benötigt wird oder in welchen Fällen sich ein Nachweis des Bauprodukts auf rechnerischem Wege führen lässt. In den DIBt-Hinweisen für die Herstellung, Planung und Ausführung von Solaranlangen [2] wird definiert, dass eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich ist, wenn die Tragfähigkeit von Metallkonstruktionen durch Versuche ermittelt wird, die relevanten Teile des Montagesystems aus Kunststoffbauteilen bestehen oder die Montageträger oder Aussteifungselemente des Solarmoduls geklebt sind. Nach Ansicht des Verfassers gilt dies auch für eine rechnerische Betrachtung mit numerischen Methoden (Finite-Elemente-Methode), da die Qualität der Berechnungsergebnisse ausgeprägt von der Formulierung der Kontaktbedingungen zwischen einzelnen Komponenten abhängt. Diese lassen sich wiederum nur durch Versuche verifizieren.
Hinsichtlich der Befestigungsmittel für Montagesysteme wieDübel, Schrauben oder Ankerschienen ist die Verwendung bauaufsichtlich zugelassener Produkte gegenwärtig schon gebräuchlich. Die Verwendbarkeit von Befestigungen durch eine adhäsive Verbindung, also eine Verklebung oder Verschweißung mit der Dachhaut, muss durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachgewiesen werden. Dabei müssen die einzuleitenden Zug- und Schubkräfte durch alle Schichten der Gebäudehülle hindurch dauerhaft in die tragende Konstruktion des Gebäudes weitergeleitet werden.
Zulassungsbeispiele
Nachfolgend werden zulassungsrelevante Merkmale diskutiert und eine Abgrenzung zu den rechnerisch nachweisbaren Tragmechanismen gezogen.
Montagegestell für Flachdächer: Bild 1 zeigt ein typisches Montagegestell für Flachdächer mit einem Anstellwinkel der Module. Das Gestell besteht aus Aluminium-Winkelprofilen, die mit Schraubverbindungen miteinander verbunden sind. Dabei handelt es sich um klassische Scher-Lochleibungsverbindungen, die nach den gültigen Regelwerken für Aluminium- oder Stahlkonstruktionen nachgewiesen werden können. Hier ist keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Die Modulmontageträger bestehen aus Aluminium-Strangpressprofilen mit Schraubkanälen, die für sich betrachtet auf Grundlage von DIN 4113 bzw. Eurocode 9 nachgewiesen werden können. Nicht geregelt ist aber der Nachweis der Anschlüsse und Verbindungen. Dabei handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Merkmal.
Dachhaken: Bild 2 zeigt einen typischen Dachhaken aus Edelstahl V2A mit der Werkstoffkennnummer 1.4301. Werkstoff, Geometrie und die Schweißnaht sind durch die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-30.3-6 [3] geregelt, die von der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei als Sammelzulassung erwirkt wurde. Außerhalb des geregelten Bereichs liegt aber das Langloch, das als Justiermöglichkeit zur Ausrichtung der Modulschienen benötigt wird. Im Langloch können Hangabtriebskräfte nur über den Wirkmechanismus „Reibung“ übertragen werden. Das Lastübertragungsverhalten einer Reibverbindung kann aber zuverlässig nur über Versuche ermittelt werden. Daher ist auch für den Dachhaken oder alternativ nur für das Tragmerkmal „Edelstahl-Flachmaterial mit Langloch“ eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich.
Modulklemmen: In Bild 4 ist das Versagensverhalten einer Modulmittelklemme mit Vierkantmutter im Schraubkanal eines Strangpressprofils dargestellt. Weder das Klemmprofil noch die Schraube und die Vierkantmutter sind ausschlaggebend für das Versagen, das vielmehr durch ein „Ausknöpfen“ der Vierkantmutter aus dem Modultragprofil geprägt ist. Bei Verwendung von Nutensteinen oder Hammerkopfschrauben ist mit vergleichbaren Bruchbildern zu rechnen. Das Tragverhalten hängt vielmehr vom Tragwiderstand der Schraubkanals unter punktuellen Lasten ab. Bei Randklemmen stellt sich das Versagen typischerweise durch ein „Abrutschen“ der Modulklemme vom Rahmen ab. Der Verdrehwiderstand hängt auch hier wiederum von der Steifigkeit des Schraubkanals ab. In Einzelfällen kann die Festigkeit aber auch vom Bruch von Tragelementen der Modulklemme abhängen (Bild 4, Foto unten links).
Zusammenfassend kann aber auch hier festgehalten werden, dass die Tragfähigkeit zuverlässig nur durch Versuche ermittelt werden kann, was das Erfordernis einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung bedingt. Dabei müssen die spezifischen Eigenschaften des Modultragprofils geregelt sein.
Trapezdächer
Stockschrauben und selbstfurchende Stahlschrauben: Zur Anbindung von Montagegestellen auf Dächern mit Faserzementplatten, Trapezblechen und Sandwichelementen wird in vielen Fällen eine durchdringende Anbindung auf den Dachpfetten aus Holz oder Stahl vorgenommen. Zur Befestigung haben sich bei den meisten Befestigungssystemen Stockschrauben bzw. selbstfurchende Stahlschrauben etabliert.
Stockschrauben sind eine Kombination aus Holzgewinde, glattem Schaft und einem metrischen Gewinde. Holzschrauben und Schrauben mit metrischem Gewinde sind jeweils für sich genormt, die Kombination beider Gewindetypen in einer Schraube bedarf jedoch einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Stockschrauben und Anschlüsse mit Stahlschrauben werden typischerweise von Herstellern angeboten, deren Kerngeschäft im konstruktiven Ingenieurbau liegt. Da dort der Nachweis der Tragfähigkeit durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen seit vielen Jahren gängige Praxis ist, liegen für Stockschrauben und Metallschrauben mehrere erteilte Zulassungen vor (Anhang). Diese beziehen sich allerdings ausschließlich auf die Schrauben ohne explizite Betrachtung der Anschlusskonfiguration. Bei einseitiger Anschlussexzentrizität kann es jedoch zu einem Versagen kommen. Die spezifische Gestaltung der Anschlusselemente hat einen erheblichen Einfluss auf das Trag- und Verformungsverhalten der Schrauben. Daher sollte sich eine Zulassung auf das gesamte Befestigungselement und nicht nur auf die Schraube beziehen.
Im Bereich von Trapezblechen aus Stahl oder Aluminium und Sandwichelementen werden zunehmend Befestigungen verwendet, die mittels selbstbohrender Schrauben oder Nieten angeschlossen werden. Dabei ist nach Auffassung des Verfassers die seitliche Anbindung am Steg einer Fixierung auf der Hochsicke vorzuziehen, da bei der Fixierung an der Hochsicke die Dauerhaftigkeit durch Deformation des Blechs eingeschränkt sein könnte (Ermüdung). Für Trapezbleche gilt, dass selbst wenn die Schelle aus Edelstahl besteht und nach [3] nachgewiesen werden kann und bauaufsichtliche Zulassungen für die selbstbohrenden Schrauben vorliegen, eine gesonderte Zulassung für die Befestigungen erforderlich ist, wenn in den Schellen produktionsseitig Löcher eingebracht wurden oder wenn eine Trennschicht bzw. Dichtung vorhanden ist.
Komplexer verhalten sich die Zusammenhänge bei direkten Befestigungen an der Deckschale von Sandwichelementen. Es besteht ein Risiko des Versagens des Schaumkerns, womit
###MARGINALIE_BEGIN###
Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie zu, dass das pv magazine Ihre Daten für die Veröffentlichung Ihres Kommentars verwendet.
Ihre persönlichen Daten werden nur zum Zwecke der Spam-Filterung an Dritte weitergegeben oder wenn dies für die technische Wartung der Website notwendig ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe an Dritte findet nicht statt, es sei denn, dies ist aufgrund anwendbarer Datenschutzbestimmungen gerechtfertigt oder ist die pv magazine gesetzlich dazu verpflichtet.
Sie können diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. In diesem Fall werden Ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht. Andernfalls werden Ihre Daten gelöscht, wenn das pv magazine Ihre Anfrage bearbeitet oder der Zweck der Datenspeicherung erfüllt ist.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.