50 Hertz: Keine neuen Netzanschlusszusagen für Projekte vor 2029 mehr möglich

50Hertz, Umspannwerk

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Netzanschluss ist eines der großen Reizwörter aktuell. Aus Sicht von Projektentwicklern sind Netzanschlussbegehren sehr mühsam, weil es bei den zuständigen Netzbetreiber oft nur schleppend vorangeht. Bei den Netzbetreibern wiederum weiß man gar nicht so recht, wie man der Flut an Anträgen gerecht werden soll. Aktuell besonders betroffen sind viele große Batteriespeicher-Projekte. Entwickler würden gern schnell ihre Batteriespeicher ans Netz anschließen, um so in der aktuellen Situation mit großen Börsenstromspreizungen vom lukrativen Arbitrage-Geschäft zu profitieren.

Der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz hat bis 2029 bereits 93 Netzanschlusszusagen für Speicher, Erneuerbare-Energien-Anlagen, für Großverbraucher wie Rechenzentren und für Gaskraftwerke und für Batteriespeicherprojekte mit insgesamt 35 Gigawatt erteilt.  Davon entfallen 23 Netzanschlusszusagen in der Größenordnung von etwa 12 Gigawatt auf Batteriespeicher, die im Rahmen einer Netztechnischen Stellungnahme (NTS) erteilt wurden.* „Damit sind unsere Netzanschlusskapazitäten für Projektstarts 2025 bis 2029 erschöpft“, heißt es von 50 Hertz von Anfrage von pv magazine.

Doch es gibt noch weit mehr ausstehende Netzanschlussbegehren. Stand Juni lagen 50 Hertz weitere 235 Anträge für Projekte mit 110 Gigawatt in seinem Netzgebiet vor. Das Unternehmen forderte die Antragsteller, bis zum 22. Juni zu bestätigen, dass sie ihre Projekte weiterverfolgen wollten. Die überwiegende Zahl habe dies getan, bestätigt der Übertragungsnetzbetreiber, wobei sich knapp 95 Prozent der Anträge auf große Batteriespeicher beziehen. 103 der 110 Gigawatt machen sie bei den vorliegenden Netzanschlussanfragen aus.

Nach dem derzeitigen Prinzip werden sie nach dem Windhundverfahren abgearbeitet. Also wer zu erst den Antrag stellt, wird auch als erster geprüft. Allerdings habe 50 Hertz den Antragstellern bereits mitgeteilt, dass es „wenig Aussichten auf einen zeitnahen Anschluss“ für die Projekte gebe. Ob überhaupt und wann genau, wird 50 Hertz nun in einer Machbarkeitsprüfung untersuchen. Alle Antragsteller, die an ihren Projekten festhalten, müssen dafür 50.000 Euro zahlen. 25 Prozent davon werden zu Beginn der Prüfung auf technische Machbarkeit fällig, wie das Unternehmen bestätigt.

Sollte die Machbarkeitsprüfung eine Anschlussperspektive für die Antragsteller irgendwann in den Jahren nach 2029 ergeben und diese den Termin akzeptieren, dann wird direkt ein Teil des Baukostenzuschusses fällig. „Die erste Tranche beträgt lediglich 1.000 Euro und lehnt sich in der Höhe und bei den Fristen an die Vorgaben der KraftNAV für eine Reservierungspauschale an“, erklärt das Unternehmen. Gemessen an der Gesamtinvestitionssumme für große Batteriespeicher sei „dieser Beitrag sehr moderat“, heißt es von 50 Hertz.

KraftNAV nicht sachgerecht

KraftNAV ist die Abkürzung für die Kraftwerksnetzanschlussverordnung. Und mit dieser tut sich 50 Hertz schwer. Das Unternehmen halte die Anwendung für „nicht sachgerecht“. Es mache sich daher für ein neues Netzanschlussverfahren stark. Dieses sollte stärker auf den volkswirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet sein sowie die geringen Ressourcen der Stromnetzinfrastruktur bestmöglich und ausgewogen nutzen. Dafür sollte der Reifegrad und die Realisierungswahrscheinlichkeit von Projekten stärker berücksichtigt werden und nicht allein das Eingangsdatum des Antrags entscheidend sein.

„Unglückliche rechtliche Rahmenbedingungen zwingen uns dazu, die Anträge nach dem Windhund-Prinzip oder First come, first serve-Prinzip zu bearbeiten – nicht der Reifegrad entscheidet, sondern der Poststempel“, sagt Stefan Kapferer, CEO von 50 Hertz. „Die Anwendung der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV) ist kontraproduktiv für alle Speicherprojekte, die tatsächlich einen hohen Reifegrad haben und Realisierungschancen hätten. Das ist zum Schaden der Energiewende, denn Großbatterien können einen wichtigen Beitrag zur Systemstabilität leisten, wenn sie netzdienlich einsetzbar sind und an den richtigen Standorten stehen“, sagt Kapferer weiter.

Zunehmender Druck auf Netzbetreiber – Verunsicherung bei Investoren

„Der Vorstoß von 50 Hertz verdeutlicht den zunehmenden Druck auf Netzbetreiber, strukturierte Verfahren zur Bewertung und Steuerung von Netzanschlussanträgen zu etablieren“, sagt Xenia Ritzkowsky, Senior Consultant bei Enervis Energy Advisors, auf Anfrage von pv magazine. „Angesichts einer hohen Zahl paralleler Anträge – vielfach in frühem Planungsstadium oder mit unklarer Realisierungswahrscheinlichkeit – wächst der Bedarf, vorhandene Netzkapazitäten effizient und transparent zuzuweisen.“

Enervis beobachte bei seinen Kunden, dass trotz grundsätzlicher Investitionsbereitschaft die Unsicherheit zunimmt – insbesondere hinsichtlich Anschlusszeitpunkten, Netzzugang und Kostenrisiken. „Ein belastbarer regulatorischer Rahmen mit klaren Kriterien zur technischen und wirtschaftlichen Anschlussfähigkeit sowie zur Bewertung der Projektreife kann dazu beitragen, sowohl seriöse Projekte zu stärken als auch den Netzausbau und die Integration von Speichern gezielt zu steuern“, sagt Ritzkowsky weiter.

Die Standortwahl der Projekte ist ein weiterer wichtiger Faktor aus Sicht von 50 Hertz. So sei „eine bessere Orchestrierung von Erzeugern und Verbrauchern erforderlich“. Nach dem jetzigen Verfahren sei die Ausbalancierung des Stromsystems nur schwer möglich, womit die Energiewende als Ganzes in Gefahr gerate. Niemandem sei damit gedient, wenn zu viele Batteriespeicher, die der Markt gar nicht verkraften könne, angeschlossen werden müssen oder zumindest vorbereitende Maßnahmen für einen Anschluss getroffen werden müssen, während andere Antragsteller nicht zum Zuge kämen, ist aus dem Unternehmen zu hören.

„Die Netzanschlussanfragen binden alle Schaltfelder in den Umspannwerken und blockieren so die Netzanschlusskapazitäten. Alle anderen wie zum Beispiel Rechenzentren, Elektrolyseure, Industrie oder Produktionsanlagen hätten das Nachsehen“, sagt Kapferer. „Die Anwendung dieser Verordnung bedeutet auch: Die von der neuen Bundesregierung geplanten neuen Gas-Backup-Kraftwerke müssten sich beim Netzanschluss hintenanstellen. Das führt eine Kraftwerks-Strategie, die in den kommenden fünf Jahren erste Ergebnisse zeigen soll, ad absurdum.“ Auch daher sei eine Klarstellung seitens des Gesetzgebers notwendig, dass die KraftNAV nicht für Batteriespeicher gelte.

Kapferer schreibt den großen Batteriespeichern durchaus eine wichtige Rolle im Energiesystem zu. Sie könnten dafür sorgen, dass mehr Erneuerbare ins Gesamtsystem integriert werden und die Stromeinspeisung über den Tag verteilen, was Markt und Netze entlastet. „Voraussetzung ist jedoch, dass sie in einem gesteuerten Prozess an den richtigen Standorten im Netz, mit der richtigen Betriebsweise und in der benötigten Größenordnung entstehen“, sagt er. Batteriespeicher sollten daher überwiegend dort ans Netz angeschlossen werden, wo es viel Strom aus Erneuerbaren-Anlagen gebe.

*Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Zahlen für die Zusagen nachträglich korrigiert und die Zahl der zusagten Netzanschlüsse für Batteriespeicher eingefügt.

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