NRW: Leitfaden für Ausgleichsflächen bei Freiflächen-Photovoltaik sorgt für Kritik

Solarpark, Biodiversität, Schmetterling (Falter, Rotwidderchen)

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Das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima in Nordrhein-Westfalen hat einen Leitfaden zur ökologischen Bewertung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen veröffentlicht. Ziel ist eine landesweit einheitliche Bemessung von Ausgleichsmaßnahmen. Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) hält zentrale Annahmen des Papiers jedoch für zu streng, insbesondere bei der Bewertung der Flächen unter und zwischen den Modulen.

Mit dem „Arbeitsblatt 61“ legt das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima erstmals verbindliche Kriterien vor, an denen sich Kommunen und Projektentwickler orientieren können. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass jede Photovoltaik-Freiflächenanlage einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt. Dieser Eingriff ist auszugleichen, meist durch extensiv bewirtschaftetes Grünland in der Nähe des Projekts. Bislang entschieden die Kommunen sehr unterschiedlich über Umfang und Art der Ausgleichsflächen. Der Leitfaden soll diese Unsicherheit reduzieren und die Planung verlässlicher machen.

Kern des Dokuments ist ein Wertpunktesystem von null bis fünf, mit dem die verschiedenen Teilflächen einer Anlage ökologisch eingeordnet werden. Vollversiegelte Flächen wie Zuwegungen erhalten den Wertpunkt null und sind vollständig zu kompensieren. Teilversiegelte Flächen wie Schotterwege werden mit dem Wertpunkt eins angesetzt. Die Bereiche direkt unter den Modulen ordnet das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima ebenfalls in der Regel dem Wertpunkt eins zu und stellt sie damit ökologisch den Schotterwegen gleich. Zwischen den Modulreihen richtet sich die Bewertung nach dem angestrebten Zielbiotop. Gegenüber dem Wert des Zielbiotops wird in der Bilanz ein Abschlag berücksichtigt. Bei Agri-Photovoltaik mit einem Zielwert von zwei ist ein Abschlag von einem halben Wertpunkt vorgesehen. Ab einem Zielbiotopwert von drei beträgt der Abschlag einen vollen Wertpunkt. Bei ausreichendem Reihenabstand von mehr als vier Metern können im Rand- und Zwischenbereich artenreiche Grünlandentwicklungen bis zu fünf Wertpunkte erreichen.

Für eine naturverträgliche Auslegung empfiehlt das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima Reihenabstände von mindestens fünf Metern, Modultische mit einer Unterkantenhöhe von mindestens 0,8 Metern und einer maximalen Tiefe von fünf Metern, reflexionsarme und lichtdurchlässige Module sowie eine fundamentfreie Bauweise mit Rammprofilen oder Schraubankern.

Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen stellt die fachliche Basis der Bewertung in Frage. Nach seiner Darstellung fehlen eine tragfähige wissenschaftliche Grundlage und eine angemessene Berücksichtigung von Praxiserfahrungen. Vor allem die Einstufung der Flächen unter und zwischen den Modulen hält der Verband für zu niedrig. Diese Bereiche würden dem Leitfaden zufolge teils wie Schotterwege behandelt. Aus Projekterfahrungen und Studien ergebe sich jedoch, dass gerade diese Bereiche deutliche Beiträge zur Artenvielfalt leisten können. Die vorgesehenen Abschläge führten dazu, dass Zwischen- und Nebenflächen in der Gesamtrechnung mitunter schlechter bewertet würden als intensiv genutzte Ackerflächen, die mit dem Wertpunkt zwei angesetzt sind. Der Verband warnt, die erhöhten Kompensationsanforderungen könnten viele Vorhaben wirtschaftlich in Frage stellen.

Als Referenz verweist der Landesverband auf eine Neuregelung im Freistaat Bayern. Dort erhalten Anlagen mit einem Modulflächenanteil von weniger als sechzig Prozent an der Gesamtfläche und einer maximalen Anlagengröße von fünfundzwanzig Hektar pauschal mindestens drei Wertpunkte. Bei einer Modulkantenhöhe von mindestens achtzig Zentimetern wird grundsätzlich angenommen, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts vorliegen. Ein Ausgleich ist dann nicht erforderlich. Auch bei größeren Anlagen entfällt der Ausgleich, wenn innerhalb der Anlage mindestens zehn Prozent der Modulfläche als blütenreiches Grünland entwickelt werden.

In Nordrhein-Westfalen sind derzeit rund 13,21 Gigawatt Photovoltaikleistung installiert. Die Energiestrategie des Landes sieht bis zum Jahr 2030 einen Ausbau auf 21 bis 27 Gigawatt vor, bis zum Jahr 2040 auf 50 Gigawatt. Nach Einschätzung des Landesverbands sind diese Ziele nur mit einem starken Beitrag der Freiflächen-Photovoltaik erreichbar. Vor diesem Hintergrund bewertet der Verband den Leitfaden des Landesamts kritisch.

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