Keine Rede von Effizienz

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Tief steht die Sonne über der Straße, ruhig nimmt der Wagen die nächste Kurve: „Ja!“, ruft Alexander Kohl in die Freisprechanlage seines Handys. „Ja! Das ist eine gute Nachricht! Endlich geht‘s vorwärts!“ Der Solarteur aus Ingolstadt hat soeben einen Anruf seines Modullieferanten erhalten. „Morgen stehen 132 Atersa-Module à 222 Watt für uns bereit“, sagt Kohl. „Das sind 30 Kilowatt. Damit können wir endlich die Anlage in Buxheim abschließen.“

Er strahlt über das ganze Gesicht. „Innerhalb von fünf Stunden müssen die Module auf dem Dach sein, länger darf das nicht dauern.“ Und die Aufständerung, die Kabelage? „Ist alles schon vorbereitet. Wir stellen nur noch den Schräg lift ans Dach, und dann geht das wie am Schnürchen.“ Keine Sorgen mit dem Wechselrichter? „Den Wechselrichter haben wir, das ist kein Problem. Die Stromkreise für Wechselstrom und Gleichstrom sind komplett montiert. Was uns aufhält, ist der Mangel an Modulen.“

Erst Wechselrichter, jetzt Module

Verkehrte Welt? Waren nicht bisher die Wechselrichter das Nadelöhr? Bisher, denn nun kommt die extreme Nachfrage auch bei den Modulherstellern an. Und auch konkurrierende Märkte wie Italien machen sich zunehmend bemerkbar. Kohls Solarfirma Sonnenkraftwerk ist zwischen München und Nürnberg unter wegs, baut kleine Dachanlagen und größere bis 100 Kilowatt. Die Aussicht auf die Sonderdegression ab Juli stellt selbst für einen hartgesottenen Solarteur wie Kohl die Welt auf den Kopf: „Das geht nun schon länger als ein Jahr“, stöhnt er. „Erst gab es keine Wechselrichter, jetzt haben wir Probleme mit den Modulen. Jetzt hetzt man von früh bis spät über die Dächer, um mit der nächsten Lieferung die Kunden zu bedienen, die am längsten warten mussten.“ Immer wieder klingelt Kohls Handy. Er muss aufgebrachte Kunden beruhigen, denn die Lieferprobleme führen zu Verzögerungen bei der Inbetriebnahme. Besonders schlimm ist es, wenn wie heute die Sonne scheint, dann denken die Kunden an die Gewinne, die ihnen entgehen. Vier Angestellte arbeiten für Alexander Kohl und seinen Partner. Um die Auftragsflut zu bewältigen, wurde ein zusätzlicher Firmenwagen angeschafft. „Damit wir nicht Däumchen drehen, bauen wir zunächst die Aufständerungen auf und verlegen die Kabel anschlussfertig“, erklärt er. „Wenn wie heute kurzfristig Module kommen, müssen wir möglichst schnell den Transport organisieren, am besten gleich morgens in aller Frühe.“

Da ist gute Planung nötig: „30 Kilowatt sind sechs Paletten, also ein Lkw“, sagt Kohl. Seine Firma verbucht allein 500 Euro Spritkosten im Monat. Für den zweiten Firmenwagen werden zusätzliche Leasingraten fällig. „Ob ich damit noch Geld verdiene, weiß ich nicht“, zweifelt Kohl. Denn „soeben sind die Module teurer geworden, 60 Euro je Kilowatt. Welche Marge bleibt mir noch?“ Auf andere Module kann er nicht ausweichen, denn im Auftrag sind Hersteller und Modultyp festgelegt. Kohl ist verpflichtet, sie zu beschaffen und zu montieren. „Ich könnte auf baugleiche Module ausweichen“, sagt er, „aber die gibt es auch nicht. Außerdem brauche ich dann andere Montagetech nik und Aufständerungen, vielleicht sogar andere Wechselrichter.“ Das überhitzte Solargeschäft zwingt die Installateure, ihre Arbeitsabläufe nach der Verfügbarkeit des Materials zu organisieren. Über Preise verhandelt niemand mehr, dazu fehlen Material und Nerven. Um kurzfristig agieren zu können, hat Kohl zwei Gerüste eigens für die Dacharbeiten angeschafft. Die Handlanger, die ihm bei den Aufständerungen helfen, erhalten jeweils rund 1.000 Euro im Monat. In seinem Büro stapeln sich die Rechnungen. Angesichts der Auftragslage findet er kaum Zeit, sich an den Schreibtisch zu setzen. Was, wenn ein Kunde nicht zahlt? „Dann habe ich ein Problem und erhöhten Blutdruck“, kontert Kohl. „So geht das schon seit Monaten.“

Denn die Kunden zahlen erst, wenn die Anlage betriebsbereit ist, und dann auch nicht sofort. Jede Verzögerung – ob nun der Wechselrichter auf sich warten lässt oder die Module – geht zu Lasten des Installateurs, die Zahlungszeiträume verlängern sich. Verschärfend kommt hinzu: „Einige Modullieferanten sind bereits wieder dazu übergegangen, Vorkasse zu verlangen“, kritisiert Bernd Bodmer von der Solarfirma Relatio in Balingen. Er hat 60 Mitarbeiter. Neben kleineren Dachanlagen baut er derzeit den Tauberlandpark auf, 70 Megawatt in der Nähe von Wertheim – „tutti completti“, wie er sagt, „mit Aufständerung, Zentralwechselrichtern und Verkabelung“. Er bezeichnet das Geschäft mit Aufdachanlagen zurzeit als „mörderisch, denn die Modulpreise sind schlagartig um 20 bis 25 Prozent hochgegangen“.

Große Umsätze, keine Gewinne

Den Kunden sei das kaum zu vermitteln. Sie pochen auf die Preise im Angebot. „Nachverhandlungen sind beinahe ausgeschlossen. Das geht also von unserer Marge ab“, sagt er. „Wir werden in diesem Jahr zwar einen gigantischen Zuwachs beim Umsatz verzeichnen“, aber Gewinne seien damit trotzdem nicht mehr zu machen. Die Erträge schlucken die Modulhersteller. „Die wissen genau, dass wir Installateure den Kunden gegenüber im Zugzwang sind“, sagt Bodmer.

Relatio unterhält bundesweit vier Niederlassungen. Im vergangenen Jahr hat die Firma rund 120 Megawatt verbaut. „Wir schieben eine Riesenbugwelle von 76 oder 77 Megawatt allein an Aufträgen für Aufdachanlagen vor uns her.“ Bodmer glaubt, dass das Geschäft ab Juli abflauen wird: „Vielleicht haben wir dann endlich ein oder zwei ruhige Monate.“ Ein bisschen Erleichterung klingt durch. Der Sommer 2010 wird den Handwerkern eine Verschnaufpause erlauben, nach fast anderthalb Jahren höchster Anspannung.

Angst vor der Zeit danach hat Bodmer nicht. Ab August beginnt Relatio mit der Montage des Treenelandparks auf einem alten Militärflugplatz bei Kiel. Hier sind 53 Megawatt geplant.

Auch Relatio hat die Prozesse an den überhitzten Markt anpassen müssen und baut vor, wenn es an Modulen mangelt. „Bei Aufdachanlagen setzen wir die Gestelle, machen die Verkabelung mit der Dachdurchführung und der Hauptleitung zum Keller fertig“, berichtet er. „Wir gehen bis ans Netz, damit wir nur noch die Module draufpacken müssen.“ Um Lieferschwierigkeiten bei den Wechselrichtern zu überbrücken, hat Bodmer immer einen Umrichter im Kofferraum. „Das reicht für die Inbetriebnahme, zumindest wird es vom Netzbetreiber akzeptiert.“ Auch im Freilandgeschäft – wegen der hohen Summen erst recht dort – hängt der Modulmangel wie ein Damoklesschwert über den Handwerkern. „Das Problem zieht sich bis zum Cashflow-Plan durch“, sagt Bodmer „Wir müssen die Bauzeitenpläne und die Logistik anpassen. Ein Block im Tauberlandpark hat 32.000 Module. Insgesamt werden 320.000 Module verbaut. Wenn die auf einen Schlag kommen, stehen die Lkw bis zur Autobahn.“ Solange es im Tauberland nicht vorangeht, schickt Bodmer seine Leute zum Treenelandpark, um dort schon Gestelle aufzubauen. Vorarbeit ist das Gebot der Stunde.

Vorbereiten auf die Zeit danach

Das sieht auch Michael Stollwerk von Geckologic in Wetzlar so: „Im Prinzip bereiten wir unsere Prozesse jetzt auf die Zeit nach dem 1. Juli vor.“ Geckologic hat 140 Mitarbeiter und ist ein Gigant unter den deutschen PV-Installateuren. „Wer jetzt eine Photovoltaikanlage in Auftrag gibt, bekommt sie ohnehin nicht eher aufs Dach“, sagt er. „Einige Kunden treten lieber zurück, wenn wir die Montage nicht bis Juli garantieren. Der unglaubliche Run geht seinem Ende entgegen.“ Auch Geckologic hat mehr als ein Jahr rapiden Wachstums hinter sich und muss jetzt seine internen Abläufe optimieren. Die Firma baut derzeit ein bundesweites Netz mit Partnerbetrieben auf, „damit wir auch in Zukunft wachsen können“. Kleinere Betriebe nehmen das Angebot dankend an, denn für sie könnte es ab Juli eng werden. „Wir beobachten schon jetzt die Tendenz, dass sich allein agierende Solarteure oder kleinere Installationsbetriebe unter unsere Fittiche begeben wollen, um angesichts schwindender Margen zu überleben.“ Er glaubt nicht, dass die Modulhersteller im Juli die Preise senken. Denn diese werden, genau wie die Preise für Wechselrichter, vom europäischen Markt beeinflusst. Wie beispielsweise von Italien: Mit rund 40 Cent pro Kilowattstunde Einspeisevergütung wird es in der Zukunft erhebliche Material ströme aufsaugen, so wie Spanien im Jahr 2008. Ab Juli müssten die deutschen Solarteure mindestens 16 Prozent mehr Aufträge bearbeiten, um den gleichen Umsatz zu erreichen wie heute. „Wenn dann gleichzeitig die Marge des Installateurs schrumpft, werden etliche Betriebe nicht überleben“, glaubt Stollwerk.

Eine andere Möglichkeit ist, freiwillig auszuscheiden. Wie Wilfried Beier aus Schönbrunn in Ostthüringen. Vor zwölf Jahren hat er mit Photovoltaik begonnen, als einer der ersten Installateure in Ostdeutschland. Und nun? „Das hat keinen Sinn mehr! Dieser Ärger mit den Modulen, da lasse ich lieber die Finger davon“, sagt Beier. Die Region um Schleiz gehört zum Vorland des Thüringer Waldes. Das Wetter ist oft schlecht, die Einstrahlungswerte gering. Und im Winter liegt meterdicker Schnee auf den Modulen. „Und dazu noch der Frust mit der Ware und den drängenden Kunden. Nein danke!“ Beier macht nun in elektrischen Aufzügen. Ein Problem der Ostdeutschen? „Das Geschäft ist tot, weil kein Material da ist“, schimpft Anton Berchtolt aus Dachau ins Telefon. Freimütig sagt der Obermeister der Elektroinnung München: „Ich habe keine Lust, über das Thema zu sprechen.“ Ihn plagen andere Sorgen. Nach der Sonderdegression für Solarstrom hat die Bundesregierung nun auch das Marktanreizprogramm für regenerative Wärmetechnik storniert, von einem Tag auf den anderen. Die Förderung für Solarkollektoren, Wärmepumpen und Pelletkessel wurde auf null gesetzt. Keine guten Aussichten für die Installateure, die rechtzeitig auf mehrere Technologien setzen wollten.

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Vulkanasche stoppte Import

Aufgrund des Vulkanausbruchs in Island im April geriet auch die Lieferung von Solarzellen aus Asien ins Stocken. Sie werden per Frachtflugzeug zu den Modulfabrikanten nach Spanien und Deutschland gebracht. Betroffen waren beispielsweise die Siliziumzellen des taiwanesischen Herstellers Motech. Dadurch mussten einige Modulhersteller auf europäische Zellen ausweichen, etwa auf Q-Cells. Das bedeutet, die Module wurden schlagartig um 60 Euro je Kilowatt teurer. Dieser zusätzliche Engpass löste sich Mitte Mai wieder auf.

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