Rechtsgutachten zur Kundenanlage: Wie Mieterstrom und andere Lösungen erhalten bleiben könnten

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Das vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im November gefällte Urteil in Sachen „Kundenanlage“ und mehr noch die vom Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Mai getroffene Entscheidung zur Umsetzung dieses Urteils haben weite Teile der Energiewirtschaft enorm verunsichert. Bei der Nutzung von Photovoltaik-Anlagen sind vor allem Mieterstrom, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung oder Stromabnahmevereinbarungen für Installationen auf einem Grundstück (Onsite-PPA) betroffen, und auch die Urteilsbegründung des BGH ließ hierzu etliche Fragen offen. Derzeit gilt als Konsens, dass die Nutzung der Kundenanlage für solche Konzepte nur noch auf einem Grundstück, nicht aber für grundstücksübergreifende Quartierskonzepte möglich ist.

Es ergeben sich noch weitere Beeinträchtigungen und Unsicherheiten aus dem vom BGH postulierten Grundsatz, dass „nur eine Energieanlage, die kein Verteilernetz ist“, bei richtlinienkonformer Auslegung eine Kundenanlage sein kann. Gemäß der Auslegung durch das Gericht gelten deshalb im Prinzip die Anforderungen für ein Verteilnetz auch für jene Arealnetze, die in Deutschland unter die Definition „Kundenanlage“ fallen.

Im Auftrag von Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und des Landesverbands Franken der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat nun die Kanzlei Nümann + Siebert Rechtsanwälte ein Gutachten zum BGH-Beschluss vorgelegt – und nicht nur das: Die 52 Seiten umfassende Ausarbeitung von Peter Nümann, Christina Wohlgemuth, Lea Baumsteiger und Willi Schneider kündigt bereits im Titel auch einen „Vorschlag an den Gesetzgeber“ an. Dieser lautet im Wesentlichen, so die Zusammenfassung des Gutachtens, die Kundenanlage „von den nationalen Regelungen für Verteilernetze auszunehmen, also (nur) die EU-Vorgaben soweit nötig zu erfüllen, so dass die Kundenanlage quasi ein ‚Verteilernetz light‘ bildet. Insbesondere von den weiterreichenden nationalen Regeln für Energieversorgungsnetze könnte sie ausgenommen bleiben.“

Deutliche Kritik am BGH

Das Autorenteam macht indes auch deutlich, dass sein Vorschlag letztendlich überhaupt nur erforderlich wurde, weil der BGH in seinem Urteil eine bestimmte Auslegung des EuGH-Urteils verfolgt hat. Diese sei aber „nicht alternativlos“. Das Gutachten kommt vielmehr „zu dem Schluss, dass die Umsetzung der EU-Regulierung in der Kundenanlage im Grundsatz allein durch Auslegung möglich gewesen wäre“. Die EU-rechtlichen Anforderungen an Verteilnetze seien innerhalb von Kundenanlage entweder ohnehin schon umgesetzt oder wären es jedenfalls durch entsprechende Auslegung.

Da sich nun aber Gerichte an der BGH-Entscheidung orientieren werden, bedürfe es „einer gesetzlichen Klarstellung“. Diese lasse sich als Definition des Verteilernetz-Begriffs in Paragraf 3 des Energiewirtschaftsgesetzes einfügen. Die Formulierung könne zum Beispiel ein Elektrizitätsverteilernetz definieren als „ein Elektrizitätsnetz, das zur Weiterleitung von Elektrizität dient, die zum Verkauf an Kunden bestimmt ist. Eine Kundenanlage kann unter dieser Voraussetzung ganz oder teilweise ein Elektrizitätsverteilernetz sein. Die Vorschriften für Elektrizitätsverteilernetze oder Verteilernetze sind auf sie jedoch nicht anwendbar, wenn dies unverhältnismäßig ist, es sei denn die Anwendung ist durch höherrangiges Recht zwingend vorgegeben.“

Mit einer solchen Formulierung seien die heute geltenden Grundsätze zur Regulierung von Verteilernetzen umgesetzt. Gleichzeitig werde „der den Arealnetzbetreiber überfordernde regulatorische Ballast und das technische Netzmanagement aber weiterhin aus diesem Bereich herausgehalten“. Ein „Verteilernetz light“ eben.

Eine alle Probleme beseitigende Patenlösung sehen die Autoren hier allerdings nicht, für einige Bereiche sei auch der europäische Gesetzgeber gefordert. Es bestehe aber in wesentlichen Bereichen – Netzbetriebspflichten, diskriminierungsfreier Zugang, Netzentgelte, Grundversorgung, Entflechtung und weitere – kein Handlungsbedarf. Für den Betrieb von Elektroauto-Ladepunkten innerhalb von Kundenanlagen sowie zur Einbindung von Batteriespeichern in Versorgungskonzepte für Immobilien gebe es in der Europäischen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EltRL) jedoch Nachbesserungsbedarf, ebenso für Energieeffizienzanforderungen bei der Anbindung hocheffizienter KWK-Anlagen.

Insgesamt, heißt es hierzu im Gutachten, sollte die EuGH-Entscheidung „ein Weckruf auch für den europäischen Gesetzgeber sein“. Das Urteil habe die Reichweite der bestehenden Regulierung bis in einzelne Gebäude hinein verdeutlicht, deshalb müsse sie mit De-minimis-Regelungen flankiert werden, um die in diesem Anwendungsbereich bestehenden Verpflichtungen angemessen zu reduzieren. Auch auf europäischer Ebene müsse eine „Regulierung light“ formuliert werden.

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