Die EU will mit dem Net Zero Industry Act (NZIA) die Produktion sauberer Technologien zurück nach Europa holen – 30 Gigawatt an Photovoltaik-Fabriken will die EU bis 2030 wieder aufgebaut haben, vom Silizium, über Wafer, Zelle, Glas und Modul bis zum Wechselrichter. So das erklärte Ziel seit Jahren. Dafür sollen die EU-Mitgliedsstaaten künftig unter anderem Solarauktionen einrichten, bei denen etwa die Wechselrichter und die Module nur außerhalb Chinas produziert werden. Außerdem soll es Regeln geben, mit denen zum Beispiel eine nachhaltige Herstellung der Komponenten belohnt werden soll. So die Vorschläge zu den Durchführungsgesetzen des NZIA, welche die EU derzeit finalisiert.
30 Prozent des Auktionsvolumens für erneuerbare Energien oder alternativ mindestens sechs Gigawatt pro Jahr müssen künftig diese so genannten nicht-preisliche Kriterien berücksichtigen. Solarstrom aus solchen Photovoltaik-Anlagen darf dann um mindestens 15 Prozent höher vergütet werden, als aus Anlagen, bei denen Resilienz keine Rolle spielt.
Bis Ende vergangener Woche konnten Unternehmen, Verbände und Organisationen zu den Durchführungsgesetz Anmerkungen und Vorschläge einreichen. Das Interesse war groß, mehr als 120 Einreichungen verzeichnet die EU. Ich freue mich, dass viele davon die Idee des ESMC folgen, ein europäisches Ökosystem für eine klimafreundliche Industrie aufzubauen.
Denn es ist höchste Zeit, dass Europa seine Abhängigkeiten und Erpressbarkeiten reduziert – sei es von ölreichen Diktaturen, dem technologiemächtigen China oder den erratischen USA. Dafür ist der NZIA ein erster, wenngleich zu zaghafter Schritt. Denn er vermeidet es, den Elefanten im Raum klar zu benennen. Statt China – das mehr als 90 Prozent der Photovoltaik-Produkte nach Europa liefert – als dominierendes Land zu brandmarken, spricht das Durchführungsgesetz immer nur von einem „einzigen Drittland“ (a single third country). Und statt „Made in Europe“ zur Eintrittskarte für die Resilienzauktionen zu machen, heißt es darin nur, dass zum Beispiel Solarmodule für die Resilienzauktionen nicht aus diesem Drittland stammen dürfen (wohl aber zum Beispiel aus Nachbarländern Chinas unter dem Einfluss Pekings). Diese Staaten versucht die EU dann, mit Mindestanforderungen zum Arbeitsschutz, zur Umweltverschmutzung und zum Treibhausgasausstoß draußen zu halten.
Dieses Herumgeeiere wird ziemlich viel Bürokratie produzieren, zumal es mit dem NZIA nicht eine einheitliche Regelung für Photovoltaik-Auktionen in ganz Europa geben wird. Der NZIA ist lediglich der Rahmen, der in 27 verschiedenen Regelungen in jedem der EU-Mitgliedsstaaten münden wird. Chaos und Verdruss sind damit voprogrammiert. Dieses umso mehr, als dass die EU-Mitgliedsstaaten schon am 1. Januar 2026 mit den Resilienzauktionen starten müssen – die Zeit drängt also!
Viel einfacher wäre es, den Elefanten beim Rüssel zu packen. Genau das tut der „Clean Industrial Deal“, den die beiden EU-Vizepräsidenten Terea Ribera und Stéphane Séjourné am Mittwoch (26. Februar) vorgelegt haben: Hierin kündigt die EU an, Resilienz und EU-Industrie künftig mit klaren „Local Content“-Kriterien zu fördern.
Also endlich ein knackiges Bekenntnis zu „Made in Europe“ und ein großer Schritt in die richtige Richtung. Die EU-Kommission sollte ihre neue Einsicht daher direkt auf den Net Zero Industry Act übertragen und auch mit den Resilienzauktionen genau jene erneuerbaren Energien fördern, die „Made in Europe“ sind. Das gäbe der europäischen Solarindustrie endlich die nötige Klarheit, um in jene 30 Gigawatt Produktionskapazität zu investieren, welche die EU zum Grundstein für Europas Resilienz beim Solarstrom werden können.
— Der Autor Christoph Podewils ist Generalsekretär des European Solar Manufacturing Councils (ESMC). Er ist seit vielen Jahren ein enger Begleiter der Photovoltaik-Industrie und des Politikbetriebes. Zuletzt beim Solarhersteller Meyer Burger, in vorherigen Rollen auch beim Think-Tank Agora Energiewende und als Journalist bei einem Solarstrommagazin. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.







Das Gerede von strategischen Abhängigkeiten ist bei Photovoltaikmodulen meines Erachtens völliger Unsinn. Wenn Putin heute den Gashahn zudreht, fehlt uns übermorgen das Gas und in wenigen Monaten wird es akut. Vorhandene Infrastruktur wie Pipelines wird dann wertlos. Das ist strategische Abhängigkeit.
Wenn wir uns morgen total mit China zerstreiten und keine PV-Module mehr bekommen, produzieren alle bis dahin bei uns installierten PV-Module trotzdem unverändert über Jahrzehnte bis an ihr Lebensende weiter Strom. Da besteht nicht ansatzweise eine vergleichbare Abhängigkeit.
Der weitere Ausbau käme dann für 2-3 Jahre ins Stocken, weil wir erstmal eigene Produktionskapazitäten aufziehen müssten. Wir stünden aber auch dann nicht schlechter da, weil wir durch die ultrabilligen Module aus China in der Zwischenzeit um ein Vielfaches mehr ausgebaut haben, als wenn wir die ganze Zeit nur doppelt so teure Module aus Europa zur Verfügung gehabt hätten. Wenn China die Module teils unter Herstellungskosten auf den Markt wirft, dann subventioniert die fehlgeleitete Industriepolitik in China letztlich unfreiwillig unsere Energiewende.
Anders als bei Halbleitern in modernen 3 und 4 nm Strukturen, wo wir die Technologie überhaupt nicht haben, nicht beherrschen, beherrschen wir sehr wohl den Bau von PV-Modulen. Und selbst wenn wir da 5 Jahre Technologierückstand haben, dann haben unsere Panel eben nur 21,5 statt 22,5 % Wirkungsgrad. Kein Beinbruch.
Ich sehe hier nur Lobbyismus zur Durchsetzung von Partikularinteressen, der am Ende zwingend die Energiewende bei uns verteuert. Und anschließend wird wieder Überregulierung beklagt und Habeck ist schuld am teuren Strom…
@Gernot, Habeck kann es nicht mehr schuld sein, ein anderer muss her 😉
Ich stimme dem letzten Artikel zu. Es ist vorbei mit aufholen – außer wir haben was ganz NEUES.
Nicht bremsen, nicht irritieren lassen, weiter machen.