Neustart von Energetica geglückt – Platz in der Nische finden

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Es ist ein gutes Jahr her, als Energetica Industries wegen der finanziellen Schieflage Insolvenz anmelden musste. In den darauffolgenden Monaten fand sich mit IRMA Power ein finanzstarker Investor, der zudem seinen Willen bekräftigte, die Modulproduktion in Liebenfels fortsetzen zu wollen. Mehr noch – nach der Übernahme im Frühjahr – kündigte Martin Kurschel, Eigentümer von IRMA Power und damit nun auch von Energetica an – den Standort in Kärnten zu einem „Green Energy Hotspot“ wandeln zu wollen mit mittelfristig eigener Stromversorgung aus Photovoltaik und Brennstoffzellen und langfristig auch aus Wasserstoff.

In den ersten Monaten nach der Übernahme von Energetica stand das Hochfahren der Modulproduktion für den neuen Eigentümer im Fokus. Dafür holte er seinen Bruder Bernhard Kurschel mit an Bord, der als Technischer Leiter agiert. Er bringt als Maschinenbauer große Erfahrung aus dem Produktionsbereich mit. Mittlerweile läuft die Fertigung der Solarmodule, die eine speziell entwickelte Verschattungstechnologie enthalten, wieder auf Hochtouren. Die nominale Produktionskapazität liegt aktuell bei jährlich 350 Megawatt in Liebenfels. „Wir werden demnächst vom Drei- auf den Vier-Schicht-Betrieb umstellen“, sagt Bernhard Kurschel im Gespräch mit pv magazine. Rund 100 Mitarbeiter beschäftigt Energetica wieder, darunter auch viele Fachkräfte, die bereits vor der Insolvenz für das Unternehmen gearbeitet haben. Auch die weitere Skalierung der Produktion sei bereits für das nächste Jahr in Planung.

Die Zellen für die Solarmodule stammen aus China, doch die Fertigung der Endprodukte erfolge komplett in Österreich, erklärt Martin Kurschel während des Gesprächs. Mit IRMA Investments ist er auch in den Bereichen Immobilien und Finanzen unterwegs. Gerade für die eigenen Immobilien-Projekte sind ein Teil der Solarmodule von Energetica bestimmt. Dies sei auch ein Motivationsgrund gewesen, den Photovoltaik-Hersteller zu übernehmen. „Uns ist unglaublich wichtig zu verstehen, wie, was und mit welcher Qualität produziert wird“, sagt Martin Kurschel.

In der Vergangenheit waren einige Schadensfälle bei Photovoltaik-Anlagen mit Energetica bekannt geworden. Die Verpflichtungen hat IRMA Power mit übernommen. „Wir arbeiten gerade noch an der Behebung der Gewährleistung. Zwei bis drei Fällen müssen noch abgewickelt werden“, so Martin Kurschel. Seit der Wiederaufnahme der Produktion sei kein neuer Fall hinzugekommen und auch der Ausschuss sei sehr gering, fügt er nicht ohne Stolz an. „Es geht uns darum, das Vertrauen vollständig wiederherzustellen.“ Denn IRMA Power hat sich auch aktiv gegen einen neuen Markennamen entschieden.

„Wir sehen durchaus Platz für unsere Produkte in der Nische“, erklärt Martin Kurschel. Gerade für Photovoltaik-Anlagen auf Schrägdachern im deutschsprachigen Raum sei das kompakte Solarmodul mit der integrierten Verschattungstechnologie gut geeignet und werde auch stark nachgefragt. So arbeitet Energetica mit verschiedenen Großhändlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen, liefert jedoch auch direkt an Installateure, die große Mengen abnehmen.

Ab 2023 auch Fassadenmodule

Aktuell werden in Liebenfels zwei Modultypen produziert – „e.Classic“ und „e.Prime“. Es handelt sich jeweils um monokristalline Module mit 120 Halbzellen und M6-Waferformat mit 12-Busbar- und eigener Verschattungstechnologie. Das leistungsstärkste Produkt hat aktuell 390 Watt und beide Modultypen sind auch in einer komplett schwarzen Ausführung erhältlich. Zudem liegen die Abmaße unter der Zwei-Quadratmeter-Grenze, womit es keine eigene bauaufsichtliche Zulassung für Photovoltaik-Dachanlagen in Deutschland benötigt und was ein wichtiger Pluspunkt beim Handling für die Installateure sei. Hinzu komme die gute Brandschutzklasse für die Module sowie die Zertifizierung für erhöhte Lasten. Ein nicht unerhebliches Kriterium für die Installation von Photovoltaik-Dachanlagen in der Alpenregion.

Ab dem kommenden Jahr will Energetica dann auch Fassadenmodule auf den Markt bringen. „Sie sollen eine Ableitung von unseren bisherigen Standardmodulen sein“, sagt Bernhard Kurschel. „Zudem wollen wir den Schritt von M6- auf M10-Wafer wagen.“ Dazu werde Energetica in zwei weitere Produktionslinienerweiterungen investieren. Die verschiedenen Produkte werden damit „sortenrein“ produziert. Beim Format wolle der Photovoltaik-Hersteller aber unter der Grenze von zwei Quadratmetern bleiben, sagt Bernhard Kurschel weiter. Er kündigte zudem an, Energetica werde auch weiter in Forschung und Entwicklung investieren. Im zweiten Halbjahr 2023 seien daher noch weitere Neuerungen geplant.

Die Kurschel-Brüder haben langfristige Pläne. „Als europäischer Photovoltaik-Hersteller muss man Langläufer sein, kein Sprinter“, sagt Martin Kurschel. Ihm ist klar, dass Energetica auf der Kostenseite nicht mit den chinesischen Wettbewerbern konkurrieren kann, die ganz andere Skaleneffekte erzielen. „Wir wollen keinen Preiskampf mit der asiatischen Konkurrenz“, sagt er. Es sei für Energetica vielmehr wichtig zu verstehen, welche Bedürfnisse und Anforderungen die Installateure an Module stellten und entsprechende Produkte anzubieten.

Was sich Martin Kurschel wünscht, wären fairere Marktbedingungen. Aber auch ein stabiler Markt mit stabilen Preisen würde schon helfen. Immerhin sei Energetica in den vergangenen Monaten des globalen Lieferkettenchaos permanent lieferfähig gewesen. Und auch beim CO2-Fußabdruck seien die Solarmodule „Made in Austria“ der asiatischen Konkurrenz überlegen, zumal die Produktion auch mit den eigenen Solarmodulen auf dem Dach und der Fassade am Werk in Liebenfels weitgehend CO2-neutral erfolgt.

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