Der Markt der Stromlieferverträge (PPA), mit denen Versorger oder Industriebetriebe Erneuerbare- Energien-Projekten den Strom zu festen Bedingungen abkaufen, schwächelt dramatisch – und er steht vor einem einschneidenden Umbruch. Diese beiden Schlüsse konnte man auf der Veranstaltung „RE-Source“ ziehen, zu der 1.450 Experten aus dem Energiehandel, der erneuerbaren Energieerzeugung und dem industriellen Stromverbrauch am Dienstag und Mittwoch in der eindrucksvollen alten Amsterdamer Börse zusammenkamen.
Guy Brindley, Head of Market Intelligence beim Branchenverband Wind Europe, bezifferte die Leistung der über PPA in Europa gehandelten Anlagen auf rund 60 Gigawatt, davon allein 25 Gigawatt Photovoltaik, mit einem Volumen von rund 130 Terawattstunden. Das entspricht fast einem Viertel dessen, was Deutschland in einem Jahr benötigt. Fast ein Drittel des PPA-Volumens ist nach den präsentierten Zahlen mit Abnehmern aus dem IT-Sektor, also vor allem Datenzentren, abgeschlossen worden, ein weiteres Drittel mit energieintensiven Industrieunternehmen, der Rest unter anderem mit Handel, der Pharma- und Automobilindustrie oder mit Konsortien als sogenannte Multi-Buyer-PPA.
Die Zahl der Abschlüsse ist jetzt jedoch von einem Hoch mit circa 230 Abschlüssen im Jahr 2024 auf rund 115 Abschlüsse dieses Jahr eingebrochen – und das kontinuierlich seit dem Sommer 2024. Das ist auch deshalb dramatisch, weil über den PPA-Markt zu einem großen Teil Erneuerbare-Energien-Anlagen finanziert werden, die ohne Förderung auskommen. Bricht er ein, erfordert das unter Umständen mehr finanzielle Förderung, um Klimaziele einzuhalten. Zudem fehlen dann etwa in Deutschland Mittel, um Photovoltaik-Projekte mit mehr als 20 Megawatt Leistung zu realisieren.
Markt nicht abschreiben
Dass man den Markt allerdings nicht so schnell abschreiben sollte, zeigt die Zahl der Besucher auf der „RE-Source“, die wieder ausgebucht war. Unter den Teilnehmern waren nach Angaben der Veranstalter auch 300 industrielle und gewerbliche Unternehmen als Stromkäufer, außerdem Projektentwickler, IPPs und Energieversorger. Matchmaking ist ein wesentlicher Bestandteil des Events.
Laut Daniel Dang, Director des Business Development bei Solarpower Europe, einem der Organisatoren der Veranstaltung, entspricht die Teilnehmerstruktur inzwischen einem guten Mix der Wirtschaft. So sieht man nicht nur die bekannten großen globalen IT-Unternehmen mit den ambitionierten Klimazielen, sondern auch energieintensive Industrien wie Chemie, Aluminium, Stahl und Zement. Zunehmend würden auch andere, wie die Automobilindustrie und mittelständische Unternehmen, kommen.
Er interpretiert den Rückgang bei den PPA-Abschlüssen nicht als Reaktion auf einen weltweiten Rückschlag beim Thema Nachhaltigkeit. Vielmehr, so Dang, halten Unternehmen an der Beschaffung erneuerbarer Energie fest. Allerdings erschwerten die Marktbedingungen – insbesondere Phasen sinkender Großhandelspreise, die hohe Volatilität, Finanzierungskosten und regulatorische Unsicherheiten – derzeit die Einigung auf Preise.
Er nimmt außerdem an, dass die offiziellen Statistiken die tatsächliche Marktaktivität wahrscheinlich unterschätzen, da nicht alle Abschlüsse öffentlich bekannt gegeben werden. „Mit schnelleren Genehmigungen, verbessertem Netzzugang und unterstützenden Marktstrukturen kann der europäische Markt für Unternehmens-PPA weiter wachsen und reifen“, gibt sich Dang optimistisch.
Damit sich der Markt gut entwickeln kann, empfiehlt er unter anderem, mehr Konzepte zur Risikoübernahme zu entwickeln, um PPA mit mittelständischen Unternehmen und kleineren Abnehmern zu erleichtern. Er verweist dabei auf ein neues PPA-Garantieprodukt der Europäischen Investitionsbank EIB. Andere sinnvolle Maßnahmen seien die Förderung von grenzüberschreitenden PPA, Multi-Buyer-PPA und grundsätzlich die Förderung der Entwicklung von Flexibilität bei Verbrauchern wie bei Erzeugern.
Trendthema Hybrid-PPA
Grundsätzlich zeigt sich, dass der Markt gerade an vielen Enden deutlich komplexer wird. Nicht nur der Preis, sondern auch, wie ein PPA mit der Kannibalisierung und der Unsicherheit in der Regulierung umgeht, sei entscheidend, sagte auch Adrien Coudurier, Head of Global Account Management von Enel, in der Eröffnungssession. Oft war zu hören, dass der Pay-as-produced-Stromliefervertrag nicht mehr ausreiche und dass auch Flexibilität auf der Abnehmerseite einbezogen werden müsse.
Mehr zu der Entwicklung des Großanlagen- und (Hybrid-)PPA-Marktes

In der nächsten Ausgabe von pv magazine, die am 13. November erscheint, finden Sie unter anderem einen Schwerpunkt zu den Herausforderungen im Großanlagengeschäft. In einem Artikel beleuchten wir die Finanzierung und welche Rolle Hybrid-PPA dabei spielen können. Weitere Artikel in dem Schwerpunkt beschäftigen sich zum Beispiel mit Grünstromspeichern, der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit von Agri-Photovoltaik, der Umstellung des Strommarktes auf Viertelstundenfenster und Blendgutachten. Sie können die Ausgabe in unserem Shop erwerben.
Der große Trend sind Hybrid-PPA, bei denen Photovoltaik mit Speichern, Wind mit Speichern oder alle drei Technologien gekoppelt werden. Allerdings stehen die Entwicklungen, wie Hybrid-PPA genau aussehen können, noch ziemlich am Anfang, was viel Stoff für Diskussionen auf der Tagung hergab.
Gefragt nach dem größten Blocker für hybride PPA antwortete Natasha Luther-Jones, Partnerin der Kanzlei DLA Piper und seit 17 Jahren im PPA-Geschäft, dass beide Seiten die Konzepte erst einmal verstehen müssten.
Wenn man Flexibilität im System mit einbeziehen will, wird es noch schwieriger. Eine Möglichkeit, diese zu fördern und zu entwickeln, sind Herkunftsnachweise mit Zeitstempel, wie sie Google fordert. Damit wird sichergestellt, dass die erneuerbare Erzeugung viertelstundengenau und nicht nur bilanziell über das Jahr dem Verbrauch in den Datenzentren entspricht. Noch gilt das nicht für den gesamten Bedarf, aber zunehmend. Der IT-Riese nutzt dabei viele verschiedene Möglichkeiten, den Strom zu beschaffen. Teilweise gibt es auch das Konzept, dass man mit Verkäufern ein bestimmtes Erzeugungsprofil vereinbart, das diese dann zum Beispiel mit 95-prozentiger Zuverlässigkeit einhalten müssen.
Das ist allerdings ein Konzept, mit dem vermutlich noch nicht viele Verkäufer und Käufer umgehen können. Es ist also davon auszugehen, dass – wie auch heute schon – Stromhändler eingebunden sind. Wie wichtig es für diese ist, mit dem Erzeuger einen Hybrid-PPA inklusive Batterie zu schließen, muss sich noch zeigen. Im Prinzip können sie diese Batterien ja auch extra unter Vertrag nehmen.
Umgang mit negativen Preisen
Als Kurzfristlösung für aktuelle Abschlüsse ist bei reinen Photovoltaik-PPA entscheidend, wie diese mit den Stunden umgehen, in denen die Preise negativ sind. Ein fairer Ansatz ist für Phil Dominy, Director Corporate Finance – Energy & Infrastructure bei Ernst & Young, wenn das Risiko geteilt wird. Wenn beispielsweise ein PPA bei 70 Euro pro Megawattstunde abgeschlossen ist und irgendwann der Börsenpreis auf minus 15 Euro fällt, würde in diesem Modell der Käufer weiterhin die 70 Euro für die erzeugte Menge bezahlen und der Erzeuger würde die 15 Euro bezahlen, die durch den negativen Strompreis anfallen.
Es liegt im Interesse aller, dass eine Anlage bei einem negativen Strompreis aufhört einzuspeisen. Das ist für den Verkäufer aber nur möglich, wenn der PPA-Vertrag auch einen Passus dazu enthält, wie in diesem Fall fiktive Energiemengen bestimmt werden. Grundsätzlich sollte es in der Entscheidung des Erzeugers liegen, ob er abregelt oder nicht. Bestimmt es der Abnehmer, könnte ein Wirtschaftsprüfer zu dem Schluss kommen, dass der Abnehmer durch den Vertrag faktisch Kontrolle über die Anlage ausübt. Dann müsste dieser die Anlage nach internationalen Bilanzierungsregeln in seiner Bilanz berücksichtigen.
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Umgang mit negativen Preisen
Als Kurzfristlösung für aktuelle Abschlüsse ist bei reinen Photovoltaik-PPA entscheidend, wie diese mit den Stunden umgehen, in denen die Preise negativ sind. Ein fairer Ansatz ist für Phil Dominy, Director Corporate Finance – Energy & Infrastructure bei Ernst & Young, wenn das Risiko geteilt wird. Wenn beispielsweise ein PPA bei 70 Euro pro Megawattstunde abgeschlossen ist und irgendwann der Börsenpreis auf minus 15 Euro fällt, würde in diesem Modell der Käufer weiterhin die 70 Euro für die erzeugte Menge bezahlen und der Erzeuger würde die 15 Euro bezahlen, die durch den negativen Strompreis anfallen.“
PPAs sind doch bereits eine Risikoverteilung auf beide Partner. Wieso soll da jetzt künstlich der Börsenpreis eingearbeitet werden? Dann sollte man auch das Risiko der Hochpreisphasen mit einfließen lassen, um da keine Einseitigkeit zu erschaffen. Und voila, dann kann man auch gleich an der Börse kaufen.
Prinzipiell stimme ich dem zu. Was ich aber vielleicht nicht deutlich genug reingeschrieben habe: Der Verkäufer kann dann (hoffentlich) in der Regel abregeln, das heisst, er muss die 15 Euro ja gar nicht zahlen. Er muss dann allerdings Herkunftsnachweise nachkaufen, was aber billiger sein sollte.
Der Verkäufer müsste nur dann zahlen, wenn negative Preise vertraglich zugelassen sind. Also Festpreis-PPAs sind nicht betroffen. Genau so wenig sind Zero-Floor-PPAs betroffen.