Vehicle-to-Grid: Ist 2024 die Marktreife erreicht?

Teilen

„Ich weiß, man hört es jedes Jahr wieder, aber im Laufe des nächsten Jahres sollte es wirklich soweit sein – die Entwicklungen sehen sehr gut aus, auch wenn noch Einiges zu tun ist“, sagt Jan Figgener, von der RWTH Aachen. Was er meint, ist der Startschuss für Vehicle-to-Home und Vehicle-to-Grid Anwendungen in Deutschland. Das Interesse ist bei Endkunden und Dienstleistern sei groß. Das Potenzial für die Energiewende enorm. Die Technik dazu ist vorhanden. In etwa so lässt sich die Konferenz „Vehicle2Grid“ in Aachen zusammenfassen.

Am Rande der Fachtagung „Advance Battery Power“ trafen sich Experten aus ganz Europa in Aachen. Organisiert wurde die Veranstaltung von Jan Figgener und von Christopher Hecht, der in derselben Forschungsgruppe an der RWTH Aachen arbeitet.

„Was wir sehen, ist, dass die Pilotprojekte jetzt abgeschlossen sind und die Firmen in den Startlöchern stehen“, sagt Hecht. Er sieht, dass der entscheidende Punkt noch die Regulatorik ist. Da wäre zum einen die „Doppelbesteuerung“. So müssen Netzentgelte und Steuern zweimal also beim Ein- und Ausspeichern entrichtet werden. Das ist Gift für die Wirtschaftlichkeit. Das Problem wurde über die zwei Tage hinweg immer wieder von allen Sprechern der Tagung aufgegriffen und kritisiert.

Regulatorik hinkt hinterher

Das zweite Problem, was einem Markthochlauf in Deutschland noch im Weg steht, ist der Mangel an Smart-Metern. Die werden zwar, wie kürzlich im Bundestag beschlossen, auch kommen. Aber europäische Nachbarländer wie die Niederlande haben schon jetzt an fast allen Anschlüssen intelligente Zähler verbaut. Kein Wunder also, dass niederländische Unternehmen wie Jedlix, einem Dienstleister für intelligente Ladelösungen, die Fortschritte auf dem Gebiet in den Niederlanden vortragen konnten.

„In den Niederlanden gibt es eben auch eine andere Netzentgeltstruktur als in Deutschland“, sagt Hecht. Aber nicht nur das; auf die Frage was man noch von den Nachbarn lernen könne, sagt Figgener: „Die etwas entspanntere Einstellung zur regulatorischen Ausgestaltung, wäre für Vehicle-to-Grid hier ganz hilfreich“. Ein entspanntes Verhältnis zu mutigen Schritten haben die niederländischen Projektierer. So fragt Bram van Eijdelen, von Total Energies Niederlande in die Runde, ob es nicht angebracht wäre, wenn alle öffentlichen Ladepunkte verpflichtend intelligentes Laden beziehungsweise Vehicle-to-Grid vornehmen würden. Hecht und Figgener finden den Vorschlag gar nicht so schlecht. Es sollte allerdings eine Opt-Out-Möglichkeit geben.

Privat oder Flotte?

Auch wenn bei Privatkunden das Interesse an bidirektionalem Laden enorm ist, werden die ersten Markterfolge eher Fahrzeugflotten großer Unternehmen erfahren. Das hat mehrere Hintergründe.

„Bei einer Busflotte eines Nahverkehrsunternehmens lasst sich sehr verlässlich voraussagen, wann die Busse wie lange im Depot sind“, sagt Figgener. Diese Planbarkeit erleichtert den Handel, weil das Handelsvolumen und die Handelsdauer gut geplant werden können. Außerdem kommen solche Unternehmensfahrzeuge meistens mit einem deutlich niedrigeren Ladenzustand als Privatfahrzeuge an. „Umso leerer die Autos sind, desto mehr Flexibilität kann ich während des Ladevorgangs auch unidirektional anbieten“, sagt Hecht. Vollgeladene Fahrzeuge hingegen müssten für den Energiemarkt zwingend über Entlademöglichkeiten verfügen.

Frequenzdienstleistung oder Stromhandel

Unter den Rednern fanden sich zwei Lager. Die Firmen, die mit Vehicle-to-Grid-Frequenzdienstleistungen bereitstellen wollen und jene die damit eher das Arbitrage-Geschäft verfolgen. Dennis Schulmeyer vom Mainzer Start-up Lade GmbH, zum Beispiel, setzt auf den Day-Ahead-Stromhandel. Der Grund sei, dass der aktuelle Markt für Frequenzdienstleistungen schon mit 300.000 teilnehmenden Fahrzeugen gedeckt wäre. Dennoch gibt es zahlreiche Firmen, die in beiden Segmenten Geschäfte machen werden.

AC oder DC?

Die Frage ob bidirektionales Laden auch AC-seitig stattfinden soll, trieb viele Teilnehmer der Veranstaltung um. Kurzfristig werde wahrscheinlich das bidirektionale Laden mit Gleichstrom realisiert, sagt Hecht. Aber es gebe auch klare Vorteile für die AC-seitige Verbindung und die werde schlussendlich auch ihren Weg auf den Markt finden.

Aktuell werden bidirektionale Ladesäulen als DC-Säulen verkauft. Die haben zwar mehr Leistung sind aber dafür deutlich teurer als Elf-Kilowatt-Wallboxen, die in vielen Haushalten installiert werden. Allerdings verbietet schon allein der Preis für die meisten die Installation. Rund zwischen 3000 und 8000 Euro müssen Kunden für solche Säulen noch berappen. Das soll sich zwar verbessern, aber verglichen mit den 800 Euro bis 1500 Euro für einfachere AC-Wallboxen ist der Preisunterschied zu groß. Das gilt auch für Unternehmensparkplätze, wo elf Kilowatt Ladeleistung meistens ausreichen.

Im nächsten Jahr hoffentlich Ergebnisse

Nachdem in diesem Jahr die Unternehmen auf der Konferenz ihre Erfolgreichen Pilotprojekte vorstellten, wollen Figgener und Hecht während der dritten Iteration der Konferenz im nächsten Jahr Ergebnisse der Skalierung sehen. „Wir hoffen, dass es erste Unternehmen gibt, die solche Konzepte an 30 oder sogar 50.000 Kunden ausgerollt haben“, sagt Hecht. „Und dann gibts Ergebnisse.“

Jan Figgener fügt hinzu, dass er gerne noch mehr Autohersteller auf der Konferenz sehen würde. Bei der Technologieentwicklung, gerade im Bereich des bidirektionalen Ladens seien diese eben von großer Bedeutung.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.