Man könnte meinen, dass US-Präsident Bidens Einführung eines Klimaschutz- Subventionsprogramm von Europa mit Applaus begrüßt würde. Tatsächlich ist das US-Programm eines der größten jemals beschlossenen staatlichen Subventionsprogramme und die Einführung des Inflation Reduction Act“ im Kampf gegen den Klimawandel. Biden sieht 370 Milliarden Dollar für den Bau von Windkraftanlagen, Solarzellen und Elektrofahrzeugen vor. Insbesondere soll auch der Aufbau einer Industrie für Klimaschutztechnologien befördert werden. Zusätzlich wird eine eine CO2-Einfuhrsteuer für Stahl und Aluminium diskutiert, sollten diese nicht CO2 frei hergestellt werden.
Marktegoismus statt Klimaschutztechnologie-Förderung
In der EU steht es um den Klimaschutz schlecht, nach wie vor sind die Treibhausgasemissionen inakzeptabel hoch. Und nun kommt das Unfassbare: Jetzt laufen Regierungschefs aus der EU, die im Klimaschutz bisher völlig versagt haben, gegen Bidens Pläne Sturm und fordern sogar Anklage vor der WTO wegen unerlaubter Subventionen. Insbesondere ist den Staatschefs ein Dorn im Auge, dass die USA eine heimischen Klimaschutzindustrie damit aufbauen wollen. Der EU-Kommissar für Binnenmarkt Thierry Breton sagte in einem Interview mit BFM Business: “Wir werden natürlich Vergeltungsmaßnahmen in Betracht ziehen”. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von der Gefahr eines “riesigen Zollkriegs”.
Statt dass sich die EU-Regierungschefs mit ähnlichen Klimaschutzprogrammen um den Aufbau einer mächtigen Klimaschutzindustrie selbst bemühen, um im Wettlauf mit China, Indien und USA mithalten zu können, wollen sie nun Zölle aufbauen und so den europäischen Markt vor ausländischen billigen Klimaschutztechnologien schützen. Das ist schon einmal schief gegangen.
Abschottung verschlimmert das Problem
Die Solarzölle, die in der EU gegen die chinesischen Photovoltaik-Konkurrenz im letzten Jahrzehnt erhoben wurde, haben den Niedergang der europäischen Solarindustrie nicht aufhalten können. Stattdessen haben sie dazu geführt, dass der Solarmarkt in der EU massiv schrumpfte. Ein großer Schaden für den Klimaschutz.
Es ist nicht zu glauben: Die Regierungschefs, die nun hunderte Milliarden Subventionen beschlossen haben, um den Energiekunden angesichts der hohen Preise für Erdgas oder Atomstrom etwas unter die Arme zu greifen, bemühen sich überhaupt nicht, einen mit den US-Plänen vergleichbaren Industrieaufbau in der EU zu planen. Dabei könnte dies die Grundlage sein, um EU-Bürgern in den kommenden Jahren immer mehr billige Energie aus Erneuerbaren zu garantieren.
Stattdessen fahren EU-Chefs in die Golfregion oder nach Afrika und vereinbaren Langfristverträge für LNG oder Erdöl mit Staaten, die in der Korruptionsliste ganz oben stehen. So freuten sich vor wenigen Tagen Kanzler Scholz und Vizekanzler Habeck über den ersten Liefervertrag von LNG aus Qatar – einem Staat, der für Korruptionszahlungen an EU-Parlament und FIFA in der Kritik steht.
Die deutsche und europäische Politik bremst Klimaschutztechnologien aus
Wie sehr die deutsche Regierung und EU-Kommission im Aufbau heimischer Klimaschutztechnologie versagen, zeigt das Beispiel des Schweizer Solarunternehmens Meyer Burger. Meyer Burger hat an den ehemaligen Solarstandorten der inzwischen aus Deutschland verschwundenen Firmen Q-Cells und Solarworld in Bitterfeld und Freiberg erstmals wieder den Neubau einer Solarzellenfabrik gewagt und realisiert – sogar fast ohne Fördermittel aus Brüssel oder Berlin. Die Einweihung im Mai 2021 zog jedoch lediglich Landespolitiker an, Bundespolitiker waren bei diesem Termin nicht zu sehen – obwohl Berlin angeblich sehr am Strukturwandel nach dem Kohleausstieg interessiert ist, gerade in dieser ostdeutschen Region.
Meyer Burger wollte weiter in Deutschland und der EU investieren. Nun bekommt die Firma stattdessen starke Förderungen von Präsident Biden und baut aktuell ein neues Werk in Arizona. Jobs entstehen so nicht in Ostdeutschland, sondern in den USA. Mit den angedrohten Zöllen gegen die Importe dieser Solarmodule aus den USA könnten dann nicht einmal billige Solarparks in der Kohleausstiegsregion Lausitz entstehen, weil die Zölle dann die US-Module verteuern und in der EU eben nur sehr wenige Produzenten sind. Eine Zementierung der Abhängigkeit von chinesischer Solartechnologie wäre die Folge.
Auch die langjährigen starken Initiativen des ehemaligen Chefs des Fraunhofer ISE in Freiburg, Eicke Weber zum Aufbau einer starken europäischen Solarindustrie sind bisher in Brüssel oder Berlin ohne greifbares Resultat verhallt.
Klimaschutzindustrien decken auch andere Innovationen neben der Solarindustrie ab: In Kalifornien beginnt die Firma Monarch mit der Produktion eines elektrisch und autonom fahrenden Traktors für die Landwirtschaft. Diese Technologie bietet die Chance auf billigere Lebensmittelpreise, da die Landwirtschaft endlich vom Erdöl auf dem Acker loskäme. Würde die EU jedoch auf solche Traktorimporte Zölle erheben, blieben die Lebensmittelpreise weiter abhängig von Ölpreissteigerungen. Nachhaltig angebaute Pflanzenöle vom heimischen Acker zum Betrieb von Traktoren lehnt die EU-Ebene ja ebenfalls ab.
Wenn sich Kanzler Scholz und andere Staatschefs der EU dem Aufbau einer eigenen Klimaschutzindustrie verschließen, und gleichzeitig Klimaschutztechnologie aus dem Ausland verteuern wollen, ist das ökonomische Hintertreffen der aktuell am fossilen Tropf hängenden Industrie vorprogrammiert. Innovative und günstige Klimaschutztechnologien sind zentral, um zukünftige soziale und wirtschaftliche Krisen durch fossile Energieimporte zu verhindern, die Klimaziele zu erreichen und von korrupten Regimen geopolitisch unabhängig zu werden.
— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. http://hans-josef-fell.de —
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Na ja, die Regierungen der EU Länder sind in aller erster Linie ja erst mal den eigenen Ländern bzw. Menschen verpflichtet. Das sie da keine Luftsprünge machen wenn andere Länder Subventionen raus geben um Investitionen und somit Arbeitsplätze und Wertschöpfung ins Land zu holen dürfte doch klar sein. Das Ergebnis wird doch sonst sein das sich die Länder mit Subventionen überbieten müssen. Das kann auch nicht gesund sein.
@150kW, was für ein Statement.
Bitte nochmal nachdenken!
In meinen Augen moniert Hans-Josepf zu recht das fehlende Pendant von Europas Politik zu den Entwicklungen der staatlichen gestützten Produktion von ausschließlich lokalen Wertschöpfungen für die Erneuerbaren.
Welthandel geht anders!
Ich finde der Autor hat vollkommen recht. Wenn wir in Europa keine eigene Klimaschutzindustrie hinbekommen und die innovativen Produkte ausländischer Hesteller mit Zöllen verteuern, bestrafen wir uns selbst doppelt. Dummheit pur. Für die Bundeswehr hat die Regierung quasi über nacht 100 Milliarden Euro locker gemacht. Aber Panzer und Jagdflugzeuge werden unsere Erde kaum retten können. Obwohl ich selbst in der PV-Branche tätig bin, glaube ich nicht dass wir das Ziel 1,5 Grad schaffen. Dazu müssten wir alle, aber wirklich alle an einem Strang ziehen. Alle Emittanten dieser Welt müssten ihre Kräfte bündeln und effektiv am Klimaschutz arbeiten. Aber der Mensch ist nicht viel intelligenter als der Schimpanse. Die Gier wird irgendwann das Verhängniss für die Menschheit sein.
Ich würde das etwas differenzieren.
– Der Umbau auf erneuerbare in Europa gar nicht schnell genug gehen aus vielen Gründen.
– Ich freue mich sehr darüber, wenn die USA ernsthaft in den Klimaschutz investieren.
– Der Zubau von PV in Europa betrug 2021 rund 32 GW, im Vergleich USA: 24 GW. Auch bei Wind ist Europa deutlich weiter als die USA (nicht beim Zubau, aber absoluter Ist-Status). Der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß der USA ist doppelt so hoch wie der von Europa. Die USA müssen also erstmal noch den Vorsprung Europas aufholen.
– Geld/Subventionen spielen natürlich eine Rolle. Aber nicht nur. Bei der Ansiedlung von Industrie geht es ja auch um Fachkräfte, Know-how, Infrastruktur, Transportwege und vieles mehr. Klar, da sind die USA auch stark. Aber Europa auch.
– Bei den Stromgestehungskosten von Wind- und Sonnenstrom finanzieren sich viele Projekte ja von selbst, also ohne Förderung/Subventionen
– Nicht die Subventionen an sich sind ja das Problem, sondern in erster Linie die Regel, dass diese nur gezahlt werden, wenn US-Produkte verwendet werden oder in den USA produziert wird. Das ist ja indirekt praktisch so was wie das Erheben von Zöllen auf ausländische Produkte.
Hat Thierry Breton wirklich von „Vergeltungsmaßnahmen“ gesprochen? Mich würde eine Originalquelle interessieren, habe keine gefunden. An anderer Stelle habe ich von „Gegenmaßnahmen“ oder einer WTO-Klage gelesen, was ja eine etwas andere Formulierung ist…
Bisher zu eenig beachtet: der Grund für die ‚vornehme ‚ Zurückhaltung der hiesigen Politiker liegt in ihrer ‚Aktienabhängigkeit‘ , und der hier herrschenden RELIGION: Alles Heil liegt im freien Markt , der Markt löst alle (!!!) Probleme.
Dass uns genau der freie Aktienmarkt in diese Situation gebracht hat – siehe auch Medikamentenmangel – wird im Interesse der eigenen zusammengehamsterten Aktienpakete verdrängt. Diese könnten ja an Wert verlieren.
Gerade das Beispiel „Medikamentenmangel“ ist dadurch entstanden, dass man eben keinen freien Markt hatte, sondern dass der Staat die Preise immer weiter gedrückt hat. Die Pharmaunternehmen haben das zähneknirschend akzeptiert, solange ihre Herstellungskapazitäten noch nicht abgeschrieben waren. Zu Neuinvestitionen hatten sie aber keine Lust bei diesen gedrückten Preisen, und jetzt haben wir den Salat: Güter der Daseinsvorsorge (Antibiotika, Krebsmedikamente, …) werden nicht mehr in ausreichender Menge produziert. Das kommt heraus, wenn Politiker sich sehr schlau vorkommen, und glauben, eine kurzfristige Erpressbarkeit könnte man auch langfristig ausnutzen.
So einfach „freier Markt ja-nein“ ist es aber trotzdem nicht. Bei einem Gut der Daseinsvorsorge kann er auf keinen Fall alleine die Lösung sein. Deshalb haben wir ihn ja nicht. Wenn der Staat aber in den Markt eingreift, so dass es kein freier mehr ist, dann sollte er das kompetent tun. Die Kompetenz sollte darin bestehen, dass das benötigte Gut in ausreichender Menge und zu für die Lieferanten auskömmlichen Preisen dauerhaft zur Verfügung steht. Das verlangt etwas Fingerspitzengefühl. Das ist leider sehr wenig verbreitet, in der öffentlichen Diskussion wird lieber mit dem Hammer argumentiert. Die Ergebnisse sind dann danach.