Reaktionen zur Bundestagswahl: Die Energiewirtschaft fordert klare Bedingungen

CDU/CSU, Friedrich Merz, Bundestagswahl

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„Die Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben. Eine Koalition zwischen CDU/CSU und SPD bahnt sich an.“ So beginnt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) seine Erklärung zum Ausgang der Bundestagswahl vom Sonntag. Und gleich im nächsten Absatz formuliert Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, ein zentrales Anliegen ihres Verbands: „Es gilt, schnell eine stabile Regierung zu bilden und Handlungsfähigkeit herzustellen.“ Die Umsetzung der Energiewende werde noch Jahrzehnte dauern, deshalb brauche es „einen konsistenten und verlässlichen Regulierungsrahmen, der sich nicht an Legislaturperioden orientiert“.

Der BDEW benennt zudem auch einen wichtigen Punkt für die anstehenden Koalitionsverhandlungen, der Verband möchte das bestehende Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erhalten wissen: Energiepolitik sei „ganzheitlich zu betrachten“, weil Erzeugung, Transport und Handel auf nationaler und europäischer Ebene ineinandergreifen. Deshalb sei es „fundamental wichtig, dass die Ressortzuschnitte eine entsprechende Energiepolitik ermöglichen. Eine Aufteilung in mehreren Ministerien, insbesondere eine Trennung von Erzeugung und Infrastruktur, lehnen wir entschieden ab.“ Dies nämlich, fürchtet der Verband, würde „Fehlsteuerungen und Verzögerungen“ mit sich bringen. Unklare Strukturen und Zeitverzug aber sind die Dinge, vor denen der BDEW am dringlichsten warnt: „Wir brauchen rasch einen klaren politischen Rahmen, der Ambitionen, Planungssicherheit und Innovationsspielräume vereint.“

Inhaltlich formuliert der Verband zu seinen Erwartungen an die kommende Regierung Forderungen, die er schon seit längerem immer wieder vorbringt und zuletzt auch in Handlungsempfehlungen zusammengefasst hat: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien dürfe nicht nachgelassen werden, es brauche aber „als Partner der erneuerbaren Energien“ auch steuerbare Kraftwerke. Deshalb müssten noch in diesem Jahr Ausschreibungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke beginnen. Ebenso wichtig sei die Digitalisierung der Stromnetze. Weiterhin fordert der BDEW „ein konsistentes Wärmepaket, dass die Wärmewende einfach und bezahlbar macht“. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist ebenfalls zentrales Anliegen, dies sei „nicht nur klima-, sondern vor allem wirtschaftspolitisch entscheidend“. Eine Forderung bereits für die ersten 100 Tage einer neuen Bundesregierung ist die Entlastung bei Strompreisen durch eine Senkung der Stromsteuer und einen Zuschuss zu den Netzentgelten.

Die Branche kann noch einen Gang hochschalten

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) beginnt seine Erklärung zum Wahlausgang mit der Forderung, die anstehenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche müssten „zügig Ergebnisse liefern“ und zu einer „stabilen und handlungsfähigen Regierung“ führen. Stabilität sei zudem „mit Blick auf die Stärkung Europas angesichts wachsender Spannungen zwischen der EU und den USA sowie den fortgesetzten russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von entscheidender Bedeutung“. Die Schlagworte „Planungssicherheit“ und „klare Rahmenbedingungen“ fehlen auch in der BEE-Erklärung nicht. Der Verband fordert „eindeutige Bekenntnisse zur Fortsetzung der Energiewende und zum Ausbau erneuerbarer Energien“. Diese seien „ebenso essenziell wie klare Signale zur Nutzung des energiepreissenkenden Potenzials der Erneuerbaren im Rahmen einer Strommarktreform sowie von Wärme- und Verkehrswende“.

Die Branche, so der BEE, „ist bereit, in den kommenden Jahren noch einen Gang höher zu schalten. Die Bundesregierung muss hierfür den Rahmen schaffen“. Generell sollten aber nicht nur die Akteure in der Regierung, sondern alle demokratischen Parteien „angesichts einer erstarkenden Rechtsextremen“ einen gemeinsamen Kurs finden, der auf Kompromiss, Sachorientierung und zukunftsfähige Lösungen setzt. Die Energiewende ist ein demokratisches Projekt für die gesamte Gesellschaft.“

Einen eindringlichen Appell „an alle Verantwortungs- und Mandatsträger“ formuliert auch Marcus Elsässer, Gründer und Geschäftsführer des Messe- und Kongressveranstalters Solar Promotion: „Halten Sie auf nationaler und internationaler Ebene fest an den ambitionierten, aber realistischen Zielsetzungen zur Klimaneutralität. Jedes Zögern, jede politisch motivierte Verschiebung von Zielmarken macht die Folgen des Klimawandels schlimmer und treibt die unvermeidlichen gesellschaftlichen Kosten in die Höhe.“ Möglicherweise mit Blick auf die kommende Kanzlerpartei und ihre stets wiederkehrenden Angriffe auf den Atomausstieg, das Verbrenner-Aus und zuletzt auch explizit die Windkraft widmet Elsässer diesem Aspekt einen eigenen Abschnitt: Es könne „keine ökonomisch sinnvolle Alternative zu Solar- und Windenergie geben. Die in manchen Wahlprogrammen zu lesenden Visionen von ‚technologieoffenen‘ Lösungen werden zwangsläufig an den Gesetzen der Physik als auch an der Wirtschaftlichkeit scheitern“.

Benjamin Frank, Geschäftsführer von Solarwatt, hatte bereits einige Tage vor der Wahl seine Erwartungen an die nächste Regierung formuliert und dürfte mit Elsässer – und vielen anderen – einig sein, wenn er fordert, „dass sich die neue Bundesregierung bei ihren Entscheidungen zur Energiepolitik an die Fakten hält und sich nicht von gefühlten Wahrheiten leiten lässt“. Und zu den zentralen energiepolitischen Fakten gehört aus seiner Sicht: „Solar- und Windenergie sind mit Stromgestehungskosten ab vier Cent pro Kilowattstunde mit Abstand die günstigsten Energieformen.“

Die Erfolgsgeschichte fortsetzen

Aus eben diesem Grund, da ist Frank sicher, werde der Erneuerbaren-Ausbau „auch in einer unionsgeführten Regierung weitergehen“. Denn auch Friedrich Merz weiß, dass die Stromgestehungskosten von Solar und Wind mittlerweile so niedrig sind, dass andere Energieformen dagegen einfach nicht ankommen.“ Nicht zuletzt deshalb sei unverständlich, „warum die Union immer wieder das Thema Atomkraft als wichtigen Energieträger für Deutschland ins Feld führt.“ Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE habe Stromgestehungskosten bis zu 49 Cent pro Kilowattsunde für neue Atomkraftwerke berechnet. „Selbst wenn wir also sämtliche Risiken der Kernenergie einmal außer Acht lassen“, so Frank, „ist diese Technologie einfach viel zu teuer.“

Mit der von der Union angekündigten Rücknahme des Heizungsgesetzes hat der Solarwatt-Chef indes offenkundig kein Problem, solange die ebenfalls angekündigte Fokussierung auf höhere CO2-Preise auch wirklich stattfindet. „Der Einsatz von klimafreundlichen Technologien“, so Frank, „würde sich dann über den Preis regeln“.

Der Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) und Geschäftsführer der Goldbeck Solar Gruppe, Joachim Goldbeck, hält ebenfalls ausdrücklich fest: „Photovoltaik ist die kostengünstigste und nachhaltigste Form der Stromerzeugung – sie wird nicht nur das Rückgrat der Energiewende, sondern auch der europäischen Wirtschaft bleiben, unabhängig von politischen Mehrheiten.“  Es sei geschlossenes Agieren notwendig, damit Deutschland und Europa auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben. Von der neuen Bundesregierung erwartet Goldbeck deshalb, dass sie „den Ausbau der Solarenergie weiterhin aktiv unterstützt und die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, um diese Erfolgsgeschichte fortzusetzen und uns von Importen fossiler Energie unabhängig zu machen.“

„Eine strategisch kluge und sozial ausgewogene Klimapolitik in Deutschland und Europa“ bezeichnet der Berliner Thinktank Agora Energiewende als Schlüssel, um den Herausforderungen einer „deutlich veränderten Weltlage“ zu begegnen. Die nächste Bundesregierung müsse „im Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft“ konstruktive Lösungen zur Umsetzung der Klimaneutralität finden. Der Kern einer solchen Klimapolitik müsse es sein, „die großen Erfolge beim Ausbau der erneuerbaren Energien fortzusetzen und zugleich die Transformation bei Industrie, Gebäuden und Verkehr zu beschleunigen“.

In der Gesamtschau finden sich in den Erklärungen am Tag nach der Wahl größtenteils Forderungen, die Befürworter der Energiewende wohl ohnehin als blanke Selbstverständlichkeit begreifen. Das mag an der kurzen Reaktionszeit liegen – oder aber daran, dass man es als notwendig erachtet, den kommenden Bundeskanzler und seine Mitstreiter an solche Selbstverständlichkeiten zu erinnern.

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