Die Deutschen sind offen für die Wärmewende – Staat und Hersteller unter Zugzwang

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Jedes Jahr eine halbe Million neue Wärmepumpen ab 2024 – mit diesem Installationsziel will Bundes­wirtschaftsminister Robert Habeck die privaten Haushalte zu wichtigen Akteuren der Energiewende machen. Doch wie motiviert stehen die Bundesbürger der öffentlich ausgerufenen Dekarbonisierung der eigenen vier Wände gegenüber? Eine repräsentative Studie der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt ein hohes Potenzial für den Umstieg auf die klimafreundliche Heiztechnik: 68 Prozent der Menschen in Deutschland, die noch keine Wärmepumpe besitzen, könnten sich eine solche Neuanschaffung vorstellen oder planen sie bereits.

Dennoch wartet auf die Bundesregierung noch viel Arbeit. „Ein Selbstläufer ist das Erreichen des Wärmepumpenziels trotz des hohen Zuspruchs nicht“, sagt Oliver Wyman-Partner und Studienautor Martin Schulte. Nach Berechnungen von Schulte müssten jährlich rund 62 Prozent aller Neubauten und Bestandsgebäude, die eine neue Heizanlage erhalten, mit Wärmepumpen ausgestattet werden, um die staatliche Vorgabe zu erfüllen. Dabei sind jene Wohnungen nicht berücksichtigt, die aus baulichen Gründen keine Umrüstung zulassen. „Man dürfte grob gerechnet höchstens einen von sieben potenziellen Käufern verlieren, wenn die Dekarbonisierung nicht an der Nachfrageseite scheitern soll“, sagt Thomas Fritz, Partner und Europa Co-Head Climate & Sustainability bei Oliver Wyman. „Der Weg zur Klimaneutralität in Privathaushalten erfordert einen fundamentalen Umbau der Wärmeversorgung in Deutschland. Es kommt entscheidend auf konsequente Aufklärung über den ökologischen und finanziellen Nutzen von Wärmepumpen an.“

Es gilt nach Ansicht von Schulte, die Perspektive der Debatte zu verschieben. „Bisher werden die ambitionierten Installationsziele vor allem mit Blick auf die Angebotsseite diskutiert – und dies zuweilen kontrovers.“ Die Fragen lauten: Funktioniert der Hochlauf der Produktion von Wärmepumpen? Reichen die Fachkräfte im Handwerk und zieht die Wohnungswirtschaft mit? „Die Motivation der privaten Wohnungseigentümer wird als wesentlicher Faktor der Energiewende dagegen stark unterschätzt“, sagt Schulte. „Es wird nicht reichen, die Fördertöpfe zu öffnen.“ Denn die Oliver Wyman-Studie zeigt: Staatliche Unterstützung ist nur für 27 Prozent der Befragten ein zentraler Grund, sich für den Kauf einer Wärmepumpe zu entscheiden. 33 Prozent geben als Kaufmotiv die ökologische Sinnhaftigkeit eines Umstiegs an. Für 32 Prozent ist ausschlaggebend, dass sich die neue Anlage langfristig rechnet.

Zudem sieht Fritz die Wirtschaft in der Pflicht. „Die individuellen Pluspunkte der Wärmewende müssen auch von Versorgern sowie von Industrie und Handwerk gut kommuniziert werden.“ Mit Blick auf die Skeptiker hält er dabei flankierende Zuschüsse und attraktive Kreditangebote für nötig. Denn 32 Prozent aller Deutschen, die noch keine Wärmepumpe nutzen, sagen derzeit noch: Eine Dekarbonisierungs­lösung sei für sie beim Heizen der Wohnung nicht vorstellbar. Innerhalb dieser Gruppe ist hierzulande im europäischen Vergleich überdurchschnitt­lich viel Überzeugungsarbeit zu leisten: 36 Prozent derjenigen, die nicht in Klimatechnik investieren wollen, geben aktuell an, sie ließen sich auch von einer Förder­maß­nahme nicht umstimmen. Der Anteil der konsequenten Verweigerer ist somit höher als in Italien (28), Großbritannien (23) und Spanien (19). „Immerhin 21 Prozent der Skeptiker sagen allerdings, dass staatliche Hilfen sie umstimmen könnten“, erläutert Schulte. Bisher liegen die Zuschüsse für Wärmepumpen in Deutschland auf einem Niveau von 20 bis 40 Prozent der Anschaffungskosten, eine Amortisierung ist nach Expertenurteil damit in fünf bis zehn Jahren möglich. „Je nach Entwicklung der Gas- und Strompreisniveaus kann sich das beschleunigen“, sagt Fritz.